Orbán-Besuch in Tschechien: Journalisten von Pressekonferenz ausgeschlossen

Der ungarische Premier Viktor Orbán war am Mittwoch auf Staatsbesuch in Tschechien. Gemeinsam mit Regierungschef Andrej Babiš (Partei Ano) verbrachte er einige Stunden in Ústí nad Labem / Aussig, dem Wahlkreis von Babiš bei den anstehenden Abgeordnetenhauswahlen. Für die gemeinsame Pressekonferenz wurde einer Reihe Journalisten die Akkreditierung verwehrt.

Viktor Orbán und Andrej Babiš | Foto: Kateřina Sýkorová,  ČTK

Neun Tage vor den Abgeordnetenhauswahlen in Tschechien zeigten sich Babiš und Orbán in freundschaftlicher Verbundenheit. Der tschechische Premier empfing seinen ungarischen Kollegen am Vormittag in seinem Prager Amtssitz, zum Mittag fuhren beide dann nach Ústí nad Labem. Nach dem Ausflug mit der Seilbahn wartete schon eine Gruppe Demonstranten auf sie.

„Hanba“„Schande“ und „Putin“s slut“„Putins Hure“ riefen die Protestierenden der Abordnung entgegen und hielten pro-europäische Transparente hoch. Orbáns Kritiker verweisen auch hierzulande auf die Einschränkungen von Pressefreiheit oder der Tätigkeiten von NGOs in Ungarn. Mit dem Staatschef aus Budapest eint Babiš die skeptische Haltung zur Migrations- oder auch zur Klimapolitik der EU.

Orbáns Kritiker | Foto: Ondřej Hájek,  ČTK

Diese Themen sowie die Folgen der Corona-Pandemie klangen dann auch im Pressebriefing der beiden Staatsmänner in Ústí nad Labem an. Nicht alle Journalisten, die ihr Kommen angekündigt hatten, bekamen dafür aber eine Akkreditierung. Der Mitteleuropa-Korrespondent für die französische Zeitung „Le Monde“, Jean-Baptiste Chastand, sagte in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:

„Vor Ort habe ich festgestellt, dass mein Name auf der roten Liste steht, ähnlich wie die Namen weiterer ausländischer, aber auch tschechischer Journalisten. Wir wissen nicht, warum wir nicht zugelassen wurden.“

Jean-Baptiste Chastand | Foto:  Archiv von Jean-Baptiste Chastand

Neben Chastand mussten Mitarbeiter von ARD, Mitteldeutschem Rundfunk und „Die Zeit“ sowie des tschechischen Nachrichtenportals Investigace.cz vor der Tür bleiben. Die Presseabteilung der Regierung begründete den Ausschluss mit den eingeschränkten räumlichen Kapazitäten:

„Bei der Pressekonferenz haben wirklich nicht alle akkreditierten Journalisten Platz“, verkündete die Sprecherin des Regierungsamtes, Veronika Beníšková.

Die betroffenen Pressevertreter äußerten jedoch Zweifel an dieser Begründung. Magdalena Sodomková von „Le Monde“ berichtete etwa der Presseagentur ČTK, dass die Mitarbeiterin eines regionalen Radiosenders sogar ohne vorherige Akkreditierung in den Saal gelassen worden sei. Laut Martin Nejezchleba vom Wochenblatt „Die Zeit“ zielte der Ausschluss auf Vertreter ausländischer Medien ab:

Martin Nejezchleba | Foto:  Ostpol

„Die zuständige Mitarbeiterin hat mir gesagt, sie sei angewiesen worden, keine ausländischen Journalisten hineinzulassen.“

Ein Korrespondent des Tschechischen Rundfunks bestätigte seinerseits, dass im Saal durchaus noch freie Plätze zur Verfügung waren.

Hinsichtlich seines Besuchsprogramms behauptete Viktor Orbán, nicht in den tschechischen Wahlkampf eingreifen zu wollen. Sein Besuch am Mittwoch sollte seinen Angaben zufolge die Verbundenheit der beiden Länder innerhalb der Visegrád-Gruppe betonen. Im Stadttheater von Ústí nad Labem traten beide Premiers allerdings vor Anhängern von Babišs Partei Ano auf und diskutierten Themen wie Familienpolitik, Zuwanderung und soziale Ungerechtigkeit. Die Bühne schmückte die Aufschrift „Až do roztrhání těla“ (zu Deutsch: Bis sich der Körper zerreißt) – das Motto der Wahlkampagne von Ano.

Viktor Orbán und Andrej Babiš | Foto: Kateřina Šulová,  ČTK

Babiš und Orbán hatten sich erst vor einer Woche in Ungarn getroffen. Am Rande eines Gipfels zum Thema Demografie statteten beide den Truppen an der EU-Außengrenze einen Besuch ab. Beide Premiers fordern immer wieder einen besseren Schutz der EU vor illegaler Einwanderung. Die tschechische Regierung hat am Montag dann auch einen Beschluss verabschiedet, nach dem im Oktober 50 Polizisten zum Dienst an die ungarisch-serbische Grenze entsandt werden. Auf der Pressekonferenz in Ústí nad Labem betonte Orbán das gemeinsame Interesse:

„Ungarn schützt an der Südgrenze zu Serbien nicht nur sich selbst, sondern auch die Tschechische Republik.“

Der ungarische Premier beendet seinen eintägigen Besuch am Mittwoch mit einem Abendessen bei Staatspräsident Miloš Zeman auf Schloss Lány / Lana.

Autoren: Daniela Honigmann , Martin Balucha
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