EU-Verfassung: Tschechiens Position im Ringen zwischen Erfolg und Scheitern

Vladimir Spidla und Romano Prodi (Foto: CTK)

Radio Prag hat schon mehrfach berichtet, und bestimmt konnten Sie sich auch in anderen Medien über den bevorstehenden Brüsseler EU-Gipfel informieren, der nach der Unterzeichnung der Beitrittsverträge in Athen wohl den zweiten europäischen Höhepunkt des Jahres darstellt. Gerald Schubert bietet ihnen nun, kurz vor Beginn der EU-Regierungskonferenz, noch einmal eine Zusammenfassung der Ausgangslage aus tschechischer Sicht:

Vladimir Spidla und Romano Prodi  (Foto: CTK)
Am Freitag also ist es soweit: Die Staats- bzw. Regierungschefs aus allen 25 EU-Mitglieds- und Beitrittsstaaten treffen in Brüssel zum lang erwarteten EU-Gipfel zusammen, dessen Ziel nicht gerade bescheiden gesteckt ist - handelt es sich doch um nichts weniger als um den Beschluss einer gemeinsamen europäischen Verfassung. Ob das Treffen schließlich erfolgreich ist, und ob die Union am Samstag oder am Sonntag tatsächlich jene Verfassung haben wird, die dann allerdings noch von jedem Land ratifiziert werden müsste, das ist bisher aber unsicher. Beobachter sprechen bereits jetzt davon, dass die Atmosphäre noch nie so pessimistisch war wie jetzt, andererseits aber verliefen auch schon andere pessimistisch begonnene Gipfeltreffen dann doch erstaunlich glatt.

Einige Staaten, allen voran Deutschland und Frankreich, würden den vom Konvent ausgearbeiteten Verfassungsvorschlag am liebsten so belassen, wie er ist, für andere wiederum kommt das gar nicht in Frage. Tschechiens Forderungen an die EU-Staatengemeinschaft entsprechen weitgehend dem Mainstream der kleineren EU-Staaten: Beibehaltung des Prinzips "Ein Kommissar pro Land", bei Ratsbeschlüssen Anhebung der nötigen Staatenmehrheit auf drei Fünftel, was einer stärkeren Gewichtung der Kleinen gleichkommt, oder Aufrechterhaltung des Rotationsprinzips beim Ratsvorsitz.

Der Mainstream ist übrigens auch der Ort, an dem Premierminister Vladimir Spidla seine Verhandlungstaktik orientieren will. Keine überzogenen Forderungen, so lautet sein Credo, größtmögliches Verständnis für die Sorgen anderer, aber eben auch dadurch eine Stärkung der eigenen Position, die sich als die von kompromissbereiten Partnern mit Handschlagqualität präsentiert. Dass die sozialliberale Regierung ihre Verhandlungstaktik unter sich abgesprochen und die traditionell euroskeptisch auftretende Opposition aus Demokratischer Bürgerpartei ODS und Kommunisten nicht entsprechend zu Rate gezogen hat, das hat in diesen Parteien indes Empörung hervorgerufen. So meinte etwa ODS-Abgeordnetenchef Vlastimil Tlusty:

Vladimir Spidla  (Foto: CTK)
"Das ist nicht nur Arroganz und Feigheit, das ist auch eine Missachtung des Parlaments und der gesamten Tschechischen Republik."

Premierminister Spidla verweist hingegen auf die Wichtigkeit der bevorstehenden Entscheidungen, die selbstverständlich noch im Inland beraten werden müssen. Aber eben erst nachdem sie auf internationaler Ebene gefallen sind:

"Das, was wir aushandeln werden, wird etwas grundsätzliches sein. Die Ergebnisse werden ratifiziert werden, sei es im Parlament, sei es durch ein Referendum. Und die Regierung wird vor den Souverän treten, das ist das Volk der tschechischen Republik, und sie wird verpflichtet sein, dort ihren Standpunkt zu verteidigen. Davor habe ich keine Angst."

Ob es aber schließlich überhaupt etwas zu ratifizieren gibt, das werden wir im Laufe der nächsten zwei oder drei Tage erfahren.


Übrigens: Gerald Schubert wird die tschechische Delegation zum Gipfel begleiten, in unserem Tagesecho am Freitag und dann am Wochenende in den Nachrichten werden wir Sie also stets aktuell und direkt aus Brüssel auf dem Laufenden halten.