Finanzkrise: Tschechische Politiker beruhigen

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Es waren die Großen Vier Europas, die am Samstag in Paris vor die Presse traten, um eine gemeinsame Stellungnahme zur weltweiten Finanzkrise zu abzugeben. Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien hatten sich zuvor auf eine Kompromissformel geeinigt: Hilfe für angeschlagene Banken will man untereinander abstimmen, einen gemeinsamen europäischen Hilfsfonds soll es jedoch nicht geben. Offiziell war der Pariser Gipfel keine EU-Veranstaltung, sein Ergebnis aber ist auch für die anderen 23 Mitgliedstaaten der EU von Bedeutung. Zum Beispiel für Tschechien. Hierzulande aber wird die Diskussion über die Krise einstweilen eher unaufgeregt geführt. Politiker und Experten warnen vor Panikmache und sind damit vorerst erfolgreich.

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Die amerikanische Bankenkrise, die spätestens vorige Woche nach Europa übergeschwappt ist, ist auch eine Krise des Vertrauens. Des wechselseitigen Vertrauens der Banken, des Vertrauens der Geldinstitute in ihre Gläubiger, des Vertrauens der Anleger in ihre Bank. Keine Panik aufkommen zu lassen ist deshalb das oberste Prinzip der Schadensbegrenzung. Der tschechische Finanzminister Miroslav Kalousek versuchte vergangene Woche zu beruhigen:

„Die Situation in der Tschechischen Republik erfordert keinerlei außergewöhnliche Maßnahmen. Das tschechische Bankensystem ist stabil und gesund, die tschechische Wirtschaft ist nach wie vor in guter Verfassung. Auf keinen Fall ist eine Rezession zu erwarten. Es ist zwar offensichtlich, dass das Wirtschaftswachstum sich verlangsamt, aber es ist immer noch ein Wachstum. An alle, die heute behaupten, dass wir am Rande einer Krise stehen, und die bereits über diverse Rettungsszenarien nachdenken, möchte ich appellieren, die Menschen nicht zu verängstigen. Die Situation erfordert keinerlei Rettungsszenarien. Wir sind nicht in der Krise, sondern lediglich in einer Phase des etwas langsameren Wachstums – aber des Wachstums.“

Miroslav Kalousek  (links) und Mirek Topolánek  (Foto: ČTK)
Zdeněk Tůma, Chef der Tschechischen Nationalbank, sieht ebenfalls keinen Grund zur Panikmache. Eventuellen Schwächen des tschechischen Finanzmarktes könnte man effektiv gegensteuern, sagte Tůma am Donnerstag:

„In unserem Fall kann ich mir keine Probleme mit der Liquidität vorstellen, denn die Bilanzen unserer Finanzinstitute sind gesund. Eine gewisse Nervosität kann natürlich immer entstehen, aber derzeit gibt es keinen Grund, warum die wichtigsten Akteure auf dem tschechischen Finanzmarkt einander nicht vertrauen sollten. Und wenn das dennoch passieren sollte, und dadurch Liquiditätsprobleme entstehen, dann sind wir in der Lage, das zu bewältigen. Aber für die Sparer und die breitere Öffentlichkeit ist wesentlich, dass ihre Einlagen keinesfalls gefährdet sind.“

Keine Panik also. Dennoch: Soll oder muss die Politik reagieren? Für tschechische Entscheidungsträger keine leichte Frage. Die Bedeutung von Finanzprodukten, die direkt von den gestrauchelten US-Riesen abhängig sind, hält sich hierzulande in engen Grenzen. Und in eher engen Grenzen hält sich wohl auch der Spielraum für die Regierung eines kleinen Landes, wenn sie im Gewebe international vernetzter Großbanken den Takt schlagen will. Nach der jüngsten Entscheidung des europäischen Teils der G8, also Deutschlands, Frankreichs, Italiens und Großbritanniens, der zufolge die europäischen Staaten in der Krise zwar selbstständig, aber koordiniert vorgehen sollen, hat sich daran nicht viel geändert.

