Eine historische Stadt voller Überraschungen – ein Rundgang durch Kadaň

Kadaň

Die Stadt Kadaň / Kaaden in Nordwestböhmen ist vor allem für ihr Franziskanerkloster bekannt. Aber auch der Stadtkern hat einige Besonderheiten und Sehenswürdigkeiten zu bieten.

Kadaň | Foto: Ferdinand Hauser,  Radio Prague International

„Ich habe das Gefühl, dass der Name der Stadt Kadaň heute niemandem mehr etwas sagt“, meint Lukáš Gavenda. Der Historiker kennt sich aus wie kaum ein anderer mit der Geschichte von Kadaň, einer Stadt am Fluss Ohře / Eger. Auf Deutsch sagt er im Interview für Radio Prag International:

„Im Mittelalter war Kaaden eine der vier bedeutendsten Städte Nordwestböhmens neben Brüx, Saaz und Laun. Wenn man aber heute ‚Kadaň‘ hört, fragt man sich, ob dieser Ort überhaupt existiert. Kommt man dann doch einmal hierher, finden sich schnell Gründe für einen nächsten Besuch.“

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Die engste Straße Tschechiens

Katova ulička / Henkergasse | Foto: Ferdinand Hauser,  Radio Prague International

Eine Besonderheit unmittelbar am Marktplatz ist die Katova ulička, also die Henkergasse. Sie ist die engste Straße Tschechiens. Gavenda berichtet – nun wieder auf Tschechisch:

„An ihrer schmalsten Stelle misst die Gasse 66 Zentimeter. Das ist also nur etwas für Roller und andere einspurige Fahrzeuge – mit kurzen Lenkern!“

Katova ulička / Henkergasse | Foto: Ferdinand Hauser,  Radio Prague International

Ursprünglich sei die Straße als schneller Verbindungsweg vom Marktplatz zur Stadtmauer errichtet worden, sagt der Historiker. Die Gasse hatte aber noch einen weiteren Zweck…

„In Friedenszeiten diente sie als Gosse. Sie war also Teil der städtischen Kanalisation. Da die Straße abfällig ist, wurden Regenwasser und sämtliches Abwasser dadurch abgeleitet. Man kann sich vorstellen, wie ‚appetitlich‘ es dort damals gerochen haben muss. Bis heute dient die Straße als Kanalisation – mittlerweile aber mit der Hilfe von Rohren unter der Erde.“

Katova ulička / Henkergasse | Foto: Ferdinand Hauser,  Radio Prague International

Eine Hundestatue mit einer besonderen Geschichte

Marktplatz in Kadaň | Foto: Ferdinand Hauser,  Radio Prague International

Eine Dominante des Marktplatzes ist der Rathausturm. Wer ihn genau betrachtet, entdeckt daran die Statue eines kleinen Hundes. Dahinter steckt eine der viele Legenden der Stadt, berichtet Lukáš Gavenda:

„Man erzählt sich, dass ein Mitglied des Stadtrats einen sehr cleveren Hund hatte. Er trainierte den Vierbeiner so, dass er immer dann, wenn im Rathaus die Kasse kontrolliert wurde, einen Taler klaute und ihn seinem Herrchen zusteckte.“

Lange rätselte man, wer der Täter sein könnte, bis man eines Tages auf den Hund und sein Herrchen kam. Die Strafe war hart:

„Der Stadtrat wurde zum Tode verurteilt, denn es handelte sich um ein schweres Verbrechen. Im Mittelalter wurde niemand mit Samthandschuhen angefasst. Es gab keine Gefängnisse. Stattdessen landeten die Straftäter direkt auf dem Richtplatz.“

Rathausturm von Kadaň | Foto: Ferdinand Hauser,  Radio Prague International

Der Verurteilte bat um eine leichtere Strafe. Und die kam – aber heimtückisch war sie allemal:

„Der Mann sollte entlang der Zierlementen auf dem Dach des Rathausturmes nach oben klettern und dann wieder herunter. Wenn er dies schaffen würde, so sollte er wieder freigelassen werden. In der Rechtssprache nannte man das damals Gottesurteil. Der Verurteilte musste etwas leisten, was eigentlich gar nicht möglich war, etwa ein glühendes Eisen umgreifen. Wenn die Person die Strapazen überstand, bedeutete dies, dass sie unschuldig war, da Gott sie vor den Folgen bewahrte.“

Kadaň | Foto: Ferdinand Hauser,  Radio Prague International

Der Legende nach bestand der verurteilte Stadtrat tatsächlich die Prüfung. Jedoch war er derart erschöpft, dass er einige Tage später verstarb. Vor Trauer über den Verlust des Herrchens starb schließlich auch bald sein Hund. Als Erinnerung daran, dass man nicht stehlen solle, sei schließlich eine Statue des Hundes am Rathausturm angebracht worden, so die Sage.

