Erfolgsbündnis VW/Škoda ist Paradebeispiel für geglückte Privatisierung
„Eine ungleiche Ehe unter dem Staat als Aufpasser“. So und ähnlich wurde hierzulande vor 20 Jahren die automobile Partnerschaft bezeichnet, die der solvente deutsche Volkswagen-Konzern und die finanziell angeschlagene tschechische Automarke Škoda eingingen. Aus dem damals noch mitleidig belächelten Mauerblümchen aus Mittelböhmen ist mittlerweile ein kräftig gewachsener Global Player geworden. Die Erfolgsstory von VW und Škoda ist das positive Paradebeispiel für eine gelungene Privatisierung nach der Wende in Tschechien. Aber es gibt auch andere Beispiele.
„Wir haben uns das Werk in Wolfsburg angeschaut, und wir haben ein straff geführtes Unternehmen von Qualität gesehen. Insbesondere aber haben wir dort bei weitem nicht so viele Drückeberger entdeckt, wie es sie bei uns gibt“, sagte im Dezember 1990 im Tschechoslowakischen Fernsehen (ČST) ein Beschäftigter des damaligen Nationalen Unternehmens Autowerke (AZNP) Mladá Boleslav.
Seinerzeit war das Unternehmen mit sechs Milliarden tschechoslowakischen Kronen verschuldet. Heute streicht die Aktiengesellschaft Škoda Auto längst wieder große Gewinne ein. Im vergangenen Jahr hat sie zum Beispiel einen Umsatz von acht Milliarden Euro verzeichnet.
Doch auch andere Zahlen sprechen für sich: Seit 1991 hat Škoda den weltweiten Verkauf seiner Fahrzeuge vervierfacht. Zudem hat das Unternehmen seine Produktpalette von einem Modell im Jahr 1991 auf derzeit fünf Modelle erhöht. Bis 1992 wurden pro Jahr nicht einmal 200.000 Autos der Wagentypen Favorit, Forman und Pick-up verkauft, im vergangenen Jahr hat Škoda bereits über eine Dreiviertelmillion Fahrzeuge der Modelle Fabia, Octavia, Superb, Roomster und Yeti an den Mann gebracht. Und bis 2018 wollen die Autobauer aus Mladá Boleslav ihre Verkaufszahl noch einmal verdoppeln – auf mindestens 1,5 Millionen. Hierzu sollen vor allem die Absatzmärkte in China, Indien und Russland ausgebaut werden, die ein stetig wachsendes Potenzial versprechen. Škoda hat sich also längst von einer kleinen tschechischen Marke zu einem Weltunternehmen gemausert. Vor 20 Jahren waren die Mittelböhmen nur auf den Markt im Inland sowie in mittel- und osteuropäischen Ländern fixiert, heute beliefern sie mehr als 100 Länder mit ihren Produkten.
Alle diese Erfolgsmeldungen machen mehr als deutlich: Škoda hat im harten internationalen Wettbewerb seit der Wende nicht nur Fuß gefasst, sondern sich auch zu einer Automarke entwickelt, die weltweit sehr gefragt ist. Diese Entwicklung nimmt auch der ehemalige Staatsökonom und heutige Pädagoge an der Volkswirtschaftlichen Fakultät der Hochschule für Ökonomie in Prag, Tomáš Ježek, zufrieden zur Kenntnis:„In erster Linie war es ein ausgezeichneter Griff, den man bei der Wahl des Partners getroffen hat. Volkswagen ist in der Tat ein Spitzenunternehmen und daher eine gute Wahl.“
Als damaliger tschechischer Minister für die Verwaltung des nationalen Eigentums und dessen Privatisierung hatte Ježek einen nicht unerheblichen Anteil daran, dass man sich von staatlicher Seite im Dezember 1990 für Volkswagen als Investor und Anteilseigner von Škoda entschieden hat. Damals stieg VW mit 31 Prozent bei Škoda ein, seit dem Jahr 2000 sind die Mittelböhmen eine 100-prozentige Tochter des Wolfsburger Konzerns. Zu Recht, findet Ježek, dessen Ministerium von August 1991 bis Juni 1992 nicht weniger als 60 staatliche Unternehmen auf direktem Wege privatisieren ließ. Und allesamt erfolgreich, urteilt Ježek heute, auch wenn er die Erfolgsquote sämtlicher Privatisierungen etwas niedriger einstuft:
