Sendepause bei "televize 24cz"; Havel sendet Signal nach Polen
In unserer heutigen Rubrik "Im Spiegel der Medien" beantworten wir eine Höreranfrage zur Abstellung des privaten Polit-Fernsehsenders "televize 24cz" und werfen einen Blick in die tschechische Pressewelt zum Thema Vaclav Havel und die Wahlen in Polen.
"Zu meinem großen Bedauern muss ich nun feststellen, dass dieses innovative und höchst interessante Fernsehprogramm auf dem ASTRA Satelliten nicht mehr gesendet wird. Auf dem gewohnten Kanal empfange ich jetzt 24 Stunden lang nur mehr ein Testbild, dort wo ich vorher ein Fernsehprogramm empfangen konnte, das meiner Meinung nach um Welten besser ist als alles, was ich bisher an Fernsehprogrammen kennen gelernt habe."
Herr Ramsauer fragt, ob der Sender auf Dauer abgeschaltet ist. Radio Prag ist dem nachgegangen. Anrufe in der Redaktion von "televize 24cz" gingen allerdings ins Leere. Bei der weiteren Recherche stellte sich heraus, dass der Immobilienunternehmer und Eigentümer des Senders und Chef der Betreiberfirma "Region Media", Milos Cervenka, nach Auskunft des Generaldirektors von "televize 24cz" einen Rechtsstreit mit der Gesellschaft "PPF Investments" führt. Nach dem vorläufigen Stand wurde das Eigentum von Milos Cervenka gepfändet, wenn auch noch nicht rechtskräftig. Die Betreibergesellschaft des Senders, "Region Media" hat sich beim tschechischen Fernseh- und Rundfunkrat eine Sendepause von maximal 30 Tagen erbeten, was die Gesetzgebung auch ermöglicht. Es bleibt also abzuwarten, was sich in den kommenden Wochen ergeben wird. Es ist zumindest nicht ausgeschlossen, dass der Nachrichtensender "televize 24cz" im Oktober wieder auf Sendung geht.
Kommen wir zu einem anderen Thema - zu unserem Blick in die Meinungslandschaft der tschechischen Presse. Polen ist nicht gerade das Feld, das Radio Prag beackert, auch wenn das tschechische Wort für ´Feld´ "pole" heißt. Aber trotzdem werden wir uns in der heutigen Sendung "Im Spiegel der Medien" mit Polen befassen, wo die dortige Regierung - nicht erst seit diesem Sommer - in einer tiefen Krise steckt. Nun ist es klar: Am 21. Oktober wird es in Polen vorgezogene Neuwahlen geben. Auch Vaclav Havel - und damit hätten wir den Bogen nach Tschechien geschlagen - hatte Anfang September schnellstmögliche Neuwahlen in Polen angemahnt. Und zwar anlässlich einer Vorstellung seines Buches "Fassen Sie sich bitte kurz!". Aus dem Literaturabend wurde eine kleine tschechisch-polnische Katastrophe. Gefragt nach seiner Meinung zur polnischen Regierungskrise sagte Havel nämlich:
"In Polen sollten möglichst bald freie Wahlen stattfinden" und "Ich glaube, es wäre im Interesse aller polnischen Bürger, wenn internationale Beobachter zu den Wahlen eingeladen würden".
Diese Worte verursachten ein Aufbrausen bei polnischen Politikern jeglicher Couleur. Selbst Ex-Präsident Lech Walesa hat mit Kopfschütteln an die Adresse seines früheren Amts- und Dissidenten-Kollegen reagiert. Aber auch der tschechische Vizepremier Alexandr Vondra war bemüht, den Vorschlag Havel als völlig abwegigen Gedanken darzustellen. Wie haben die Kommentatoren der tschechischen Presse diesen Vorstoß Havels wahrgenommen?
Martin Ehl, Kommentator der Wirtschaftszeitung "Hospodarske noviny" sieht einen Grund für die Aufregung in Polen darin, dass in Wahlkampfzeiten für Politiker jedes Thema geeignet ist, sich zu profilieren, wendet aber ein:
"Eine normale, souveräne und selbstbewusste Demokratie spielt mit offenen Karten. Und somit sollte sie keine Delegation aus dem Ausland aus der Fassung bringen. Die `Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa´ hat zum Beispiel im Jahr 2004 eine Delegation zu den Präsidentschaftswahlen in den USA entsandt. Im vergangenen Jahr hat die Delegation dort die Kongresswahlen beobachtet. Ausländische Experten beaufsichtigten die Regionalwahlen in Spanien und in Nordirland. Die Qualität der Demokratie dieser Staaten zweifelt niemand an. Die Polen selbst haben die OSZE vor den Wahlen im Jahr 2005 aufgefordert, ihre Experten zu schicken."
