EU-Konjunkturabschwächung als Wachstumsbremse für Tschechien?
Die Europäische Union und die USA befinden sich in einer Phase der Abschwächung ihrer Konjunktur. Dies dürfte sich auch auf die tschechischen Wachstumsaussichten auswirken, denn als relativ offene und exportorientierte Wirtschaft schlagen sich Veränderungen bei den wichtigsten Handelspartnern generell auch auf das inländische Wirtschaftsklima nieder. Mehr dazu von Rudi Hermann im folgenden Beitrag.
In den USA erwarten Wirtschaftsanalytiker nach einem Experten des tschechischen Statistischen Amtes, Slavoj Czesany, eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums, das im Jahr 2000 mit 5 % kräftig ausgefallen war, in diesem Jahr auf bloss noch 1.5%, in der Europäischen Union soll die Konjunkturabschwächung zwar moderater ausfallen, aber immer noch von einer Wachstumsrate von 2,9% im Jahr 2000 auf 1,6 bis 2% zurückgehen. Dies dürfte, so heisst es in einem Artikel, den Czesany in der Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny veröffentlichte, auch Auswirkungen auf die tschechische Wirtschaft haben. Wie stark diese ausfallen, hängt laut dem Autor des Artikels allerdings von einigen Faktoren ab, die derzeit noch nicht ausreichend eingeschätzt werden können. So werde entscheidend sein, ob die Wirtschaft der Eurozone schon im ersten Halbjahr 2001 die konjunkturelle Talsohle durchschritten hat, oder ob dies im zweiten Halbjahr 2001 oder gar erst im ersten Semester 2002 der Fall sein werde. Eine weitere Unbekannte bestehe darin, ob bei gegenwärtig anziehendem Wirtschaftswachstum in Tschechien die Belebung der Inlandnachfrage die rückläufige Konjunkturentwicklung auf den wichtigsten Aussenhandelsmärkten wenigstens teilweise auffangen könne. Und schliesslich bleibe abzuwarten, wie sich die grossen Privatisierungsvorhaben der Regierung im Telekom - und Energiebereich entwickeln würden in einer Situation, in der die Weltwirtschaft eher kontrahiert. Vorläufig gehen die Prognosen für Tschechien von einem Wirtschaftswachstum für 2001 in der Grössenordnung von etwa 3.5% aus. Ob diese Zahl nach unten korrigiert werden muss, wird auch davon abhängen, wann die erneute Belebung der Konjunktur in Westeuropa einsetzt.
Der Chefökonom der Bank Austria Creditanstalt, Pavel Sobisek, wies ebenfalls in einem Artikel für die Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny auf die Situation des tschechischen Aussenhandels hin. Während dieser noch im April mit einem Exportzuwachs von 23.2% gegenüber dem gleichen Vorjahrestermin den Anschein erweckte, von der weltweiten Konjunkturabflachung nicht betroffen zu sein, änderte sich das Bild in den folgenden Monaten radikal. Im Mai reduzierte sich das Exportwachstum auf 15.3, im Juni gar auf bloss 5,2%. Sobisek ist dabei nicht sehr optimistisch, dass sich das Blatt schnell wenden könnte. Er weist darauf hin, dass die Konjunkturprognosen für Deutschland und Frankreich für das letzte Quartal 2001 noch keine wesentliche Besserung andeuten, was auch den tschechischen Export betreffen werde. Der Analytiker der Bank Austria-Creditanstalt kommt zum Schluss, dass vor diesem Hintergrund die makroökonomische Entwicklung Tschechiens in einem nicht allzu rosigen Licht erscheine. Während der Einfluss auf die Leistungsbilanz wohl beschränkt bleibe, weil in der Vergleichsperiode im vergangenen Jahr hohe Rohstoffpreise auf das Handelsbilanzdefizit drückten, könnten die Auswirkungen auf die Entwicklung des Brutto-Inlandproduktes problematischer ausfallen. Ein Wachstum von 4% erscheine vor diesem Hintergrund als unrealistisch, und gar hinter eine Zuwachsziffer von 3% sei wohl noch ein Fragezeichen zu setzen.