Europarat kritisiert Tschechien für die Kastration von Häftlingen

Die Kastration - ein besonders drastisches Mittel, um zu verhindern, dass Sexualstraftäter rückfällig werden. In Tschechien gehört diese Maßnahme offenbar nach wie vor zum Instrumentarium des Strafrechts. Dafür wurde das Land nun vom Europarat kritisiert. Der Rat hat die Tschechische Republik aufgefordert, die Kastrationen umgehend einzustellen.

Der chirurgische Eingriff, bei dem Patienten ein Teil des Hodens entfernt wird, hat eine lange Geschichte. Im christlich geprägten Europa ist die Kastration bis zum Ende des 19. Jahrhunderts vor allem als Methode bekannt, um die hohe, klare Stimme von Sängern zu konservieren, die durch den Stimmbruch während der Pubertät verloren zu gehen droht. In neuester Geschichte wurde das drastische Verfahren in unserem Kulturkreis dazu verwendet, um verurteilte Sexualstraftäter „unschädlich“ zu machen.

„Noch vor 30 bis 40 Jahren hielt man die Kastration für ein zulässiges Verfahren der Behandlung. Sie wurde in mehreren Ländern angewandt, aber heute nur noch in der Tschechischen Republik“, sagt Anna Šabatová, Mitglied im Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter, der Tschechien daher zur sofortigen Einstellung dieser Methode auffordert.

Anna Šabatová
In den letzten zehn Jahren wurde die Kastration 94 Mal in Tschechien durchgeführt. Tschechische Sexualwissenschaftler wehren sich jedoch dagegen, dass das Land an den Pranger gestellt wird. Zum einen basiere die Zahl auf falschen Daten, da auch medizinisch notwendige Kastrationen mitgezählt wurden, wie etwa bei Prostatakrebspatienten. Zum anderen würden die Eingriffe niemals gegen den Willen des Patienten durchgeführt, meint Jiří Švarc, Chefarzt der psychiatrischen Anstalt in Prag-Bohnice. Der verurteilte Straftäter müsse die Maßnahme selbst beantragen, und in maximal fünf Fällen jährlich, nur bei den gefährlichsten Sexualverbrechern, würde sie genehmigt. Eine internationale Isolation Tschechiens in der Frage sei auch nicht gegeben. Zum Beispiel habe auch Bayern im vergangenen Jahr zwei Kastrationen durchgeführt, sagt ein Sexualwissenschaftler. Daniela Filipiová, die tschechische Gesundheitsministerin, behauptet darüber hinaus:

„Wir sollten hier keine nationale Schande befürchten. Ich glaube, bei uns läuft alles im Rahmen des Gesetzes und im Rahmen der Einhaltung der Menschenrechte ab.“

Derweil diskutieren Ärzte über die Wirksamkeit der Kastration. Die medizinische Maßnahme ist nicht wieder rückgängig zu machen und hat eine Senkung des männlichen Testosteronspiegels bis auf das Niveau von Frauen zur Folge. Die sexuelle Motivation sinkt. Den gleichen Effekt hätte aber auch eine chemische Behandlung, die mit einer psychologischen Betreuung einhergehen soll. Sie lässt zudem jedem die Perspektive auf ein menschenwürdiges, normales Leben offen. Verfechter der Kastration lehnen die chemische Behandlung jedoch als zu teuer und unzuverlässig ab. Denn der Patient müsse täglich Medikamente zu sich nehmen, was nur schwer nachprüfbar sei. Michael Kocáb, Minister für Minderheiten und Menschenrechte, sprach sich aber bereits für die chemische Behandlung aus:

„Für den Fall, dass die Wirksamkeit beider Behandlungen vergleichbar ist, wird Tschechien die nicht endgültige und nicht verstümmelnde Lösung bevorzugen.“

Allerdings wird Kocáb noch die Kollegen im Regierungskabinett von seiner Sicht überzeugen müssen.