Auch der Politologe und Kommentator der eher links orientierten Tageszeitung "Pravo", Jiri Pehe, versteht die Aufregung in Warschau nicht:"Die derzeitige polnische Regierung erinnert mit den Angriffen auf die Medien, mit ihrer Intoleranz gegenüber Minderheiten oder ihrem aggressiven Nationalismus sehr an die Methoden der früheren slowakischen Regierung unter Vladimir Meciar. Als dieser 1998 in Wahlen eine Niederlage erlitt, waren internationale Wahlbeobachter zugegen. Für die Slowakei war das keine Schande. Eine Schande war vielmehr das Meciar-Regime. Eine ähnliche Schande für das zivilisierte Europa ist leider auch die derzeitige 'vierte Republik' in Polen."
Der Kommentator der Tageszeitung "Mlada fronta Dnes", Tomas Zahradnicek, nimmt zunächst die Kritiker Havels auf´s Korn, indem er an oft geäußerte Meinungen über den Ex-Präsidenten anknüpft:
"Was Havel da wieder in den tschechisch-polnischen Beziehungen angerichtet hat, ist in jedem Falle eine Unverschämtheit. Vor allem, weil er selber zugegeben hat, dass er die politische Situation in Polen kaum verfolgt. Das ist ganz Havel. Kwasniewski und Michnik haben ihm da was in den Kopf gesetzt und er muss sich gleich zugunsten seiner beiden Freunde engagieren, was er dann als Kampf für die Demokratie betrachtet."
Dann jedoch geht Zahradnicek auf die Wirren der politischen Situation in Polen ein, auf den Abhörskandal und die in diesem Zusammenhang erfolgten Verhaftungen und kommt - am Ende selbstironisch - zu dem Schluss:
"Man kann darüber nur den Kopf schütteln und sich sagen, dass es der gegenwärtigen polnischen Regierung gelungen ist, den Regierungsapparat inklusive des Sicherheitsdienstes so weit auseinander zu nehmen, so dass man sich nicht sicher sein kann, wozu diese Leute alles imstande sind, um sich an der Macht zu halten. Wer sich nach dem Wahlerfolg der Kaczynskis über die panischen Kommentare der ausländischen Presse zur die Entwicklung in Polen lustig gemacht hat und weise gebrummelt hat, dass nichts passieren wird, der sollte sich an die eigene Nase fassen, dass er sich geirrt hat. Was ich hiermit anlässlich des vernünftigen Vorschlags von Vaclav Havel gegenüber unserem nördlichen Nachbarn tue."Lubos Palata, der Kommentator der liberalen Tageszeitung "Lidove noviny" vergleicht die Situation vor den Wahlen in Polen und in der Ukraine und zwar unter dem Titel "Die Ukrainisierung Polens".
"Zum Wahlsieg ist es für Jaroslaw Kaczynski wichtig, dass ihm die Polen glauben, dass die zwei Jahre Regierungschaos, die er vorgeführt hat, durch den Widerstand der kommunistisch-mafiösen Hydra verursacht wurden, gegen die er kämpft. Der ukrainische Premier Viktor Janukowitsch wiederum muss die Ukrainer überzeugen, dass die orangefarbene Revolution nur ein Verschwörung der jüdisch-amerikanischen Mafia war und dass die Nato ein imperialistischer Pakt ist mit dem Ziel Russland zu vernichten."
Zum Abschluss seines Kommentars geht Lubos Palata auf die Folgen dieser Entwicklung für die neuen mitteleuropäischen Staaten der EU ein:
"Die ´chaotische Demokratie´ in Polen erschüttert jedoch die Position des gesamten mitteleuropäischen Blocks im Rahmen der Europäischen Union und paralysiert die Bemühungen der neuen EU-Länder einen entsprechenden Einfluss in der Gemeinschaft der 27 Staaten zu gewinnen. Die Hoffnung, dass die vorgezogenen Neuwahlen die angespannte politische Situation in Polen und in der Ukraine - wenn auch nicht ändern, so doch wenigstens beruhigen - kann sich nur dann erfüllen, wenn die Wahlen ohne jeden Zweifel frei und fair sein werden. An der Notwendigkeit von Wahlbeobachtern in der Ukraine zweifelt niemand."
Soweit der Kommentator der "Lidove Noviny". Die Stimmen in der tschechischen Presse zeigen - quer durch die Landschaft aller Tageszeitungen - eine breite Rückendeckung für Vaclav Havels Vorschlag, internationale Beobachter zu den Wahlen in Polen einzuladen. Und damit hebt sich die Presse klar und deutlich von den mäßigenden, um Ausgleich bemühten Stimmen aus der Politik ab.