Exportfirmen: Sorgen über Brexit und Handelskrieg
Jedes Jahr führt der Logistikkonzern DHL zusammen mit den Marktforschern von GfK eine Umfrage unter tschechischen Exportfirmen durch. Die aktuellen Ergebnisse zeigen eine bisher unverändert gute Stimmung. Allerdings mischen sich beim Blick in die Zukunft mittlerweile auch Befürchtungen darunter.
„Die derzeitige Situation sehen die Exporteure noch positiv. Denn weiter steigt die Nachfrage, was bereits 2017 eingesetzt hat. Das aber galt alles bisher. In den vergangenen drei Monaten hat sich die Lage begonnen zu wandeln. Das heißt, die Erwartungen sind pessimistischer.“
Die GfK fungiert als Partnerin bei den Umfragen, die seit 1999 durchgeführt werden. Petr Megela ist Berater bei dem weltweit größten Marktforschungsinstitut aus Nürnberg:
„Die tschechischen Exporteure weiten ihr Territorium aus. Sowohl die Ausfuhren in die EU wachsen, als auch nach Russland und in die ehemaligen Sowjetrepubliken oder nach China beziehungsweise in weitere asiatische Staaten. Doch die tschechischen Firmen befürchten in Zukunft, dass die europäische Konjunktur erlahmt. Zudem bereiten ihnen der Brexit und die Handelsbeziehungen mit den USA mittlerweile Sorgen.“An der Umfrage teilgenommen haben wie immer auch die wichtigsten und größten Exportfirmen hierzulande. Insgesamt wurden über 300 Unternehmen befragt. Die Ergebnisse stammen vom September, sind also ziemlich frisch. Sie zeigen, dass unverändert viele Firmen in den vorangegangenen Monaten entweder ihr Exportvolumen erhöhen oder auf gleichem Niveau halten konnten. Es sind jeweils 42 Prozent. Die restlichen 16 Prozent verzeichneten einen Rückgang. Im Vergleich am erfolgreichsten auf den ausländischen Märkten waren große Firmen mit bis zu 500 Angestellten oder einem Jahresumsatz von über einer Milliarde Kronen (40 Millionen Euro).
Brexit und Logistik
Doch mittlerweile sind es bereits 17 Prozent der Firmen, die für die Zukunft eine Verschlechterung erwarten. Noch 2015 waren es nur neun Prozent. Jakub Tomšovský präzisiert, über welche Gefahren sich die Manager derzeit Gedanken machen:„Die Exporteure beschäftigt dasselbe wie auch ganz Tschechien. Das ist der Mangel an Arbeitskräften. Für exportorientierte Firmen tauchen dann Probleme auf, wenn sie gegenüber ihren Klienten Verpflichtungen eingehen, denen sie später nicht nachkommen können. Außerdem wurden bereits der Brexit und der mögliche Handelskrieg zwischen der Europäischen Union und den USA genannt. Darauf versuchen sich die Exporteure auch in irgendeiner Weise vorzubereiten.“
Beispiel Brexit. Jeden Tag gibt es andere Meldungen. Am Dienstag berichteten die Medien, dass ein Desaster drohe. Denn keine der denkbaren Übereinkünfte mit der EU habe Chance auf eine Mehrheit im britischen Parlament. Das schürt bei den Exporteuren die Angst vor Zöllen und einer erschwerte Beförderung von Gütern zwischen dem Kontinent und den britischen Inseln. Dabei rückt der Termin des Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union immer näher. Er soll am 29. März kommenden Jahres erfolgen, also in fünfeinhalb Monaten.„Eine ganze Menge unserer Klienten aus dem Automotive-Sektor hält die Ungewissheit für ein enormes Problem. Mit vielen von ihnen haben wir Just-in-time-Verträge über große Güterumfänge. Wenn sich die Rechtslage wandelt, dürfte die Umstellungsphase sehr schwer werden“, so Handelsdirektor Tomšovský von DHL Express.
