Fußball-Europa League: Slavia Prag schaltet Leicester aus – nun warten die Rangers
„Wunder gibt es immer wieder“, heißt es in einem Schlager der deutschen Interpretin Katja Epstein aus dem Jahr 1970. Doch sie fallen nicht vom Himmel, sondern müssen von Menschen vollbracht werden. Ein solches Wunder haben am Donnerstagabend – wenn auch nur auf dem grünen Rasen – die Fußballer von Slavia Prag vollbracht. Sie bezwangen auf der britischen Insel den Dritten der Premier League, Leicester City, mit 2:0 und zogen damit ins Achtelfinale der Europa League ein.
Im Hinspiel vor einer Woche in Prag hatten sich Slavia und die „Füchse“ aus Leicester torlos 0:0 getrennt. Jeder fragte sich, für wen dies wohl die bessere Ausgangsposition sei, denn im Grunde genommen war noch nichts passiert. Für die Prager sprach, dass sie ihren Gegner mit dem Erzielen eines Auswärtstors in Bedrängnis bringen könnten. In der Anfangsviertelstunde der Begegnung in Leicester sah es jedoch nicht danach aus. Nach und nach befreiten sich die Rot-Weißen aber aus der Umklammerung der Gastgeber, und nach dem Seitenwechsel glaubten sie offenbar wirklich an ihre große Chance. Denn Slavia wurde immer besser und traf durch Mittelfeldspieler Lukáš Provod und Stürmer Abdallah Sima dann auch zum verdienten 2:0-Auswärtssieg. Nach dem Abpfiff kannte die Freude beim tschechischen Meister keine Grenzen, und auch Trainer Jindřich Trpišovský konnte das Geschehen kaum fassen:
„Es ist ein sportliches Wunder, das wir vollbracht haben. Möglicherweise ist es vergleichbar mit Leicesters Gewinn der Premier League 2016. Für uns ist es ein ähnlich positiver Schock. Denn der Unterschied zwischen dem englischen und dem tschechischen Fußball ist abgrundtief, wenn wir die Bedingungen miteinander vergleichen. Mich haben englische Journalisten gefragt, ob ich wüsste, was hier gerade passiert ist. Ich habe geantwortet: ‚Nein, nicht wirklich, mir ist das Ganze noch nicht so recht bewusst‘.“
Für die englischen Medienvertreter wohl auch etwas überraschend war, wie die Slavia-Spieler auf dem Spielfeld plötzlich ein Freudenknäuel bildeten und voller Begeisterung auf der Stelle hüpften. Torschütze Lukáš Provod erklärt, was sie dazu inspiriert hatte:
„Co-Trainer Zdeněk Houštecký kommuniziert sehr oft mit Tomáš Souček, und ich denke, dass er nach dem Spiel auch wieder mit ihm gesprochen hat. Deswegen war Souček dann auch via Facebook mit uns auf dem Platz, er war dort im Slavia-Trikot zu sehen, was zeigt, dass er immer noch ein Rot-Weißer ist. Wir danken ihm dafür, dass er uns die Treue hält, und wir drücken ihm die Daumen, dass es für ihn bei West Ham weiter so gut läuft.“
In beiden Begegnungen mit Leicester sind die Prager sogar ohne Gegentor geblieben. Das ist ein gutes Zeugnis für die Abwehr von Slavia. Doch ihr Chef Ondřej Kúdela sieht das etwas differenzierter:
„Es ist die Visitenkarte der ganzen Mannschaft, nicht nur von uns in der Defensive. Wenn ich beide Spiele betrachte, haben wir wirklich als Team bestanden. In Prag hatte Leicester vielleicht ein, zwei Chancen, doch heute hatten die Briten keine 100-prozentige Tormöglichkeit, mit der sie das Spiel hätten in ihre Richtung lenken können.“
Für Trainer Trpišovský war der Sieg in Leicester zugleich ein sehr schönes Geschenk zu seinem 45. Geburtstag, den er am Samstag feiert. Doch der häufig sehr emotionale Coach dachte in der Stunde des Erfolgs auch an all diejenigen, die derzeit in der Heimat ganz andere Probleme haben:
„Ich sehe den Erfolg als ein Geschenk für alle Slavia-Fans und für all jene, die uns die Daumen gedrückt haben. Denn in dieser schweren Zeit, in der in unserer Republik derzeit eine negative Nachricht auf die andere folgt, ist das ein kleines Wundpflaster für uns alle.“
Bei der Auslosung am Freitag bekam Slavia im Achtelfinale mit den Glasgow Rangers erneut einen Vertreter von der britischen Insel zum Gegner. Das Hinspiel am 11. März bestreiten die Prager zu Hause.