Europäische Gepflogenheiten in Prager Gaststätten?
Aufschlussreiche Phänomene gibt es in der Prager Gastronomie knapp ein Jahr vor dem EU-Beitritt in Hülle und Fülle zu beobachten. Neulich Abend beispielsweise erhielt ich im Restaurant Adria in der Prager Innenstadt eine Rechnung, auf der neben den konsumierten Speisen und Getränken noch 10% für Service aufgeführt waren. Auf meine fragende Bemerkung, dass ich so etwas nach mehreren Jahren zum ersten Mal in Prag erlebe, erklärte der Kellner zuerst, das sei von der Geschäftsführung so festgelegt. Auf nochmaliges Nachhaken und hin führte der Ober zur Erklärung des Aufschlags den schönen Terrassenausblick an.
Aufschlussreiche Phänomene gibt es in der Prager Gastronomie knapp ein Jahr vor dem EU-Beitritt in Hülle und Fülle zu beobachten. Neulich Abend beispielsweise erhielt ich im Restaurant Adria in der Prager Innenstadt eine Rechnung, auf der neben den konsumierten Speisen und Getränken noch 10% für Service aufgeführt waren. Auf meine fragende Bemerkung, dass ich so etwas nach mehreren Jahren zum ersten Mal in Prag erlebe, erklärte der Kellner zuerst, das sei von der Geschäftsführung so festgelegt. Auf nochmaliges Nachhaken und hin führte der Ober zur Erklärung des Aufschlags den schönen Terrassenausblick an. Ob die 10% innen im Restaurant demnach also entfielen, wollte ich wissen und erfuhr, dass sich bislang noch nie jemand beschwert hätte - auch Tschechen nicht. Außerdem seien 10% Trinkgeld in Europa üblich. All dies wurde mir auf durchaus freundliche Weise, aber doch mit dem klaren Selbstbewusstsein mitgeteilt, dass es für das Lokal noch lange kein Grund ist, seine Strategie in Frage zu stellen, wenn mal ein Gast damit unzufrieden ist.
Denselben Eindruck hatte ich im renommierten Cafe Louvre, wo ich neulich mit deutschen Freunden eine Rechnung erhielt, auf der handschriftlich 10% hinzuaddiert waren. Auf die direkte Frage, ob so nur bei ausländischen Gästen vorgegangen werde, antwortete der Kellner nach kurzem Herumdrucksen mit Ja. An Dreistigkeit kaum zu überbieten, könnte man meinen, aber im Gespräch mit tschechischen Freunden stellte ich kurze Zeit später - erleichtert und empört zugleich - fest, dass ausnahmslos jeder in der Runde mit ähnlichen Erfahrungen auftrumpfen konnte. Den Gipfel an Arroganz fand ich das Erlebnis einer tschechischen Freundin, die mit Begleitung in ein komplett leeres Lokal kam, da sie draußen auf der Terrasse keinen Platz mehr gefunden hatte, und sich - bei herrlichem Sommerwetter - einen Tisch am Fenster auswählte. Sofort wurden sie von der Bedienung zurecht gewiesen, dass sie doch bitte im stockfinsteren hinteren Teil des Raumes Platz nehmen sollten. Auf den enttäuschten Einwand der Kunden, dass sie sich extra ans offene Fenster gesetzt hätten, wenn die Terrasse schon besetzt sei, bot die Bedienung eilfertig an: Dann bringe ich Ihnen einen Ventilator. In den hinteren Teil des Raumes, versteht sich.
Eben dieses mitunter offen zur Schau getragene Desinteresse am individuellen Wohlbefinden des Gastes ist es, die einen nachdenklich werden lässt, man sich ein solches Verhalten eigentlich erklären kann. Zumindest bei jungen Kellnern scheint der Verweis auf jahrzehntelange sozialistische Gleichmacherei nur sehr bedingt zu greifen. Vor allem aber werfen solche Situationen die Frage an einen selber auf, wie man darauf angemessen reagieren sollte, um durch schweigende Billigung nicht dazu beizutragen, dass womöglich auch die vielen netten Kneipen in Prag demnächst von ähnlichen Gepflogenheiten erfasst werden.