Fremdsprachenkenntnisse: Tschechien holt auf, Englisch wird aber immer wichtiger als Deutsch

Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs vor nunmehr 14 Jahren setzte in Tschechien eine regelrechte Spracheuphorie ein. Aus der ersten Begeisterung, als mit der neuen Freiheit auch neue Sprachen wie in einem Schwamm aufgesogen wurden, ist mittlerweile vielleicht auch so etwas wie wirtschaftliche Notwendigkeit geworden. Der Eifer aber, der ist im Wesentlichen geblieben. Gerald Schubert berichtet:

Was den Stand der Fremdsprachenkenntnisse in der Tschechischen Republik betrifft, so lässt sich dieser derzeit auf folgende schlichte Formel bringen: Der Nachholbedarf ist auch 14 Jahre nach der politischen Wende noch relativ groß, ebenso groß ist aber auch der Lerneifer, den man hierzulande in Sachen Fremdsprachen beobachten kann: Überall, sei es im Internet, in Zeitungen oder aufgeklebt an Ampelmasten, kann man die Angebote von Sprachschulen oder privaten Lehrern finden. Und wenn man mit der U-Bahn fährt, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass man in einem Waggon gleich mehrere Leute mit einem Sprachlehrbuch oder einem kleinen Vokabelheft antrifft, relativ groß.

Kurz nach der Samtenen Revolution vor 14 Jahren, da war der Enthusiasmus allerdings noch ein bisschen größer. Gottfried Schinner, er hat in bereits 1991 die erste Deutsche Sprachschule in Prag gegründet, erinnert sich:

"Die Motivation deutsch zu lernen war damals sehr groß. Einfach auch um rauszukommen, andere Länder zu sehen. Wir hatten damals in der Vitkova-Straße - wir waren da noch in Karlin, wo wir leider seit dem Hochwasser letzten Jahres nicht mehr sind - lange Schlangen vor der Schule, für die Anmeldung zu den Kursen für die Öffentlichkeit. Die Kurse waren absolut voll. Ich erinnere mich sogar daran, dass es Teilnehmer gegeben hat, die unbedingt noch in einen Kurs hinein wollten und dann mit den anderen Teilnehmern verhandelt haben, ob es nicht doch noch ginge, dass sie zusätzlich hineinkommen können. Es war eine tolle Stimmung, es hat ganz großen Spaß gemacht, und die Motivation war enorm."

Dennoch: Die tschechische Gesellschaft als ganzes betrachtet holt nur langsam den Rückstand auf, der - wohl mit Ausnahme des Russischen - in der kommunistischen Zeit auf diesem Sektor entstanden war. Einer aktuellen Studie zufolge spricht etwa ein Viertel der Bevölkerung immer noch keine Sprache außer Tschechisch. Bei den Fremdsprachen liegt Deutsch mit 40 Prozent in Führung, dann kommt Russisch mit 29 Prozent, und dann erst Englisch mit 27 Prozent. Dieser Trend jedoch, der kehrt sich langsam aber sicher um. Denn an Sprachschulen wird derzeit immer mehr Englisch verlangt und immer weniger Deutsch. Laut Gottfried Schinner hängt das auch mit einer neuen Zweckorientierung des Lernens von Sprachen zusammen:

"Vielleicht haben sich die Motive zum Teil ein wenig verschoben. Heute machen wir die Erfahrung, dass sehr viele Leute die Sprache auch lernen, weil sie beruflich weiterkommen wollen, oder weil sie sie für den Beruf schlicht und ergreifend brauchen."

Und im Berufsleben, da hat dann eben doch meist das Englische Vorrang, trotz der gemeinsamen Grenzen mit Deutschland und Österreich.

Insgesamt ist und bleibt das Interesse an Fremdsprachen in Tschechien jedoch groß. Und erst im August wurde die "Assoziation der Sprachschulen der Tschechischen Republik" gegründet, die unter ihren Mitgliedern für gewisse Standards garantiert und den vielen Fremdspracheninteressierten hierzulande eine Art Qualitätssigel anbieten will.