Franz Harrach – Begleiter von Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajevo
Franz Ferdinand d´Este und seine Ehefrau Sophia sowie ihr Mörder Gavrilo Princip – das sind die drei wichtigsten Personen des Attentats von Sarajevo vom 28. Juni 1914. An der verhängnisvollen Autofahrt durch die bosnische Hauptstadt nahmen aber neben dem kaiserlichen Thronfolgepaar auch zwei Begleiter aus den Böhmischen Ländern teil: der Besitzer des Wagens, Graf Franz Harrach, und der Fahrer Leopold Lojka. Beide erlebten die letzten Lebensminuten von Franz Ferdinand und Sophia. Um Graf Harrach und seinen Angestellten Lojka geht es nun in den folgenden Minuten. Jakub Šiška mit einem weiteren Kapitel aus der tschechischen Geschichte.
Im Rahmen seines sozialen Engagements war Franz Harrach vor dem Ersten Weltkrieg beispielsweise Vorsitzender der sogenannten Internationalen Liga für den Kampf gegen Mädchenhandel. Er war zudem im Verein für Auswanderungsfragen und im Roten Kreuz tätig. Der Überlieferung nach verhielt er sich auch auf seinen eigenen Besitzungen den Menschen gegenüber immer sorgsam und hilfsbereit. 1909 erlebte Velké Meziříčí ein besonderes Ereignis: eine große Truppenübung der kaiserlichen Armee.
„Diese Truppenübung fand regelmäßig in Abständen von vier oder fünf Jahren irgendwo in der Monarchie statt. Dass damals die Wahl auf Velké Meziříčí fiel, war wahrscheinlich den politischen Kontakten der Harrachs zu verdanken. Auf dem Schloss wurde auch die höchste politische Elite untergebracht: Kaiser Franz Josef I., Kronprinz Franz Ferdinand d´Este und der deutsche Kaiser Wilhelm. Bei dieser Gelegenheit lernten sich Franz Harrach und Ferdinand d´Este kennen. Von einer Freundschaft in üblichen Sinne ließ sich zwar nicht sprechen, denn der hierarchische Abstand musste damals eingehalten werden. Franz Harrach wurde ab da jedoch ein enger Mitarbeiter des Thronwärters“, so Irena Tronečková.Während der Truppenübung kommt es plötzlich zu einem dramatischen Moment: Im Militärlager gehen einige Pferde durch und galoppieren in Richtung Stadt. Es ist gerade Nachmittag, die Straßen in Velké Meziříčí sind voll von Menschen. Einige Soldaten versuchen vergeblich, die Tiere aufzuhalten. Nur einer von ihnen ist erfolgreich: Er fasst kaltblütig ein Pferd am Halfter, stürzt dabei zu Boden, das Ross bleibt jedoch stehen und bald danach auch die anderen. Der Soldat ist jedoch verletzt und blutet am Kopf. Franz Harrach beobachtet diese Szene. Der Mut des jungen Brigadiers beeindruckt ihn so sehr, dass er ihn in der Feldambulanz besucht und für seine weitere Behandlung in Brünn sorgt. Die Verletzung erweist sich als ziemlich ernst, und der Soldat kann seinen Militärdienst nicht mehr fortsetzen. Sein Name: Leopold Lojka. Dazu die Museumsleiterin:
„Graf Harrach bot Lojka an nach seiner Entlassung aus der Armee bei ihm zu arbeiten. Einige Zeit verbrachte Lojka daher auf Schloss Janovice, das auch den Harrachs gehörte. Ein wichtiger Moment kam im Jahre 1911, als der Graf ein Auto kaufte. Es war ein Cabriolet des Automobilherstellers Gräf und Stift. Weit und breit war es der erste Wagen, denn Harrach war ein echter Bewunderer des beginnenden Automobilismus. Leopold Lojka wurde angeboten, Autofahren zu lernen. 1912 erwarb er den Führerschein, nachdem er in Wien einen Spezialkurs absolviert hatte.“ Damals ahnen indes weder Harrach noch Lojka, dass sie wegen des Wagens zwei Jahre später an einem Ereignis von weltweiter Bedeutung beteiligt sein würden. Im Juni 1914 findet wieder eine kaiserliche Truppenübung statt, diesmal jedoch in Bosnien und Herzegowina. František Harrach begleitet Franz Ferdinand d´Este dorthin. Für seinen Besuch in Sarajevo stellt er dem österreichischen Thronfolger seinen Wagen inklusive Fahrer zur Verfügung. Bei der verhängnisvollen Autofahrt durch die Stadt sitzt Lojka am Steuer, links von ihm Franz Harrach und auf einem Nebensitz der kaiserliche Befehlshaber in Bosnien, Oskar Potiorek. Ferdinand und seine Gattin Sophia nehmen auf der Rückbank Platz. Was danach folgt, ist allgemein bekannt: Einer der Attentäter wirft eine Bombe, die Explosion verletzt jedoch das Ehepaar nicht. Bei der weiteren Fahrt steht Graf Harrach auf dem Trittbrett, um die prominenten Fahrgäste mit eigenem Leib zu schützen. In einem Moment biegt jedoch Leopold Lojka falsch ein. Plötzlich stürmt Gavrilo Princip aus einem Eck-Café und feuert zwei Schüsse aus einer Pistole ab. Ferdinand und Sophia sind schwer verletzt. Graf Harrach und Lojka versuchen, Erste Hilfe zu leisten – doch das Thronfolgepaar erliegt seinen Verletzungen.„Dieses Ereignis muss beide Männer stark mitgenommen haben und blieb zweifellos in ihrem Gedächtnis haften. Man könnte Lojka als den Schuldigen bezeichnen, denn er war falsch abgebogen. Wir wissen aber, dass er als drittes Fahrzeug in einer Kolonne von fünf Autos fuhr und dem vor ihm fahrenden Wagen folgte. Die Trasse war nach dem ersten Attentatsversuch geändert worden, es kam jedoch zu Abstimmungsproblemen zwischen den Organisatoren. Als Lojka merkte, dass er in die falsche Richtung fuhr, hielt er an und begann nach hinten zu setzen. Das Rückwärtsfahren war jedoch damals kein einfaches Manöver, es dauerte eine Weile - und der Attentäter nutzte diese Gelegenheit. Heute muss man sagen, dass es ein merkwürdiger Zufall mit einem tragischen Ende gewesen ist“, sagt Irena Tronečková. Nach diesem Ereignis diente Leopold Lojka nicht mehr bei Graf Harrach. Obwohl er eigentlich keine Schuld hatte, verfolgte ihn immerwährend das Gefühl, den Ersten Weltkrieg verursacht zu haben. Lojka ging nach Brünn, wo er 1926 einsam und im Alter von nur 39 Jahren starb.Graf Franz Harrach lebte später weiter in Velké Meziříčí. Nach der Entstehung der Tschechoslowakei musste er sich damit abfinden, dass er etwa ein Drittel seiner Landwirtschafts- und Waldflächen verlor. Als Großgrundbesitzer war er von der Bodenreform betroffen, die die Regierung in Prag durchführte. Auch wurden alle Adelstitel gesetzlich abgeschafft. Harrach nahm trotzdem 1921 auf eigenen Antrag die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft an und setzte seine frühere Tätigkeit fort. Bei den Menschen war er offensichtlich weiter beliebt: Als er 1937 starb, kamen mehre Hunderte Menschen zu seiner Beerdigung.