Bekanntester Sohn der Stadt ist eine Zeichentrickfigur

Maxipes Fík | Foto: Magdalena Hrozínková,  Rudolf Čechura,  Jiří Šalamoun,  'Příhody Maxipsa Fíka'/Albatros

In Kadaň gibt es noch weitere bedeutende Statuen für einen Hund. Sie seien dem wichtigsten „Sohn“ der Stadt gewidmet, schildert Gavenda: „Maxipes Fík ist unser Landsmann“, sagt der Historiker.

Maxipes Fík ist eine Figur aus einer tschechischen Zeichentrickserie. Der überdimensionierte Hund erfreute ab 1976 Generationen von Kindern, die abends im Fernsehen den tschechoslowakischen Sandmann sahen. Und wie Lukáš Gavenda erzählt, hat der Hund eben eine ganz besondere Verbindung zur Stadt…

„Der Autor von Maxipes Fík, Rudolf Čechura, lebte in den 1950er und 1960er Jahren in Kadaň. Es kann also sehr gut sein, dass ihm hier die Idee zu seiner Figur kam.“

Maxipes-Fík-Ufer | Foto: Lenka Šobová,  Tschechischer Rundfunk

Gleich in einer der ersten Folgen wird dann auch ein Dorf in der Nähe von Kadaň erwähnt. Um dem berühmtesten Sohn der Stadt gerecht zu werden, wird mit einem großen Volksfest einmal im Jahr der Geburtstag des Hundes begangen. Doch das ist noch nicht alles:

„Ein ganzer Stadtteil ist nach ihm benannt. Es gibt hier das Maxipes-Fík-Ufer, das ist eine moderne Promenade entlang des Flusses Ohře. Am Wegesrand erinnern mehrere Kunstwerke an die Figur.“

Eines der Denkmäler stammt von den Künstlern David Meloun, Libor Kácha und Michal Fiala. In Sichtweite der Burg findet sich die Statue, für die als Material Edelstahl verwendet wurde. Ein zweites Denkmal stammt von František Vlček – er hat Maxipes Fík, den Helden seiner Heimatstadt, in Sandstein gehauen. Die Statue lädt Kinder dazu ein hinaufzuklettern. Aber auch eine Figur von Fíks bester Freundin Ája darf dabei nicht fehlen.

Maxipes Statue | Foto: Ferdinand Hauser,  Radio Prague International

Feste erinnern an Astronom Kirwitzer oder Karl IV.

Burg von Kadaň | Foto: Ferdinand Hauser,  Radio Prague International

Maxipes Fík ist aber nicht die einzige berühmte Persönlichkeit aus Kadaň.

„Wenzel Pantaleon Kirwitzer war ein Jesuiten-Missionar und reiste unter anderem nach Indien und China. Er lebte Ende des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts und kam aus unserer Stadt. Im Rahmen seiner Missionsreise besuchte er den jesuitischen Lehrstuhl an der Universität in Rom. Vermutlich traf er sogar auf Galileo Galilei.“

Foto: Ferdinand Hauser,  Radio Prague International

Berühmt ist Kirwitzer aber aus einem anderen Grund: „Als er in Indien war, sah er einen Kometen. Und als erster überhaupt schrieb er darüber eine wissenschaftliche Arbeit.“

An Kirwitzer wird in Kadaň heute einmal im Jahr bei einer wissenschaftlichen Konferenz gedacht.

Kirche im Franziskanerkloster | Foto: Ferdinand Hauser,  Radio Prague International

Im Rahmen des Kaisertages hält man zudem die Erinnerung an einen Besuch von Karl IV. im Jahr 1367 hoch. Das Volksfest findet stets am letzten Samstag im August statt:

„Er kam auf seinen Reisen hierher. Kadaň war Königsstadt, und Karl IV. hatte hier eine Burg – er konnte also komfortabel übernachten. Der Kaisertag hat zwei wichtige Programmpunkte: Am Vormittag findet ein Markt statt, und anschließend wird eine Audienz bei Karl IV. nachgespielt, bei der der Stadt das Marktrecht verliehen wurde.“

Laut Lukáš Gavenda ist der Kaisertag nicht nur bei den Anwohnern der Stadt beliebt, auch für viele Menschen aus der Umgebung sind die Feierlichkeiten ein Anlass, Kadaň einen Besuch abzustatten.

Foto: Ferdinand Hauser,  Radio Prague International

Über die touristischen Highlights von Kadaň informiert die Stadt – auch auf Deutsch – unter www.kadan.eu/de. In einem der nächsten Beiträge aus der Reihe „Reiseland Tschechien“ stellen wir Ihnen das Kloster von Kadaň vor. Die Anlage wurde vor Kurzem umfassend restauriert und könnte schon bald zum Unesco-Weltkulturerbe gehören – zumindest wenn es nach einer Initiative vor Ort geht.