„Ein normaler Gegenstand historischer Forschung“ - Internationale Tagung zu Edvard Beneš in Prag

Edvard Beneš

Viel Historikerprominenz versammelte sich im Prager Goethe-Institut. Am Donnerstag und Freitag hat dort eine internationale Konferenz zu Edvard Beneš stattgefunden. Der bekannte und umstrittene Politiker der Tschechoslowakei – mit vielen guten und schlechten Attributen durch Tschechen und Deutsche bedacht – ist eine Person, an der sich Generationen abgearbeitet haben. Die Konferenz möchte eine Bestandsaufnahme der bisherigen Forschung leisten und den Umgang mit der Person auf die wissenschaftliche Ebene stellen.

Edvard Beneš
Viele renommierte Historiker aus Deutschland, Österreich, Großbritannien und natürlich aus Tschechien haben den Weg nach Prag gefunden, um im Gothe-Institut über den ehemaligen Außenminister und Staatspräsidenten Edvard Beneš zu sprechen. Ota Konrád hat die internationale Tagung organisiert:

„Die Ursprünge dieser Tagung reichen ziemlich weit zurück. Es ist ein Teil eines Forschungsprojektes, dass wir am Masaryk-Institut eingerichtet haben, ein Forschungsprojekt Edvard Beneš, Deutschland und die Deutschen. Die Konferenz wird in den 1920er Jahren beginnen, also mit dem Begin von Benešs außenpolitischen beziehungsweise politischen Tätigkeiten und bis zu den heutigen Tagen geführt werden.“



Edvard Beneš unterzeichnet die Dekrete
Das Programm der Konferenz war breit und ausführlich, unter anderem wurde über Beneš in der Wahrnehmung deutscher Diplomaten, Beneš und die deutschen Sozialdemokraten im Exil und seine Wahrnehmung nach 1989 gesprochen. Beneš ist in Deutschland ein Begriff vor allem als Namensgeber für die Dekrete, die er nach dem Zweiten Weltkrieg als Präsident erlassen hat. In Deutschland werden sie generell unter dem Begriff „Beneš-Dekrete“ diskutiert und waren sogar einmal ein Grund für eine Klage gegen den Beitritt Tschechiens zur EU. Allerdings befassen sich nur acht von insgesamt 143 Dekreten mit der Aussiedlung der Deutschen, und sie wurden nicht ausschließlich von Beneš verfasst und erlassen, sondern von der gesamten tschechoslowakischen Exilregierung. Auf tschechischer Seite reichen die Wertungen vom größten Staatsmann des Landes bis hin zum Bild eines Mannes, der den Kommunisten die Machtübernahme ermöglicht hat. Solchen Mythen, Dämonisierungen und verklärten Wahrnehmungen möchte die Konferenz entgegentreten und die Person Beneš auf dem Boden wissenschaftlicher Forschung verorten. Ota Konrád sieht die Zeit dafür gekommen:

Ota Konrád
„Ich bin überzeugt, dass dieses Thema schon zur Geschichte gehört. Das bedeutet, dass dieses Thema von den Historikern ruhig erforscht und wahrgenommen werden kann. Dieses Thema wird immer schneller historisiert und damit zu einem normalen Gegenstand der historischen Forschung.“

Den Weg von einer politisierenden und verklärenden Wahrnehmung hin zu einer wissenschaftlichen Deutung geht man auch in München. René Küpper, Projektmitarbeiter am Collegium Carolinum, erklärt, wie es zur Zusammenarbeit kam:



René Küpper
„Das Collegium Carolinum in München hat ein dort angesiedeltes DFG-Projekt über Edvard Beneš und die Minderheiten in der Zwischenkriegszeit. Daher bot es sich an, diese Forschungen zu bündeln und zu verbreitern, indem man weitere, internationale Forscher hinzugezogen hat.“

Nach dem ersten Tag zeigten sich dann auch alle Teilnehmer zufrieden, die Konferenz und der geplante Tagungsband werden den Forschungsstand bündeln und eine fundierte Diskussion über Edvard Beneš und sein Wirken ermöglichen.