Zdeněk Tůma  (Foto: ČTK)
Michal Doktor von den regierenden Bürgerdemokraten ist Mitglied des Budgetausschusses des Abgeordnetenhauses und Vorsitzender der Kommission, die für die Kontrolle des Bankwesens zuständig ist. Auch er setzt auf Beruhigung:

„Ich möchte die Worte von Nationalbankgouverneur Tůma bekräftigen. Das tschechische Bankensystem ist stabil. Außerdem möchte ich betonen, dass die Einlagenversicherung bei unseren Banken eine der besten in Europa ist, und dass es keinen Grund gibt, Angst um Spareinlagen zu haben. Was die Verlangsamung der Weltwirtschaft betrifft: Diese hat sich lange angekündigt, und Tschechien hat meiner Meinung nach genügend Potential, um auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig und interessant zu bleiben.“

Milan Urban von den oppositionellen Sozialdemokraten, stellvertretender Vorsitzender des parlamentarischen Wirtschaftsausschusses, stimmt dem nur teilweise zu. Panik will auch er keine verbreiten, aber Handlungsbedarf für die Regierung sieht er durchaus:

„Ich stimme darin überein, dass der Bankensektor in Tschechien nicht in der Krise steckt, und die Sparer nicht um ihre Einlagen fürchten müssen. Andererseits aber beunruhigt mich die Verlangsamung des Wirtschaftswachstums, die nun durch die Krise in den USA vermutlich verstärkt wird. Das Zugpferd des Wachstums war immer der Export, und die Nachfrage seitens unserer ausländischen Abnehmer in- und außerhalb der Europäischen Union könnte nun nachlassen.“

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Aufgabe der Politik sei es also, Unsicherheiten zu minimieren und neue Impulse für ein dynamisches Wachstum der tschechischen Wirtschaft zu schaffen, meint Urban.

„Ich glaube, die Regierung sollte einen fixen Termin für die Einführung des Euro nennen. Ich könnte mir dabei etwa das Jahr 2013 vorstellen. Außerdem sollte die Regierung auf dem Sektor der Energiepreise etwas unternehmen, durch eine Reform der Verbrauchersteuer zur Senkung der Treibstoffpreise beitragen und dadurch auch die Arbeitsbedingungen für Unternehmen erleichtern. Das alles könnten neue Impulse für die tschechische Wirtschaft sein. Um strategische Entscheidungen treffen zu können muss die Wirtschaft außerdem wissen, was die Regierung will und was sie zu tun beabsichtigt. Offenbar aber weiß das die Regierung selbst nicht – weder was die Einführung des Euro noch was die Energiepolitik betrifft. Die Regierung tut nichts, und vielleicht kann sie auch gar nichts bieten außer übertriebenen Optimismus.“

Milan Urban

Eine konkrete Perspektive für die Einführung des Euro, wie der Sozialdemokrat Urban sie vor allem im Interesse der Exportwirtschaft fordert, kommentiert der Bürgerdemokrat Doktor eher zurückhaltend. Er ist der Ansicht, die selbstständige Tschechische Krone sei sogar ein wichtiger Faktor, der das Land vor einem Überschwappen der Krise auf die tschechischen Binnenmärkte bewahrt. Auch von einer Regulierung der Banken auf europäischer Ebene, wie sie noch vor dem Wochenende angedacht wurde, hält Doktor wenig:

„Meiner Ansicht nach wird sich zeigen, dass die Aufsicht über die Banken durch die Tschechische Nationalbank richtig ist. Eine Regulierung des Finanzmarkts auf europäischer oder weltweiter Ebene würde mich hingegen beunruhigen. Denn auf diese Art ginge der detaillierte Blick verloren, und damit auch die Fähigkeit, effektiv zu kontrollieren und einzugreifen.“

Die einstweilen unaufgeregte Rhetorik tschechischer Politiker scheint indes zu greifen: Die Finanzkrise findet sich am Montag auf den Titelseiten der meisten tschechischen Tageszeitungen entweder gar nicht, oder ganz unten – mit einem Bericht über die deutsche Hilfe für die Hypo Real Estate.