Europäischer Dokumentarfilmpreis für Helena Třeštíková

Helena Třeštíková (Foto: ČTK)

Am Wochenende wurden die Jahrespreise der Europäischen Filmakademie in Kopenhagen verteilt. Zum ersten Mal erhielt ein tschechischer Film diesen „europäischen Oscar“, wie der Preis auch bezeichnet wird. In der Kategorie „bestes Filmdokument“ wurde er der tschechischen Filmemacherin Helena Třeštíková für ihren Streifen „René“ verliehen.

Helena Třeštíková  (Foto: ČTK)
Was soll er draußen machen? Wer gebe ihm einen Rat, fragt resigniert der Hauptprotagonist René im gleichnamigen Filmdokument von Helena Třeštíková. René sitzt zum wiederholten Mal im Knast und erwartet eigentlich keine Antwort mehr. Er sagt auch warum:

„Ich weiß nicht, was ich dort draußen machen könnte. Ich habe kein Vertrauen mehr in mich selbst. Ich kann mir eher vorstellen, dass ich wieder einen Diebstahl begehe. Dass ich noch irgendwie nützlich sein kann und davon auch profitieren kann? Kaum. Wer möchte mich noch haben?“

Der Film erzählt „die bewegende Geschichte eines außergewöhnlichen Menschen am Rande der Gesellschaft“, wie es die Jury der Europäischen Filmakademie formuliert hat. Deswegen geht der Europäische Dokumentarfilmpreis auch an die 59-jährige Tschechin Třeštíková. Sie hat 20 Jahre lang das Schicksal von René Plašil mit der Kamera verfolgt. In diesem Zeitraum hat sich Renés Strafregister kontinuierlich mit Straftaten gefüllt, für die er insgesamt über 16 Jahre im Gefängnis abbrummen musste. Seit 1987 war er unter anderem in 70 Privatwohnungen eingebrochen.

Třeštíková hat in mehr als 30 Jahren rund 50 Filme gedreht, die sich vor allem mit Beziehungen zwischen den Menschen und sozialen Problemen beschäftigen. Über ihre Langzeitdokumentationen wie den Film „René“ sagt sie:

„Es sind Beobachtungen des Schicksals anderer Menschen, in die ich mich persönlich nicht einbringen will. Ich versuche, kein Akteur in den Schicksalen zu sein, und wenn, dann nur in möglichst geringem Maß.“

Film 'René'
Eine kühle Beobachterin ohne Mitgefühl für ihre Protagonisten ist die Regisseurin jedoch nicht. Auch das hat die Jury der Europäischen Filmakademie berücksichtigt: „René“ sei „eine Langzeitdokumentation von hervorragender Qualität“, die Beziehung zwischen Hauptfigur und Filmemacherin fasziniere und rege zum Nachdenken an. In dem Film liest René auch Briefe an die Regisseurin vor:

„Liebe Helena, ich bedanke mich für das Paket, das ich kürzlich von Ihnen bekommen habe. Kaum ahnen Sie, wie ich mich gefreut habe. Ich freue mich, dass Sie mich wieder besuchen. Schreiben Sie mir, wann es sein wird, damit mir die Zeit schneller vergeht. Es ist besser, wenn man auf etwas wartet, worüber man sich freuen kann. Außer Ihnen gibt es hier nichts solches. Herzliche Grüße. René.“

Diese Zeilen schrieb René, der für die Polizei ein notorischer Straftäter und für seine Mutter ein Gauner ist, aus dem Gefängnis an Helena Třeštíková. Übrigens, in die Wohnung der Regisseurin ist René auch eingebrochen.