Experten zu Wachstumsstudie: Tschechen sehen höheren Lebensstand als selbstverständlich an

Foto: Štěpánka Budková

Die Tschechen haben bedeutend höhere Reallöhne als vor 25 Jahren, sie haben mehr Eigentum, und sie leben in größeren Häusern oder Wohnungen. Die Wohnfläche für eine Privatperson ist dabei von 25 auf 32 Quadratmeter gestiegen. Das geht aus der Studie „Die Tschechen von 1990 bis 2015“ der Beratungsfirma KPMG hervor. Die Ergebnisse der Studie wurden vor kurzem veröffentlicht.

Foto: Štěpánka Budková
Den Resultaten der Studie zufolge hat sich auch die Zahl jener verringert, die ihren Lebensunterhalt kaum mit ihrem Einkommen bestreiten können. Im Gegenteil: Für ihr heutiges Einkommen können sich die Tschechen zweimal so viele Waren kaufen wie zu Beginn der 1990er Jahre. Petr Gapko ist ein führender Ökonom der GE Money Bank:

„Diese Entwicklung wurde dadurch möglich, dass wir uns nach der kommunistischen Ära der Welt geöffnet haben. Somit haben wir uns auch für Investitionen aus dem Ausland geöffnet, die sehr schnell auf unseren Markt flossen. Dadurch sind wir zu einem höher entwickelten Land aufgestiegen, und damit ist wiederum verknüpft, dass wir jetzt höhere Löhne und einen besseren Lebensstandard haben.“

Zdeněk Tůma  (Foto: Archiv KPMG)
Trotz dieser Ergebnisse glauben 71 Prozent der Befragten, dass sich die tschechische Gesellschaft in die falsche Richtung entwickle. Und für die Mehrheit von ihnen sind die wirtschaftliche Lage wie auch ihr Lebensstandard inzwischen wichtiger, als jene Werte, für die sie 1989 auf die Straßen gingen: Demokratie und Freiheit. Der ehemalige Generalgouverneur der Tschechischen Nationalbank, Zdeněk Tůma, heute bei KPMG tätig, sieht es so:

„Man ist von dieser Reaktion schon überrascht, denn wirtschaftlich geht es uns in der Tat besser. Aber heute erachten wir viele Dinge schon als Selbstverständlichkeit, zum Beispiel dass die meisten Menschen jetzt in größeren Wohnungen zuhause sind oder aber ein Häuschen besitzen. Darüber hinaus gibt es für alle einen besseren Zugang zur Bildung, und die Menschen können reisen, wohin sie wollen. All diese Dinge sehen wir aber bereits nicht mehr als die großen Veränderungen. In den Jahren 1992 und 1993 war hingegen alles noch sehr neu und verblüffend.“

Petr Gapko  (Foto: Archiv GE Money Bank)
Den meisten Tschechen geht es also besser, als sie selbst glauben. Zu diesem Phänomen hat Petr Gapko seine eigene These aufgestellt:

„Meiner Meinung nach beginnen sich die Menschen dessen bewusst zu werden, dass sie sich mehr um sich selbst und ihr Wohl kümmern müssen. Und auf dieser Schiene kommen ihnen gewisse Risiken entgegen. Es sind Risiken wie der mögliche Verlust des Arbeitsplatzes, Wirtschaftskrisen und Ähnliches.“

Dennoch geben die Haushalte in Tschechien heutzutage wesentlich mehr Geld aus als früher – gegenüber dem Jahr 1993 stieg so die Verschuldung um das Fünffache. Den Untersuchungen der Analysten zufolge steht die Tschechische Republik diesbezüglich im Vergleich zu den Ländern der westlichen Welt aber weiter ziemlich gut da. Petr Gapko:



Foto: Ladislav Bába,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
„Zu kommunistischen Zeiten gab es hierzulande im Grunde kein Kreditinstitut, das eine Hypothek gewährte oder ein umfangreiches Verbraucherdarlehen. Das hat sich mit Beginn der demokratischen Ära geändert, und so leihen sich gegenwärtig viele Menschen Geld für besseres Wohnen. Damit steigt natürlich die Verschuldung der Haushalte beträchtlich an.“

Für die Studie hat KPMG sowohl auf Umfragen als auch auf mehrere Analysen zurückgegriffen. Die Beratungsfirma hat unter anderem bisher unerforschte Daten des Meinungsforschungsinstituts Stem analysiert.