Eine Idee wird zur Tradition: Mini-Fußball-EM erlebt schon die fünfte Auflage

Mini-Fußbal-EM 2007 (Foto: www.cnfs.cz)

Anfangs war es nur eine verrückte Idee, heute ist daraus eines der bedeutendsten Fußballturniere im Kinder- und Jugendbereich in Europa geworden. Die so genannte Mini-EM für kleine Kicker bis elf Jahre wird Anfang Mai schon zum fünften Male ausgetragen. Sie ist das Top-Projekt der Deutsch-Tschechischen Fußballschule, die im westböhmisch-fränkischen Grenzraum beheimatet ist.

„Für unsere Stadt ist das eine sehr bedeutende Veranstaltung, ja es ist das Ereignis des Jahres! Wir sind sehr froh, dass dieses Turnier hier stattfindet, denn es trägt zum Prestigegewinn unserer Stadt bei. Die Deutsch-Tschechische Fußballschule begrüßen wir gern auch in den nächsten Jahren und wir würden uns freuen, wenn aus ihrem Turnier eine Traditionsveranstaltung würde.“

Die Rede war soeben von einem Fußballturnier, wie es in Tschechien, ja in ganz Europa kein zweites gibt! Und die Dame, die gerade so lobende Worte fand, war keine Stadträtin aus Prag, Brno / Brünn oder Ostrava / Ostrau, sondern die stellvertretende Bürgermeisterin der westböhmischen Bäderstadt Františkovy Lázně / Franzensbad, Lenka Sazimová. In der Tat: Eine europaoffene Fußballmeisterschaft für elfjährige Kicker, in Deutschland als E-Jugend eingestuft, in einem beschaulichen Kurbad, das hat schon einen ganz speziellen Charme. Ein Verdienst der Deutsch-Tschechischen Fußballschule / Česko-německá fotbalová škola (DTFS/ČNFS), die hier am 2. August 2002 gegründet wurde. Und ganz speziell ein Verdienst ihrer Initiatoren und heutigen Projektleiter und Cheforganisatoren, Pavel Maršík aus Franzensbad und Gerald Prell aus Rehau. In ihren beiden Städten wird vom 2. bis 4. Mai das nunmehr schon fünfte Turnier, die so genannte Mini-EM 2008, ausgetragen. Gerald Prell erinnert sich:

„Ich glaube vor fünf Jahren war nicht daran zu denken, welches Ausmaß wir heute erreicht haben. Vor allem hat man sich wohl nie vorgestellt, was auch an Arbeit damit verbunden ist. Die Organisation des Turniers ist ja eine ehrenamtliche Sache, die vor allem abends und an Wochenenden betrieben wird, und man merkt mit der Zeit schon, dass man so eine Europameisterschaft nicht mehr einfach aus dem Ärmel schüttelt, sondern dass da wirklich viel Arbeit dahinter steckt.“

Was macht Sie besonders stolz an diesem Turnier?

„Das Schönste an der Arbeit ist, dass wir mittlerweile so etwas wie ein funktionierendes europäisches Vereinsnetzwerk gegründet haben. Mit anderen Worten: Wir sind hier so ein bisschen die Drehscheibe zwischen Ost und West. Bei uns gastieren zum Beispiel die Glasgow Rangers und der FC Everton aus Westeuropa, und aus Osteuropa kommen russische, polnische und auch ukrainische Vereine zu uns. Diese Clubs sehen uns als sehr guten Partner auch für weitere Kontakte in Europa an. Das Schöne daran ist, dass man mittlerweile in seinem Handy Kontaktdaten zu Trainern aus ganz Europa hat, und ein Anruf genügt, um sie für weitere Aktionen zu begeistern. Es handelt sich dabei um keine Einbahnstraße, indem Mannschaften sich von uns einladen lassen, zu uns kommen und hier ein schönes Turnier spielen. Im Gegenteil, wir merken, das Interesse an Gegenseitigkeit steigt. Das heißt, auch die Kinder hier aus der Region, die in einer unserer deutsch-tschechischen Mannschaften spielen, haben die Möglichkeit, durch ganz Europa zu reisen. England, Schottland oder das Baltikum waren bereits interessante Reiseziele, an denen sie sehr viel dazu gelernt haben. Das ist, so glaube ich, auch das Schöne daran, dass Deutsche und Tschechen gemeinsam Europa erkunden und weitere Nationen Interesse haben, diesem Beispiel zu folgen.“

Unter dem Motto „Sport gegen Terrorismus und Rassismus“ nehmen 14 Kindermannschaften an diesem E-Jugend-Turnier teil, darunter Titelverteidiger ZSKA Moskau, der dreifache Pokalgewinner FC Bayern München und das gastgebende Team der Deutsch-Tschechischen Fußballschule. Unter Federführung des deutsch-tschechischen Informationszentrums Idor und mit Unterstützung der Euregio Egrensis sowie der Fußballvereine FC Bayern Hof und FC Františkovy Lázně ist das grenzüberschreitende Projekt der Fußballschule vor knapp sechs Jahren aus der Taufe gehoben worden. In dieser Zeit ist es stetig gewachsen und erfreut sich einer immer breiteren Nachfrage:

„Ich glaube, das ist sicherlich eine der größten Motivationen, bei uns am Projekt mitzumachen: Wir bieten eine sehr gute fußballerische Ausbildung, die aber noch mit interkultureller Bildung kombiniert wird. Bei uns hat man die Möglichkeit, neue Sprachen kennen zu lernen. Man kommt herum, sowohl in Deutschland als auch in Tschechien, aber auch in weiteren europäischen Ländern. Natürlich kommen die wenigsten Kinder am Anfang zu uns, nur damit sie die Sprache der Nachbarn lernen. Aber wir haben es geschafft und arbeiten immer weiter daran, dass die Kinder über Fußball, über den Spaß am Fußball für das Leben lernen, sich selbst persönlich weiterentwickeln und neue Länder kennen lernen.

Wenn man sich ansieht, dass wir Anfragen aus Brandenburg haben, dass wir Kinder aus Mähren haben, oder dass wir Kinder aus der Slowakei haben, die in der Ferienzeit auch schon mal bei uns reinschnuppern, ist das einfach eine schöne Sache. Und man merkt, die Nationalität ist im Fußball wirklich nebensächlich: Ob jetzt der Kamerad in der Mannschaft Türke, Bosnier, Pole oder Roma ist, ist eigentlich egal, wenn man Spaß am Fußball hat, klappt der Doppelpass mit allen Nationen.“

Dass das keine hohle Phrase ist, belegt eine schöne Begebenheit, schildert Prell:

„Bei den Kindern gibt es eine schöne Anekdote aus dem letzten Jahr: Viele Mannschaften schlafen ja immer unter einem Dach. Nach dem Turnier hat man meistens schon ein paar Freunde aus anderen Nationen gewonnen und auf dem Bolzplatz werden dann auf einmal gemischte Mannschaften gebildet. Dann spielen Türken, Russen und Engländer auf einmal in einer Mannschaft und gegen ihre Mannschaftskameraden. Die Kinder verständigen sich mit Hand und Fuß, haben einen Riesenspaß dabei und erzählen noch heute, wie toll das war.“

Aber auch die Erwachsenen haben von der Mini-EM schon längst Besitz ergriffen, setzt der deutsche Projektleiter fort:

„Ähnlich ist es natürlich bei den Eltern. Sie sind unter den Fans, die sich das Turnier ansehen, und sie bringen dazu oft schottische oder polnische, tschechische oder deutsche Fahnen mit. Nach den drei Turniertagen werden Schals und Fahnen getauscht, und so merkt man, dass dieses europäische Fußballfest nicht zum Ziel hat, nur das beste Team zu ermitteln, sondern dass es eigentlich darum geht, dass man Brücken schlägt zwischen den einzelnen Nationen.“

Diese Brücken hat die Mini-EM der Fußballkicker bis elf Jahre bereits geschlagen – in alle Richtungen des alten Kontinents. Von daher hat die Europäische Fußball-Union (Uefa) von diesem Turnier nicht nur Kenntnis genommen, sondern erstmals durch ihren Präsidenten Michel Platini auch eine Grußbotschaft an die Teilnehmer abgeschickt. Ein Schreiben, das die Organisatoren des Turniers mit Stolz erfüllt:

„Ja, die Zusammenarbeit mit der Uefa ist sehr gut. Da muss ich auch eine Lanze für die Verbände bzw. für die Uefa brechen. Unsere Aktivitäten wurden eigentlich von Anfang an unterstützt und mittlerweile sind wir eben bis zur Uefa vorangekommen. Wir haben dort auch einen sehr persönlichen Kontakt und die Uefa findet natürlich den Ansatz, eine europäische Fußballschule zu gründen, sehr interessant. Dass das mittlerweile auch bis zu Michel Platini vorgedrungen ist, freut uns natürlich. Er hat ein Interesse daran, dass der Austausch zwischen Ost und West weiter wächst. Und dass er uns in dieser Hinsicht als ein Musterprojekt ansieht, macht uns natürlich schon ein bisschen Stolz.“

Aus einer guten Idee ist mittlerweile eine feste Institution geworden, sagt Gerald Prell und ergänzt:

„Manchmal werden Geschäftskontakte geknüpft, es haben sich viele Folgeprojekte auch für uns ergeben. Also, um auf die Eingangsfrage zurückzukommen: Dass konnte man so vor fünf Jahren sicherlich nicht erwarten. Damals war es ein Fest zur EU-Erweiterung, das auf einer verrückten Idee basierte. Dass diese verrückte Idee von Jahr zu Jahr wächst, daran war anfangs eigentlich nicht zu glauben.“

Man darf also sicher sein, dass die Jagd nach dem runden Leder – am 3. Mai in Franzensbad und am 4. Mai in Rehau – nicht nur Begeisterung bei den kleinen Fußballern, sondern auch viel Freude und neue Kontakte in ihrem Umfeld bringen werden.

Autor: Lothar Martin
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