Erster orthodoxer Roma Priester in Rokycany
Herzlich willkommen, sehr geehrte Damen und Herren, zu einer weiteren Folge des Regionaljournals. Diesmal besuchen wir die Stadt Rokycany, eine auf den ersten Blick durch nichts auffallende, eher durchschnittliche tschechische Kleinstadt. Was uns also zu einem Besuch dorthin bewegte? Das sagen wir Ihnen gleich. Guten Empfang aus den Regionen wünschen Ihnen Lothar Martin und Dagmar Keberlova.
Rokycany liegt unweit von Prag, also wenn alles leicht geht, ist man in nicht einmal einer Stunde dort angekommen. Auf unserer Hinreise machen wir aber den ersten Halt nicht erst in Rokycany, sondern in Stary Plzenec, wo wir unseren Gast abholen und nach Rokycany mitnehmen. Bald erzählt er uns auch, warum er uns darum gebeten hat. Obwohl Stary Plzenec, das durch die dort angesiedelte Sektfabrik Bohemia Sekt bekannt ist und wo man vor 10 Uhr nirgends einen Kaffee trinken kann, nur ein paar Kilometer von Rokycany entfernt ist, bedeutet die Zugreise einen nahezu einstündigen Aufwand. Wer dies fast jeden Tag in Kauf nehmen muss? Niemand weniger als der erste tschechische orthodoxe Roma Priester, Herr David Dudas. Wieso wohnt er denn nicht in Rokycany, wo seine Pfarrgemeinde angesiedelt ist? Weil er zwar Priester ist und daher ein Recht auf eine Dienstwohnung hätte, die Stadt Rokycany sei aber nicht fähig, diese für ihn zu organisieren, weil er Angehöriger einer schwarzen Gemeinde, also Roma Gemeinde sei, erzählt uns David Dudas schon auf der Hinfahrt. Aber beginnen wir von Anfang an, schlagen wir vor, und er ist einverstanden.
Die orthodoxe Kirche, die in Tschechien sehr wenig verbreitet ist, gibt es in Rokycany seit zwei Jahren. David Dudas hat sie praktisch gegründet, auch wenn er vor zwei Jahren noch in Rumänien studiert hatte und dies alles über Telephon und SMS organisiert hatte. Die orthodoxe Gemeinde in Rokycany wurde vor allem mit dem Ziel gegründet, dass sie sich um Roma kümmern wird. Seitdem wurde sehr viel getan, sagt David Dudas, und wo man dies am meisten sehen kann, das ist die Dreifaltigkeitskirche. Lassen wir endlich David Dudas selbst zu Wort kommen:
"Die Kirche, die wir von der römisch-katholischen Kirche übernommen haben, war in sehr schlechtem Zustand. Menschen, die sich zu unserer Kirche gemeldet haben, haben sehr starken Willen bewiesen, sie sind Tag für Tag nach der Arbeit am Abend gekommen, um die Kirche zu renovieren, damit die Arbeit bald beendet sei und sie endlich einen Ort haben, wo sie beten können. Das Interieur ist heute schon fertig, aber vieles bleibt noch zu tun. Alles steht und fällt mit dem Geld: nur damit sie sich eine Vorstellung machen können: die Kirche selbst braucht 6 Millionen Kronen pro Jahr, und vom Staat bekommen wir 200 000. Also wenn es mit all dem, was wir privat bekommen, so weiter geht, werden wir noch einige Jahrzehnte brauchen."
Aber Herr Dudas ist zuversichtlich. Wie er sagt - die Kirche ist durch ein Wunder Gottes den Roma in Rokycany gekommen, und auf dem selben Wege hofft er, dass auch andere Menschen kommen werden, die sich an der Renovierung der Kirche beteiligen. Denn bis zu einem guten Zustand ist es noch ein weiter Weg: es muss noch fertig ausgemalt werden, die Fassade muss neu gemacht werden, der umliegende Park ist auch ziemlich zerstört. Aber einige Prachtstücke findet man drinnen bereits, beispielsweise bekam die Kirche ein wunderschönes silbernes Taufbecken aus Griechenland, und die russischen Roma haben ihr Sakralgegenstände gewidmet.
Die Pfarrgemeinde wird durch den Seniorenrat geleitet, und dieser weißt eine Besonderheit auf. Herr Dudas weiter:
"Unser Seniorenrat zählt neun Mitglieder und das besondere bei uns ist, dass alle Roma sind. Der Geistliche ist Roma, die Leitung der Gemeinde besteht ebenfalls aus Roma, und wenn Sie am Sonntag in die Kirche kommen, sitzen dort Roma und beten dort. Und mit ihnen zusammen Tschechen, Ukrainer, Bulgaren, und wir fühlen, dass wir nicht mehr Grieche oder Jude sind, sondern wir bilden eine Einheit in Gestalt Christi."
