Ex-Präsident Havel sorgt mit Äußerungen zu Wahlen für Entrüstung in Polen

Vaclav Havel

Zu Zeiten der kommunistischen Diktatur war der frühere tschechoslowakische und tschechische Präsident Vaclav Havel in Polen ein gern gesehener Gast. Und zwar im Kreise von "Solidarnosc" und anderen Regimegegnern, mit denen sich der damalige Dissident wiederholt an verschwiegenen Orten traf. Doch am Montag hat der ehemalige Volkstribun mit nur einigen Aussagen eine kleine Welle der Empörung im Nachbarland losgetreten, die er nun wieder etwas glätten will.

Vaclav Havel
Es sollte am Montag ein schöner Literaturabend werden in der Theaterhochschule von Krakow / Krakau, bei dem Vaclav Havel den anwesenden Gästen die polnische Übersetzung seines Buches "Fassen Sie sich bitte kurz!" vorstellen wollte. Doch als er dort nach seiner Meinung auf die gegenwärtige innenpolitische Krise in Polen gefragt wurde, antwortete der 70-Jährige auf seine gewohnt direkte Art. "In Polen sollten möglichst bald freie Wahlen stattfinden" und "er glaube, es wäre im Interesse aller polnischen Bürger, wenn internationale Beobachter zu den Wahlen eingeladen würden", ließ der frühere Bürgerrechtler die Anwesenden wissen. Mit diesen Äußerungen habe er unter den einheimischen Politikern einen Sturm der Entrüstung ausgelöst, schrieb tags darauf die polnische Tageszeitung "Rzeczpospolita". Etwas verwundert über soviel Gegenwind, versuchte Havel, das entfachte Feuer auf eine kleinere Flamme einzudämmen:

"Es gehört zu den ganz normalen diplomatischen Gepflogenheiten, ausländische Beobachter einzuladen. Es tut mir sehr leid, dass meine Aussage so manchen in Polen beleidigt hat, aber das war nicht meine Absicht. Ich habe auf die Frage geantwortet: Was wünsche ich Polen? Unter Berücksichtigung der angespannten Situation, die ich hierzulande verspüre, habe ich gesagt: Ich wünsche mir, dass die Wahlen regulär und frei verlaufen, und dass die Anwesenheit von internationalen Beobachtern wichtig wäre."

Der unabhängige polnische Journalist Marek Aurelius Penzivol aber sprach Klartext: "Ich denke, dass Havel mit seinen Aussagen einen schlechten Eindruck gemacht hat. Die Polen sind sich nämlich sicher, dass sie in einem demokratischen Land leben. Polen ist kein Land, das unproblematisch ist. Alle wissen sehr genau, dass es Probleme gibt. Aber das bedeutet doch noch lange nicht, dass die Demokratie in Polen gefährdet sei."

Nach den Protesten aus Warschau hat Havel seine Forderung nach internationalen Beobachtern bei möglichen Neuwahlen in Polen relativiert: "Ich bin ganz bestimmt nicht hierher gekommen, um irgendeine Affäre vom Zaun zu brechen. Wenn ich gewusst hätte, dass man so reagiert, hätte ich das sicher nicht gesagt. Andererseits heißt das aber nicht, dass ich es nicht so meine, wie ich es sage. Ich sehe in meinen Äußerungen einfach nichts Übles. Die politische Situation in Polen ist jedoch derart angespannt, das schon kleine Dinge eine Explosion hervorrufen, die in einer ruhigeren Situation möglicherweise überhaupt keine Beachtung fänden."

Egal wie Vaclav Havel nun seine Aussagen verstanden wissen will, der Auftritt in Polen wird ihm wohl einige Freunde gekostet haben. Aber Havel wäre nicht Havel, wenn er damit nicht leben könnte. Denn der in vielen politischen Auseinandersetzungen gestählte Ex-Dissident und Ex-Präsident weiß nur allzu gut: Eine ausgesprochene Wahrheit verträgt nicht jedermann, auch wenn er gestern noch vorgab, dein Freund zu sein.