Erste Obdachlosenzählung in Prag
Obdachlose sind Teil des Prager Stadtbilds. Wie viele ohne Wohnung und meist ohne Arbeit am Rand des Hauptstadtlebens stehen, war jedoch bisher unbekannt. Eine Zählung hat jetzt Licht in das Dunkel bisheriger Schätzungen gebracht. Daniel Satra berichtet.
"Es gibt einen weit verbreiteten Mythos, dass soziale Einrichtungen für Obdachlose erst Obdachlose anlocken und damit quasi produzieren. Mit der Zählung konnten wir beweisen, dass die Zahl derjenigen ohne Dach über dem Kopf viermal höher ist, als die Zahl der Plätze in Einrichtungen."
Denn nur 700 Plätze stehen in Prag gegenwärtig zur Verfügung. Orte, an denen Menschen übernachten und sich waschen können. Tagesstätten, in denen diejenigen, die durch die Maschen des sozialen Netzes gefallen sind und auf der Straße leben, eine Mahlzeit und auch Altkleider bekommen. Doch neben Straßensozialarbeit und Grundbetreuung wollen Sozialdienste wie der Verein "Nadeje" einen Schritt weiter in Richtung Reintegration Obdachloser in die Mehrheitsgesellschaft gehen:
"Daran schließen zeitlich weniger befristete Unterkünfte an, bei denen wir von einem größeren Engagement der Menschen für sich selbst ausgehen - die Person sollte zum Beispiel eine Anstellung haben. Dann sollte es eigentlich mit betreutem Wohnen oder Sozialwohnungen weiter gehen. Aber in Tschechien herrscht ein Mangel an Sozialwohnungen, weil eine soziale Wohnungspolitik faktisch nicht existiert."Wer heute in Tschechien auf der Straße lebt, hat oft Schicksalsschläge hinter sich. Die Umstände, die diesen Menschen in die Obdachlosigkeit führen, unterscheiden sich nicht von denen anderswo in Europa: Eine gescheiterte Ehe, ein Gefängnisaufenthalt, eine Kündigung, Alkoholsucht oder Krankheit, vor allem psychische Erkrankungen. Oft kommen mehrere Faktoren zusammen. Und noch eine Gruppe tut sich in Tschechien hervor, sagt Hradecký:
"Ungefähr 40 Prozent der Menschen, die bei uns Hilfe suchen, haben Erfahrungen mit Aufenthalten im Kinderheim."
Die Zählung soll nicht folgenlos bleiben: Eine Expertenrunde der Stadt Prag hat die Zahlen vorliegen. Gemeinsam mit der Karitas der Erzdiözese Prag, der Heilsarmee, dem städtischen Zentrum für Sozialdienste und Prävention und "Nadeje" will die Stadt nun nach Lösungen suchen.