Frauen, Autos, Muskelmänner: Zum Tod der Comic-Ikone Kája Saudek

Karel Saudek (Foto: ČTK)

Kája Saudek gilt als Übervater des tschechischen Comics. Mit seinen Zeichnungen brachte er in den 1960er Jahren die westliche Popkultur in die Tschechoslowakei. Gewürdigt wurde Kája Saudek dafür erst nach der Samtenen Revolution. Am Freitag ist er in Prag gestorben.

S

Karel Saudek  (Foto: ČTK)
eine Figuren heißen Pepík-Hipík, Superhana oder Muriel. Es sind grelle, überzogene Phantasien, ausgestattet zumeist mit einer gehörigen Portion Sex-Appeal. Seine Anfänge und sein Hauptinteresse beschrieb Karel – genannt Kája – Saudek selbst einmal:

„Ich erinnere mich, wie ich schon als Kind in völliger Unwissenheit immerzu die weibliche Anatomie darstellen, immerzu nur Frauen malen wollte. Ich bin wirklich das, was man einen Autodidakten nennt.“

„Wer will Jessie umbringen?“
Zur Welt kam er 1935 in Prag als Sohn eines jüdischen Buchhalters. Noch im Kindesalter wurden er und sein Zwillingsbruder in einem Konzentrationslager der Nazis inhaftiert. Später verboten ihm die kommunistischen Machthaber der Tschechoslowakei das Kunststudium. Saudek wurde technischer Zeichner und Kulissenschieber in den Filmstudios Barrandov. Dort entdeckte Regisseur Václav Vorlíček sein Talent. 1966 verwendete er Saudeks Illustrationen für die Science-Fiction-Komödie „Kdo chce zabít Jessii?“ (Wer will Jessie töten?). Zugleich erschienen erste Comics in Zeitschriften. Tomáš Prokůpek ist Comic-Historiker. Saudek war ein Pionier, sagte er am Freitag im Tschechischen Fernsehen:

Tomáš Prokůpek  (Foto: ČT24)
„Als er Ende der 1960er Jahre aus dem Nichts aufgetaucht ist, da lechzten die tschechischen Leser geradezu danach. Kája Saudek feierte den Westen und die westliche Popkultur. Seine Geschichten waren voller schöner Frauen und muskulöser Männer, voller Abenteuer und schneller Autos. Zugleich war es aber keine plumpe Imitation der ausländischen Vorbilder. Es steckte Übertreibung darin und Humor. Die Leser haben verstanden, was Kája Saudek erzählen wollte.“

Die Zensur hingegen brandmarkte Saudeks Werke als kapitalistischen Schund. Der Comic „Muriel a andělé“ (Muriel und die Engel) konnte 1969 nur zum Teil publiziert werden. Er gilt heute als Saudeks Meisterwerk und wurde 2009 zum einflussreichsten tschechischen Comic aller Zeiten gewählt. Bis 1989 musste sich Saudek im wahrsten Sinne des Wortes verkriechen: Er veröffentlichte Comics für die Zeitschrift der tschechischen Gesellschaft für Höhlenforschung. Nach der Samtenen Revolution wurde Kája Saudek zum Idol für die heutige tschechische Comic-Szene. Dazu gehört Vladimír 518:

„Wenn es einen König des tschechischen Comics gab oder gibt, dann Kája Saudek. Ich denke, jemand Vergleichbaren wird man in diesem Bereich schwerlich finden – jemanden, der sich in solchem Ausmaß dem Comic verschrieben hat und eine Ikone für mehrere Generationen von Comics-Zeichnern war. Er schuf sein eigenes Genre, seinen eigenen Stil, und er hat so viel gezeichnet. Bis heute kommen neue Werke heraus, werden Ausstellungen gezeigt. Ich habe mich seit der Kindheit für ihn interessiert, und es ist unglaublich, wieviel immer noch nicht entdeckt, publiziert und herausgegeben wurde. Dieser Mensch war ein absoluter Worcaholic, und seit einer gewissen Phase wohl auch ein absolutes Genie.“

Jan Saudek  (Foto: Šárka Ševčíková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Über die Grenzen Tschechiens hinaus wurde Kája Saudek – anders als sein Bruder, der Fotograf Jan Saudek – nur in Expertenkreisen bekannt. In Prag hat Kája Saudek 2009 dagegen sogar sein eigenes Museum erhalten. Nach einem Unfall fiel der Zeichner vor neun Jahren ins Koma. Am vergangenen Freitag ist Kája Saudek im Alter von 80 Jahren gestorben.


Kája-Saudek-Comics-Museum  (Foto: Offizielle Facebook-Seite des Museums)
Mehr zu sehen vom König des tschechischen Comics gibt es derzeit gleich in drei Ausstellungen in der tschechischen Hauptstadt:

Das Kája-Saudek-Comics-Museum (www.batalion.cz/comics_museum_kaji_saudka) ist von Mittwoch bis Sonntag von 12 bis 21 Uhr geöffnet. Im Tanzenden Haus (www.artsalons.cz) sind bis Septemter unter dem Titel „18+“ die nicht-jugendfreien Werke von Kája Saudek ausgestellt. Die Galeria Goap (www.goap.cz) am Altstädter Ring zeigt bis Anfang 2016 eine Doppel-Retrospektive von Kája und Jan Saudek.

Autor: Annette Kraus
schlüsselwort:
abspielen