Dabei ist Großbritannien nicht eine der absoluten Top-Destinationen des tschechischen Exports, wie Petr Megela von der GfK präzisiert:
„Von dem Pool an Firmen, die wir befragt haben, exportieren 40 Prozent auch ins Vereinigte Königreich. Über 90 Prozent von diesen haben angegeben, dass sie bis zu 20 Prozent ihres Umsatzes aus den Ausfuhren auf den britischen Markt generieren. Das klingt vielleicht nicht viel. Aber jene, die tatsächlich die genannte Obergrenze erreichen und nach dem Brexit mit einem Fünftel ihres Umsatzes in Probleme geraten würden, stehen vor großen Komplikationen für die gesamte Firma. Die größten Ängste bestehen vor der Einführung von Zollbarrieren. Aber auch die logistischen Abläufe könnten dann gefährdet sein, die Flexibilität und die Beförderungsgeschwindigkeit.“Neue Märkte erschließen
Allgemein wollen viele tschechische Exporteure derzeit das Spektrum der Zielländer ausweiten, also neue Märkte erschließen.
„Das bedeutet, dass sie ihr bestehendes Angebot auf noch mehr Märkte bringen. Dadurch wollen sie auch für mögliche Verluste auf dem tschechischen und europäischen Markt gerüstet sein. Zu diesen könnte es kommen, wenn die Nachfrage – wie derzeit erwartet – zurückgeht. In Richtung welcher Weltregionen sich eine Firma dann orientiert, unterscheidet sich vor allem nach dem Produkt. Wir wissen von unseren Kunden, dass für Verbrauchsgüter Nordamerika ein riesiger Markt ist. Dies gilt insbesondere für neue tschechische Erfindungen. Viele der klassischen Exporteure fertigen hingegen Komponenten. Für sie ist wiederum Europa auch aufgrund der Nähe die wichtigste Adresse. Allgemein definieren kann man also die neuen Absatzmärkte nicht. Aber die Firmen sehen, dass die weltweite Logistik ihnen ermöglicht, in jede erdenkliche Region vorzudringen“, sagt Jakub Tomšovský.
Dabei gibt es fast kein tschechisches Unternehmen, das nicht jetzt schon in eines der anderen EU-Länder exportiert. Im zurückliegenden Jahr haben jedoch alle anderen Zielterritorien zugelegt. Und was sind die Pläne der Exportfirmen für die Zukunft? Da sieht der größte Anteil weiterhin neue Chancen auf dem deutschen Markt, konkret sind es 30 Prozent. Auf dem zweiten Platz folgt Russland mit 13 Prozent und auf dem dritten China mit 8 Prozent. Das Riesenreich in Ostasien hat damit Polen und die Slowakei verdrängt. Dabei sind Russland und die Länder der früheren Sowjetunion sowie China überhaupt kein leichtes Pflaster, wie Petr Megela erläutert:„Diese Territorien sind sehr spezifisch für unternehmerische Aktivitäten. Das betrifft vor allem die gesetzlichen Regelungen. Wenn man dort mit Freunden zusammenarbeiten kann, die mit den Verhältnissen vor Ort vertraut sind, dann bestehen große Chancen auf einen Erfolg. Wenn aber der Einblick in die Legislative fehlt, kann dies auch zu einem Desaster führen. Das gilt nicht nur für kleine und mittlere Unternehmen, wie ein Beispiel aus den vergangenen Monaten zeigt. So ist die große tschechische Baufirma PSJ aus Jihlava in ernste finanzielle Schwierigkeiten geraten – und das wegen gescheiterter Geschäfte in Russland und einigen ehemaligen Sowjetrepubliken.“
PSJ hatte im vergangenen Jahr noch Umsätze von vier Milliarden Kronen (160 Millionen Euro). Mitte September musste die Firma aber Insolvenz anmelden.