Frage der Glaubwürdigkeit – Politologen beurteilen Zemans Amtsbeginn

Miloš Zeman (Foto: ČTK)

Als erster direkt gewählter Staatspräsident Tschechiens wurde Miloš Zeman am Freitag vereidigt. Damit löst ein linksgerichteter Politiker den neoliberalen Václav Klaus an der Spitze des tschechischen Staates ab. Seine Amtsführung deutete der neue Präsident bereits in seiner Rede zur Vereidigung und in einem Interview am Sonntag an. Was erwarten nun aber Politologen von Zemans Präsidentschaft?

Miloš Zeman  (Foto: ČTK)
Die Rede von Miloš Zeman bei seiner Vereidigung am Freitag war eher kurz. Er betonte, dass er Präsident der „unteren zehn Millionen“ sein wolle. Zudem kündigte er an, er wolle als politischer Vermittler auftreten und gegen die Korruption kämpfen. Die Außenpolitik erwähnte der EU-freundliche linksgerichtete Politiker indes mit keinem Wort. Andererseits würzte er die feierliche Stunde auf der Burg mit einer Kampfansage an die Medien.

Aufmerksam verfolgt hatte die Rede auch der Politologe Lukáš Jelínek, der für die Masarykova demokratická akademie (Demokratische Masaryk-Akademie) der Sozialdemokraten tätig ist. In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks erinnerte er daran, dass der neue Präsident bereits auf eine lange politische Karriere zurückblicken kann. Zeman war von 1998 bis 2002 tschechischer Premier und 15 Jahre lang Vorsitzender der sozialdemokratischen Partei (ČSSD), bis er nach einem Streit mit dem Rest der Parteiführung die Sozialdemokraten verließ. Ohnehin hatte sich der gelernte Wirtschaftswissenschaftler zu dem Zeitpunkt bereits aus dem aktiven politischen Leben zurückgezogen. Der Grund war seine erste erfolglose Bewerbung um das Amt des Staatspräsidenten gewesen; damals war Zeman gescheitert, weil nicht alle Sozialdemokraten ihn unterstützt hatten. Dennoch entschied er sich im vergangenen Jahr, an der ersten Direktwahl des tschechischen Staatsoberhauptes teilzunehmen. Die erfolgreiche Wahl ist also die Rückkehr des 68-Jährigen in die Spitzenpolitik. Politologe Jelínek zur Inaugurationsrede:

Václav Klaus  (Foto: ČTK)
„Sie war die Rede eines Staatsmannes, der viel Erfahrung darin hat. Viele der Themen waren auch schon in den früheren Reden von Miloš Zeman aufgetaucht. Das heißt vor dem Jahr 2003, als seine politische Karriere aus seiner Sicht wohl etwas gewaltsam unterbrochen wurde. Ich hatte das Gefühl, dass Zeman sich in der Rede vor allem von seinem Vorgänger Václav Klaus abgrenzen wollte. So hat er zum Beispiel die Notwendigkeit eines Dialogs mit den Gewerkschaften genannt oder das Gesetz zum Nachweis über die Herkunft von Vermögen. Das sind Themen, die ihn von Klaus unterscheiden. Zugleich hatte ich den Eindruck, dass die Rede sehr auf Effekt abgezielt war. Damit meine ich nicht nur die Form, die brillante rhetorische Leistung, sondern auch den Inhalt. Er hat Themen gewählt, die ihm auf seinem weiteren politischen Weg helfen können.“

Lukáš Jelínek  (Foto: YouTube)
Gerade dies lässt den Politologen Jelínek indes am Inhalt des Gesagten zweifeln:

„Ich hatte ein bisschen das Gefühl, die ganze Rede sei ein Gebet aus dem Mund eines Atheisten. Zum Schluss seines Vortrags hat er ja auch tatsächlich eine Art Gebet aufgesagt. Die Frage ist aber, wie glaubwürdig ein Gebet aus dem Mund eines Atheisten klingt.“

Die Frage der Glaubwürdigkeit stellt sich aber nicht nur der Form nach. Dazu muss man etwas ausholen: Nach den Parlamentswahlen von 1998 schloss Zeman als sozialdemokratischer Wahlsieger ein Stillhalteabkommen mit Václav Klaus, der Vorsitzender der stärksten Oppositionspartei war. Der Pakt zwischen der Sozialdemokratischen Partei und der Demokratischen Bürgerpartei (ODS) hatte die ganze Legislaturperiode Bestand. In seiner Rede am Freitag erwähnte Zeman diesen so genannten Oppositionsvertrag als erfolgreiches Element, um Tschechien wie damals aus der Wirtschaftskrise führen zu können. Petr Nováček ist politischer Kommentator des Tschechischen Rundfunks und hält ein mögliches Anknüpfen an das Abkommen von damals für eine bedenkliche Sache:

Petr Nováček  (Foto: Karel Šanda,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Miloš Zeman ist genauso wie Václav Klaus auf das Werk stolz. Das ist kein Zufall. Damals verhalf der Vertrag wirklich dazu, regieren zu können. Beiden ging es damals um eine Koalition, aber eine verdeckte. Die sozialdemokratische Minderheitsregierung hatte den Vorteil, dass die Opposition, also die ODS, ihr freie Hand ließ und sie nicht zu stürzen trachtete. Das war ein Unikum, das wir Kommentatoren damals kritisiert haben. Der Vertrag brachte zwar auf seine Art eine politische Stabilität, aber es war eher eine Grabesstille. Denn das klare Ziel war, die Opposition kleinerer Parteien zu eliminieren. Dazu wurden eine Verfassungsänderung und ein neues Wahlgesetz geplant. Die Änderung kam nicht zustande und das Wahlgesetz wurde vom Verfassungsgericht auf Antrag von Staatspräsident Václav Havel auseinandergenommen. Beides hätte die Marginalisierung der Opposition bedeutet, falls sie überhaupt noch ins Abgeordnetenhaus eingezogen wäre.“

Foto: Barbora Kmentová
Damals habe sich auch der Klientelismus herausgebildet, der die tschechische Gesellschaft und Politik bis heute belaste, sagt Nováček. Gemeint ist damit eine Aufteilung politischer Macht, bei der die eine Hand die andere wäscht. Die Folge davon heißt ganz einfach: Korruption. Ausgerechnet die hat Zeman jedoch angekündigt zu bekämpfen.

Ein ganz empfindliches Thema ist für Miloš Zeman die Medienberichterstattung. Wie Petr Nováček sagt, kommt die Empfindlichkeit aus Zemans Zeit als Regierungschef. Besonders die liberal-konservativen Medien seien ausgesprochen kritisch gegenüber dem sozialdemokratischen Premier gewesen und hätten ihn auch persönlich beleidigend angegriffen.

Foto: Archiv Radio Prag
„Dass er als Präsident darauf zurückkommt, das verwundert mich etwas. In seiner Funktion sollte er über diesen Dingen stehen. In seiner Rede hat er ja auch gesagt, er wolle einen neutralen Boden schaffen für die politische Debatte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Präsident Zeman anders als über die Medien mit der Öffentlichkeit kommuniziert. Er wird ja wohl nicht ein Fenster auf der Prager Burg öffnen und dann über ein Megaphon in den Burgvorhof rufen. Wir Journalisten und Politiker sitzen doch in einem Boot, ob es ihm nun gefällt oder nicht. Wir müssen uns ja nicht lieben, sollten aber korrekt miteinander umgehen“, so Nováček.

Nicht erwähnt hat Zeman indes am Freitag seine außenpolitischen Vorstellungen. Am Sonntag holte er dies bei einer Talkshow des privaten Fernsehsenders Prima nach. Dort strich er seine europafreundliche Einstellung heraus. Zeman kündigte an, sobald wie möglich den Zusatz zum Lissabon-Vertrag über den Euro-Rettungsschirm zu unterschreiben. Sein Vorgänger Václav Klaus als Kritiker einer stärkeren europäischen Integration hatte sich geweigert, diesen Zusatz zu unterschreiben. Miloš Zeman:

Foto: Barbora Kmentová
„Ich als Europaföderalist werde den Zusatz mit einem Achselzucken unterschreiben und ihn eher als Symbol verstehen. Genauso wie ich zusammen mit Barroso in nächster Zeit auf der Prager Burg die Europaflagge hissen werde.“

Wann der EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso nach Prag kommt, ist noch nicht bekannt. Der Sozialdemokrat Libor Rouček ist tschechischer Europaabgeordneter und war früher Sprecher der Regierung Zeman. Zur Europa- und Außenpolitik des neuen Staatspräsidenten sagt Rouček:

Libor Rouček  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
„Er wird es sehr einfach haben im Schatten seines Vorgängers, denn niemand will uns in Europa isolieren. Die Staatsoberhäupter und Politiker in den EU-Ländern genauso wie die Europaparlamentarier wollen ja eine positive Entwicklung auf dem Kontinent. Und sie erwarten, dass der neue tschechische Präsident zum europäischen Werk seine Meinung sagt und pro-europäisch ist. Das wurde bei Václav Klaus vermisst. Zudem: Die Beziehungen zu den USA und Russland waren während Zemans Zeit als Premier hervorragend. Als Sprecher war ich bei allen Auslandsreisen dabei. Zeman wurde beispielsweise im Weißen Haus empfangen und zugleich hatten wir gute politische und wirtschaftliche Beziehungen mit Russland. Ich erwarte, dass er diese Linie weiterverfolgt und wir gute Kontakte mit den USA, unseren Nato-Partnern und mit Russland haben werden.“

Zemans erste Auslandsreise wird den Traditionen gemäß in die Slowakei führen. Danach will der neue Staatspräsident nach Wien reisen, wie tschechische Medien berichteten.