Verfassungsgericht: Tschechien muss Zwangssterilisation bei Geschlechtsänderung abschaffen
Die Tschechische Republik ist eines von vier Ländern in der Europäischen Union, in denen sich Menschen sterilisieren lassen müssen, wenn sie ihr Geschlecht amtlich ändern wollen. Die anderen Länder sind Bulgarien, Lettland und Rumänien. In Tschechien muss sich dies auch wegen eines Urteils des Verfassungsgerichts aber ändern.
Die Sterilisation gilt in Tschechien als Voraussetzung für eine rechtliche Anerkennung einer Geschlechtsumwandlung. Das Verfassungsgericht hat nun auf seiner Sitzung am Dienstag entschieden, dass dies gegen die Menschenwürde verstößt. Aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch wurde die Klausel gestrichen, wonach „die Änderung des Geschlechts einer Person durch einen chirurgischen Eingriff mit gleichzeitiger Ausschaltung der Fortpflanzungsfunktion und Umwandlung der Geschlechtsorgane erfolgt“.
13 von insgesamt 15 Verfassungsrichtern unterstützten somit die Beschwerde einer Person, die als Frau geboren wurde, sich aber als Mann identifiziert. Da sie sich aber keiner Operation unterziehen will, lehnte das Standesamt ab, ihren Namen, ihr Geschlecht und ihre Geburtsnummer zu ändern. Ihr Anwalt, Petr Kalla, zeigte sich mit dem Urteil zufrieden:
„Es freut mich sehr, dass es dazu gekommen ist. Meiner Meinung nach bedeutet es eine große Schande für Tschechien, dass der Staat Trans-Personen bei der Geschlechtsänderung zur Sterilisation gezwungen hat.“
Das Verfassungsgericht legte eine Frist bis Mitte kommenden Jahres fest, bis zu der die Politiker die Transgender-Gesetzgebung ändern müssen.
Die Regierung respektiere den Beschluss. Das gewünschte Gesetz liege bereits vor, reagierte Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten) bei einer Pressekonferenz auf das Urteil.
Laut einer Aussage von Justizminister Pavel Blažek (Bürgerdemokraten) hat sein Ressort bereits vor zwei Jahren eine Gesetzesnovelle ausgearbeitet, in der die Klausel über einen chirurgischen Eingriff nicht mehr vorkommt. Die Koalition hat allerdings bisher keine Einigung darüber gefunden.
Das bestätigt auch die Menschenrechtsbeauftragte der tschechischen Regierung, Klára Šimáčková Laurenčíková. Sie bezeichnete den jüngsten Beschluss des Verfassungsgerichts als einen wichtigen Meilenstein für einen besseren Schutz der Würde und der Menschenrechte von Transgender-Personen in Tschechien:
„In der Regierung wurde bisher keine vollständige Übereinstimmung erreicht, aber die meisten Regierungsparteien haben sich dafür ausgesprochen. Ich setzte mich in meiner Funktion sehr dafür ein und werde mich weiter dafür einsetzen, dass die Regierung mit der jetzigen Praxis Schluss macht und die erforderliche Gesetzesänderung verabschiedet.“
Die Verfassungsrichter zogen unter anderem in Betracht, wie die Transgender-Problematik in anderen Staaten der EU geregelt ist. Der Minister für regionale Entwicklung und Parteichef der Piraten, Ivan Bartoš, dazu:
„Ich habe das Thema bei einem Koalitionstreffen vor einer Woche auf den Tisch gebracht, wir haben aber keinen Fortschritt erreicht. Das Verfassungsgericht hat nun den Politikern Zeit gegeben, um die Gesetzgebung zu ändern. Ich halte dies für richtig. Wenn wir zum Westen gehören wollen, sollen wir uns dem Westen anpassen. Die geforderte Gesetzesänderung ist standardgemäß.“
Tschechien wurde wegen der Zwangssterilisationen wiederholt international kritisiert. Laut dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verletzen sie das Recht auf Privatleben gemäß Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Das Verfassungsgericht hierzulande hat sich zuletzt vor zwei Jahren mit einem ähnlichen Fall beschäftigt. Damals setzte sich im Plenum noch nicht die Auffassung durch, dass die betreffende Klausel aufgehoben werden sollte. Die jüngste Entscheidung wird auf einen Personenwechsel im Richterplenum sowie auf einen Fortschritt bei der Wahrnehmung der Problematik durch die tschechische Gesellschaft zurückgeführt.