„Ich würde sagen, dass 85 Prozent aller Privatisierungen erfolgreich waren, auch wenn im Gedächtnis zumeist nur die nicht gelungenen Transaktionen hängen bleiben. Aber all jene Privatisierungen, die geglückt sind, werden eigentlich kaum noch erwähnt oder hervorgehoben.“Laut Tomáš Ježek aber hätte die Zahl der gelungenen Privatisierungen durchaus noch höher sein können. Doch bei den Wahlen im Juni 1992 siegten in der tschechischen Teilrepublik die Bürgerdemokraten von Václav Klaus, dem damaligen Finanzminister. Und Klaus stand den direkten Privatisierungen skeptisch gegenüber:
„Die Wahlen haben uns in dem Sinne gebremst, dass wir die direkten Privatisierungen im Juni 1992 beendet haben. Danach kam die neue Regierung von Premier Klaus, die alle schon begonnenen Projekte sofort stoppen und die Weichen auf die so genannte Coupon-Privatisierung umstellen ließ.“
Bei der Coupon-Privatisierung, einer von der Idee des Volkskapitalismus angeregten Form der Privatisierung, sollte die Umwandlung von Staatseigentum in Privateigentum durch ausgegebene Coupons erfolgen. Diese Coupon-Privatisierung hatte in der Bevölkerung der ab 1993 bestehenden Tschechischen Republik viel Interesse geweckt, der von Premier Klaus und seinen Wirtschaftsexperten erhoffte Effekt blieb jedoch aus. Ježek glaubt zu wissen, woran das gelegen hat:
„Das Hauptproblem der Coupon-Privatisierung war der Zeitpunkt. Sie wurde durchgeführt, als bereits die ersten Investment- und Privatisierungsfonds entstanden waren, das Gesetz über Investitionsgesellschaften und Fonds aber vom Finanzministerium ziemlich verpatzt wurde.“
Und Ježek ergänzt sofort, weshalb das Gesetz nicht gut durchdacht war:
„Dieses Gesetz hat den Fondsgründern das Recht in den Schoß gelegt, dass sie mit dem Eigentum der Investoren umgehen konnten wie mit ihrem eigenen Besitztum.“
Dieses Gesetz habe, so Ježek, letztlich Betrügern und Wirtschaftskriminellen Tür und Tor geöffnet. Der hierzulande meistberüchtigte Kriminelle war der Gründer des ehemaligen Harvard-Fonds, Viktor Kožený. Er gab sich einen seriösen Anstrich für seinen Fonds – Kožený verwendete unberechtigt den Namen der elitären amerikanischen Harvard-Universität. Doch der einstige Investment-Unternehmer erschlich sich das Vertrauen von rund 800.000 Anlegern, um sich dann 1995 mit deren Geld – rund 200 Millionen Dollar – aus dem Staub zu machen.
„Wenn ich noch einmal die Privatisierung mitorganisieren könnte, dann würde ich nicht mehr mit dem föderalen Finanzministerium zusammenarbeiten. Denn ich würde mir das Schlüsselgesetz über Investitionsgesellschaften und Fonds nicht aus der Hand nehmen lassen. Dieses Gesetz war nämlich nichts anderes als die Quelle des ganzen Übels, das sich später in der so genannten Untertunnelung von Firmen und vielen Finanzskandalen niedergeschlagen hat. Dort lag der Hund begraben.“
Warum die Partnerschaft von Škoda und Volkswagen so erfolgreich war, hat also noch einen weiteren Grund: Sie wurde rechtzeitig begonnen. Und Václav Klaus, der heutige tschechische Präsident, lobt diese Partnerschaft jetzt ebenso in höchsten Tönen:
„Ich war immer überzeugt davon, dass ich den Käse in Frankreich kaufen werde, aber Autos nur in Deutschland.“