Bevölkerungsumfrage „České klima 2024“: Klimaschutz ist Tschechen wichtig, darf aber nichts kosten
Die Menschen in Tschechien sprechen sich eindeutig für den Klimaschutz aus – ihr benzinbetriebenes Auto wollen sie sich jedoch von niemandem nehmen lassen. Dies ist eines der Paradoxe, die die großangelegte Studie „České klima 2024“ (Tschechisches Klima 2024) aufzeigt. Erstellt wurde sie in Zusammenarbeit des Tschechischen Rundfunks mit dem Institut 2050.
„Die nachhaltigen Produkte und Bio-Lebensmittel sind viel teurer. Also bleiben uns nur Chemikalien und alte Kartoffeln – jene Dinge eben, die für ärmere Leute bezahlbar sind.“
Valérie spricht über den Klimaschutz mit einer Portion schwarzem Humor. Sie würde gern mehr tun in Sachen Nachhaltigkeit, als nur Müll zu trennen und die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen. Aber für Menschen wie sie sei das eine zu hohe finanzielle Belastung, sagt die Frau aus Prag. Valérie lebt mit ihrem Ehemann und vier der fünf Kinder in einer kleinen Mietwohnung.
„Die Maßnahmen werden große Auswirkungen auf die Wirtschaft haben. Vor allem für Menschen, die nichts in der Rückhand haben und sich immer nur in dem gleichen Zyklus befinden – morgens zur Arbeit, abends zurück und Rechnungen bezahlen. Wenn der Green Deal durchgesetzt wird, ist das super für den Planeten, das ist klar. Aber alles wird teurer.“
Valérie gehört zur Gruppe der „Halbherzigen“. Sie erkennen den Klimawandel an, spüren seine Auswirkungen am eigenen Leib und meinen, dass etwas gegen ihn getan werden muss. Dem Green Deal, also dem europäischen Klimaschutzabkommen, stehen sie allerdings skeptisch bis ablehnend gegenüber.
23 Prozent der Menschen in Tschechien denken ähnlich. Die „Halbherzigen“ sind damit die größte der sieben Gruppen, in die sich die hiesige Bevölkerung aufteilen lässt, wenn es um das Thema Klimaschutz geht. Zu dieser Analyse ist das Institut 2050 gelangt. Gemeinsam mit dem Tschechischen Rundfunk hat die Organisation die Haltung der Menschen im Land zum Klimawandel und zum Green Deal untersucht. Jan Krajhanzl ist der Leiter vom Institut 2050:
„Fragt man die Leute, woran in Tschechien mehr gearbeitet werden müsste, gibt mehr als die Hälfte an, dass das Klima besser geschützt und die Emissionen gesenkt werden sollten. Sogar die skeptischsten Bevölkerungsgruppen, die sonst kein gutes Blatt am Green Deal lassen, unterstützen erneuerbare Energiequellen. Mehr als die Hälfte dieser Gruppe findet Solar- und Windkraftanlagen gut.“
Für das Projekt „České klima 2024“ wurden von Mai bis August dieses Jahres 2300 Menschen befragt. Die Statistiken werden seit Montag vom Tschechischen Rundfunk sukzessiv auf einer umfangreichen Website (https://www.irozhlas.cz/ceske-klima-2024) veröffentlicht. Der Internetauftritt bietet auch einen Selbsttest, bei dem die Nutzer herausfinden können, zu welchem Meinungslager sie selbst gehören. Ihn habe der Kontrast überrascht, sagt Krajhanzl, wie negativ die politische Debatte in Tschechien zum Klimaschutz geführt werde und wie positiv die Öffentlichkeit das Thema eigentlich aufnehme.
Dennoch lassen die Daten erkennen, dass sich viele Menschen auch selbst widersprechen. Etwa 65 Prozent der Befragten meinen, dass für wirksamere und vor allem schnellere Maßnahmen mehr auf die Klimatologen gehört werden solle. Im gleichen Atemzug lehnen sie aber die wichtigste Forderung dieser Fachleute ab – nämlich, so bald wie möglich mit dem Verbrauch von Benzin und Diesel aufzuhören. Das Aus für Neuwagen mit Verbrennungsmotoren ist in Tschechien vermutlich die unpopulärste Entscheidung beim Green Deal. 50 Prozent der Menschen hierzulande sprechen sich dann auch für eine Abschwächung oder gleich für die Abschaffung des Grünen Abkommens aus. Krajhanzl erläutert:
„Sehr lange hat hierzulande eine seriöse und faktenbasierte Kommunikation zum Green Deal von Seiten der Regierung und der Politik allgemein gefehlt. Also sind die unterschiedlichsten Populisten eingesprungen, die Märchen erzählen und sehr überzeichnete Informationen über den Inhalt und die Auswirkungen des Abkommens verbreiten.“
ZUM THEMA
Auf diese Weise sei ein negatives Bild des Green Deals in Tschechien entstanden, so der Klimatologe. Dabei stimme die Bevölkerung aber mit den meisten Einzelzielen überein:
„Es gibt eine große Erwartungshaltung an die politischen Vertreter, konkrete Rezepte vorzulegen, die der tschechische Staat tatsächlich umsetzen kann. Diese sollen belegen, wie das Land modernisiert oder die Natur erhalten werden können.“
Auch Valérie aus Prag ist überzeugt, dass etwas gegen den Klimawandel getan werden müsse:
„Na sicher, aber es ist schon zu spät. Als ich ein Kind war, ging es um das Ozonloch und Tschernobyl. Seitdem hat sich aber nichts bewegt. Immer noch steht der finanzielle Gewinn an erster Stelle.“