EU-Gutachter: Benes-Dekrete behindern EU-Beitritt Tschechiens nicht

Die so genannten Benes-Dekrete zur Vertreibung und Enteignung von Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg behindern den für 2004 erwarteten Beitritt der Tschechischen Republik in die EU nicht. Mit weiteren Informationen kommt jetzt Dagmar Keberlova.

Zu diesem Schluss kommt ein am Montag in Brüssel bekannt gewordenes Rechtsgutachten für das Europaparlament. Die Dekrete müssten deshalb auch nicht aufgehoben werden. Die Beschlagnahmung des Eigentums von Deutschen und Ungarn in den Jahren 1945 und 1946 sei im Zusammenhang mit dem Beitritt kein Thema, da die Beitrittsbedingungen nicht die Vergangenheit umfassen, schrieb der frühere Direktor des Heidelberger Max-Planck-Instituts für Öffentliches Recht, Jochen Frowein. In der tschechischen politischen Szene wurde dieser Beschluss mit Zufriedenheit wahrgenommen. So äußerte sich auch der Vorsitzende des außenpolitischen Parlamentsausschusses Vladimir Lastuvka in einem Gespräch für Radio Prag:

"Selbstverständlich begrüße ich die Entscheidung, die für mich auch keine Überraschung ist. Jede seriöse Studie hat zu diesem Schluss kommen müssen. Zu einem ähnlichen Schluss sind wir schon im vergangenen Jahr im Rahmen eines Seminars zum Thema der Vorbereitung Tschechiens zum EU Beitritt hinsichtlich seiner Vergangenheit und hier vor allem der Dekrete gekommen. An diesem Seminar haben unter anderem Politiker, Rechtswissenschaftler und Historiker teilgenommen. Der Hauptberichterstatter für Deutschland Professor Christian Tomuschat äußerte in Prag so ungefähr das selbe wie das, was jetzt in der Analyse herausgekommen ist. Allerdings weiß ich, dass damit die Diskussion nicht beendet wurde." Österreich verkündete bereits, dass es zu diesem Thema weiter verhandeln will. Die österreichische Außenministerin Benita Ferrero Waldner sagte, dass "rechtliche Fragen eine Sache sind, moralische und politische wiederum eine andere." Wie sieht dies Abgeordnete Lastuvka?

"Ich verstehe es so, dass in Österreich die Wahlen anstehen und daher bedeutet auch dieser Bericht kein definitives Ende dieser Diskussion. Das Thema wird da sein, in bilateralen Beziehungen mit Österreich sowie teilweise auch mit Deutschland. Sprechen über die Vergangenheit ist notwendig, für eine Debatte sind wir vorbereitet, zu verhandeln haben wir allerdings nichts."

Ein Gesetz von 1946 sei laut der Analyse weiterhin in Kraft, wonach Vergeltungsmaßnahmen für erlittenes Unrecht während der deutschen Besetzung nicht strafrechtlich verfolgt werden, schrieb der Gutachter. Eine Rücknahme dieses Gesetzes sei aber nicht zwingend notwendig, da auch Deutschland als am meisten betroffenes Land nicht darauf bestanden habe, als 1997 die Deutsch-Tschechische Erklärung verhandelt wurde. Es sei aber angebracht, dass Tschechien bestimmte Folgen dieses Gesetzes öffentlich bedauere. Laut dem Vorsitzenden des außenpolitischen Ausschusses des Europäischen Parlaments Elmar Brok hätte die Tschechische Republik ihr Bedauern nur gegenüber Deutschland geäußert, es wäre notwendig, dies auch gegenüber Österreich und Ungarn zu tun.