Beneš-Dekrete sorgen für Missstimmung zwischen Tschechien und Ungarn

Beneš-Dekrete (Foto: ČT24)

Die sogenannten Beneš-Dekrete sorgen für Verstimmung zwischen Tschechien und Ungarn. Anlass dazu gab eine kontroverse Aussage des ungarischen Parlamentspräsidenten.

László Kövér  (Foto: Michał Józefaciuk,  CC BY-SA 3.0 PL)
Tschechien und die Slowakei hätten nicht Mitglieder der Europäischen Union werden dürfen, solange ein Gesetz, das auf dem Prinzip der Kollektivschuld beruhe, Teil ihrer Rechtsordnung sei. So wurde der Vorsitzende des ungarischen Parlaments, Laszló Kövér, am Samstag in der tschechischen Tageszeitung Právo zitiert. In Prag kam das nicht gut an. Außenminister Lubomír Zaorálek (Sozialdemokraten) bestellte deswegen sogar den ungarischen Botschafter ein. Dieser versicherte am Dienstag, dass die Äußerung des Parlamentspräsidenten nicht die Position seiner Regierung widerspiegle. Das aber genügt Zaorálek nicht:

„Ich verlange mit Recht von der ungarischen Regierung, nicht nur zu sagen, sie teile die Meinung des Parlamentspräsidenten nicht, sondern auch die Verantwortung dafür zu übernehmen, was andere Spitzenvertreter Ungarns sagen.“

Beneš-Dekrete  (Foto: ČT24)
Jeder Staat solle mit einer Stimme in der Außenpolitik sprechen, betonte Zaorálek. Er forderte, dass sich ähnliche Ausfälle nicht wiederholen dürften. Die Beneš-Dekrete seien fester Bestandteil der tschechischen Rechtsordnung, aber in ihrer Rechtswirkung erloschen, betonte der Diplomat.

„Die Dekrete haben kein Problem dargestellt für den Beitritt der Tschechischen Republik zur EU. Es ist für mich absolut absurd und inakzeptabel, dass ein hoher Repräsentant Ungarns so etwas anbringt.“

Karel Schwarzenberg  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Zaoráleks Vorgänger im Außenministerium, Karel Schwarzenberg (Top 09), erinnerte in diesem Zusammenhang an seine Verhandlungen vor dem EU-Beitritt der Tschechischen Republik:

„Wir haben vor fünfzehn Jahren genau solche Forderungen aus München und teilweise auch aus Wien gehört. Damals haben die deutsche Bundesregierung und Bundeskanzler Schüssel diese Argumente zurückgewiesen und gesagt, für sie sei von größerer Bedeutung, dass die Tschechische und die Slowakische Republik EU-Mitglieder werden. Dafür sollen sie Dank haben.“

Und dies müsse auch Premier Orban begreifen, wenn er die Zusammenarbeit in der Visegrad-Gruppe aufrechterhalten wolle, so Schwarzenberg.

Robert Pejša  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Ungarn-Experte Robert Pejša wies gegenüber dem Tschechischen Fernsehen auf einen spezifischen Zug der ungarischen Politik hin:

„Der Schutz der ungarischen Minderheiten im Ausland ist einer der wichtigsten Pfeiler der Außenpolitik Budapests. In diesem Kontext muss man auch die Aussage von Laszló Kövér verstehen. Es gibt keinen ungarischen Politiker quer durch das politische Spektrum, der die Frage der Beneš-Dekrete anders beantworten würde als er.“

Außenminister Zaorálek lehnt dies ab. Ein Staat könne nicht seine Innenpolitik auf die eine Weise gestalten und eine andere Linie in der Außenpolitik vortäuschen:

„Die ungarische Repräsentanz muss dies für sich klären. Wenn sie an den Beziehungen mit Tschechien interessiert ist, daran, dass die Tschechische Republik ihr hilft, wie sie es in der Flüchtlingskrise als Partner gemacht hat, dann muss sie auch ihre Äußerungen diesem Ziel anpassen. Wenn jemand als Partner zusammenarbeiten will, muss er die andere Seite respektieren.“

Die Beneš-Dekrete haben nach dem Zweiten Weltkrieg unter anderem die Grundlage geschaffen für die Enteignung und Aussiedlung von über zwei Millionen Deutschen und fast 90.000 Ungarn aus der damaligen Tschechoslowakei.