Herr Dudas hat eine sehr gemischte Gläubigergruppe, und er versteht sie alle nicht nur im Geiste, sondern auch ihre Sprachen. Neben Roma und tschechisch spricht er noch rumänisch, russisch und englisch. Manchmal wisse er bei der Beichte nicht mehr, in welcher Sprache er gerade mit dem Gläubigen sprechen soll. Wie viele Menschen am Sonntag in die Kirche kämen? Dies sei unterschiedlich, antwortet David Dudas, gemeldet sind an die 200, durchschnittlich kommen so an die 30. Roma gibt es in Rokycany insgesamt an die 800. Dies bezeichnet er als einen großen Erfolg, weil es die orthodoxe Kirche in Rokycany zuvor nie gegeben hatte. Aber in die Kirche kommen am Sonntag auch einige wenige, die nicht orthodox sind, da bei ihnen die Messe um eine Stunde später als bei den Katholiken beginnt. So kommen manche von der katholischen direkt zu der orthodoxe Messe. Wir wissen schon, dass es die Orthodoxen seit 2 Jahren in Rokycany gibt, wie ist aber eigentlich die Idee gekommen, diese Kirche hier überhaupt zu gründen? David Dudas hierzu weiter:
"In den letzten zehn Jahren haben wir einen Anstieg von orthodoxen Kirchen in ganz Tschechien verzeichnet. Auch in Rokycany hatten wir Interesse, ein Zentrum zu gründen. Und weil die Kirche hier mit meiner Person einen Kandidaten für den Priesterposten hatte, so war dies ein lang geplantes Projekt. Und dann bekamen wir die Kirche, was für die Orthodoxen das wichtigste ist: eine Kirche zu haben. Ich bin dann von Familie zu Familie gegangen, sowohl zu denen, die schon orthodox waren, als auch zu anderen, und bei allen fand ich zu Hause alte Ikonen. Und sie erzählten mir, dass ihre Eltern diese Ikonen aus der Ostslowakei mitgebracht haben, und dass sie in ihrer Kindheit von der orthodoxen Kirche gehört haben. Also sie nahmen dies als eine Rückkehr zu der Kirche ihrer Väter und Mütter."
David Dudas hat uns schon sehr viel über alle und alles andere erzählt außer von ihm selbst. Wenn man ihm zuhört, ist es fast unglaublich, dass dieser energische Mann, der schon so viel in seinem Leben nach bewegen konnte, erst 22 Jahre alt ist. Für ihn war der katholische Glauben immer ein fester Bestandteil seines Lebens. Seit er klein war, wollte er Priester werden. Mit 14 Jahren hat er dann die orthodoxe Kirche entdeckt, die ihn als ältere sehr angezogen hatte. Dann ist er zum orthodoxen Glauben übergetreten und begann diesen mit 15 Jahren zu studieren. Zu der Zeit begann damals die tschechische orthodoxe Kirche gute Kontakte zu der rumänischen zu haben, und David Dudas bekam ein Stipendium für das beste Seminar in Rumänien.
Dank des rumänischen Stipendiums und der Unterstützung des Open Society Funds war es ihm möglich, das Studium vier Jahre lang durchzuziehen. Einfach war es nicht, weil er am Anfang kein rumänisch gesprochen hatte. Nach er das Studium absolviert hatte nahm er dann gleich den Posten an, in dem wir ihn kennen gelernt haben.
Die Roma in Rokycany haben in ihrer Kirche eine große Motivation gefunden. Sie haben Ausdauer bewiesen, denn am Anfang des Projektes hatten sich viele in Rokycany gedacht, dass sie nicht lange dabei bleiben werden. Doch sie haben das Gegenteil bewiesen. Mehr zu der Situation in Rokycany sagte uns der in Rokycany lebende Roma Aktivist Ondrej Gina:
"Die Roma-Selbstverwaltung kommt immer mit einer Idee, einem Projekt, wie jetzt die orthodoxe Kirche. Wir haben unsere eigene Kirche und wir wollen in einem Gebiet aktiv sein, in dem wir noch nicht gearbeitet haben, und die Einstellung des Stadtrates zu uns ist komisch. Dort sieht man das nicht als eine Angelegenheit der Bürger von Rokycany, sondern als ein Roma-Problem, mit dem man nicht viel zu tun hat."
Herr Gina sieht darin auch einen Grund, warum sich viele Roma nicht integrieren wollen: weil diese Einstellung für sie nicht positiv ist, was zu weiteren Vertiefung der bestehenden Ghettos führt und nicht zu weiteren Integration, die ein gewünschtes, doch noch weit entferntes Ziel bleibt. Eines ist sicher: Mit der orthodoxen Roma Pfarrgemeinde ist bestimmt ein großer Schritt nach vorne gelungen.
Liebe Hörerinnen und Hörer, hiermit sind wir am Ende der heutigen Sendung angelangt, in der wir die Roma-Pfarrgemeinde in Rokycany besucht haben. Am Mikrophon verabschieden sich und auf ein Wiederhören in zwei Wochen freuen sich Lothar Martin und Dagmar Keberlova.