Fußball-Rowdys und arbeitslose Glasarbeiter
Wieder einmal sind zwei Wochen vergangen. Sie wissen Bescheid: Es ist wieder Zeit für unser Hörerforum.
„Hallo! Ich will mich mal schnell vorstellen. Ich bin zwölf Jahre alt, und das ist mein erster Empfangsbericht. Ich hoffe ich habe alles richtig gemacht, aber ich schaff das schon. Bitte geben Sie mir Bescheid, wenn ich einen Fehler gemacht habe, damit ich weiß, was ich ändern kann.“
Liebe Jessica! Erstmal vielen Dank für deine Post! Es hat uns sehr gefreut, dass du deinen ersten Empfangsbericht an uns gesendet hast. Und wir hoffen, dass wir auch in Zukunft noch weitere von Dir bekommen werden. Denn Du hast alles vollkommen richtig gemacht. Selbstverständlich wird Dein Empfangsbericht mit einer QSL-Karte belohnt.
Ein Thema hat Sie in den letzten Wochen besonders beschäftigt, das schon seit geraumer Zeit die Gemüter in Tschechien erhitzt: Die Gewalt in den und um die Fußballstadien. Es ist vor allem deswegen wieder aktuell geworden, weil mit dem Rückrundenstart in der höchsten tschechischen Fußballliga ein neues Sicherheitsgesetz in Kraft getreten ist. Laut dem Gesetz sind nun die Vereine selbst für die Sicherheit in den Stadien verantwortlich und nicht mehr die Polizei. Am ersten Spieltag nach der Winterpause kam es in Brünn prompt zu schweren Ausschreitungen während der Partie des 1. FC Brünn gegen Baník Ostrau. Besonders das Gästeteam ist dafür bekannt, dass sich unter seinen Anhängern auch zahlreiche gewaltbereite Hooligans befinden. Jürgen Kückelhaus aus Mettmann kann in den Vorfällen eine traurige Parallele erkennen:
„Während ich diese Zeilen schreibe, läuft im Radio die Bundesligaberichterstattung der Sonntagsspiele. Das Spiel in Karlsruhe wurde 15 Minuten später angepfiffen, weil so genannte Fans den Bus der Gastmannschaft aus Stuttgart angegriffen haben. Auch die Urwaldlaute beim Ballbesitz farbiger Spieler sind in hiesigen Stadien bekannt. Stadionverbote sind sicherlich ein erster Schritt. Sie werden das Problem aber nicht beheben, weil sie schwer kontrollierbar sind und die Chaoten auch außerhalb des Stadions eine Menge anstellen können. Im Prinzip helfen nur Polizeipräsenz und eine strikte Trennung der so genannten ‚Fans’ beider Vereine. Wer dies dann bezahlt ist die nächste Frage.“
Genau diese finanzielle Frage ist einer der Streitpunkte in der aktuellen Diskussion in Tschechien. Innenminister Ivan Langer hatte nämlich mit dem tschechischen Fußballverband die Regelung vereinbart, dass die aus Steuergeldern aller Bürger bezahlten Polizeikräfte nur noch im Notfall und auf Verlangen des betroffenen Vereins eingreifen werden. Langer sieht Fußballspiele nämlich als private Veranstaltungen, also müssten auch die Clubs für die Sicherheit sorgen. Ulrich Stühmke ist da anderer Meinung, wie er uns in einer Email schrieb:„Leider sind die Randale in den Stadien überall ein Problem. Und die Polizei sollte dafür mit einem großen Aufgebot gerade stehen. Die Verursacher der Gewalt sind bekannt. Mich stört dabei, dass die zu diesem Kreis gehörenden Personen als Fans bezeichnet werden. Der englische Begriff Fan bedeutet auf deutsch ‚begeisterter Anhänger’, er bezeichnet also den Verehrer und Unterstützer einer Sache. Bei den Krawallmachern trifft das allerdings nicht zu. Diese Leute erscheinen nur, um Schaden und Unruhe anzurichten. Einen Vorwand für ihre Taten finden sie immer. Es hat gar nichts damit zu tun, dass ‚ihr’ Verein beim Spiel schlechter abschneidet. Sie erscheinen von vornherein mit der Absicht gewalttätig zu werden. Ein solcher Auftritt ist immer primitiv.“
Man muss wohl nicht darüber diskutieren, dass die Krawallmacher eher Fußballfeinde als Fußballfreunde sind. Heinz-Günther Hessenbruch aus Remscheid meint dazu klipp und klar:„Es ist richtig, dass gegen den Terror auf und um den Sportplatz hart durchgegriffen werden muss. Der Sport darf keine Plattform für Gewalt werden!“
Nun sind wir schon fast am Ende des Hörerforums angelangt. Zum Abschluss aber noch eine Frage zur Situation der Glas- und Porzellanindustrie in Tschechien. Der traditionelle Wirtschaftszweig ist hierzulande mit am stärksten von den Auswirkungen der Finanzkrise betroffen. Zahlreiche Großunternehmen aus der Branche befinden sich in Insolvenzverfahren. Mein Kollege Lothar Martin hat schon mehrfach über die Probleme der tschechischen Glas- und Porzellanmacher berichtet. Er ist also Experte auf diesem Gebiet. Die Hörer-Frage habe ich daher an ihn weitergeleitet.
Lothar, Johann Ruff aus Mühlheim will wissen: Gibt es für die insolventen Glas- und Porzellanhersteller keine staatliche Hilfe? Wird das Schicksal der Betriebe und ihrer Angestellten dem so genannten ‚freien Markt’ überlassen?
„Die Frage deckt sich ziemlich genau mit der Kritik, die die Glasmacher am vergangenen Montag vor dem Regierungsamt in Prag äußerten. Sie kamen dort nämlich zu einer großen Demonstration zusammen, um gegen das ihrer Meinung nach zu zögerliche und nicht ausreichende Vorgehen der Regierung zu protestieren und staatliche Hilfen für ihre Betriebe einzufordern. Denn nach Meinung der Gewerkschafter hat der Staat auf diesem Gebiet eine gewisse Verantwortung, da er Aktienanteile an vielen Firmen hält. Die Regierung hingegen behauptet, der Staat sei eben kein Miteigentümer der Firmen und habe deshalb keine erhöhte Fürsorgepflicht.“
Das heißt also, der Staat tut in der Frage gar nichts?
Nicht ganz. Man hat nun auf Seiten der Regierung in einer Novelle zum Insolvenzgesetz auf die Sorgen der mittellosen Glasmacher reagiert. Laut dem neuen Gesetz sollen Arbeitnehmer bis zu drei Monatslöhne erhalten können, die ihnen Pleite-Unternehmen schuldig geblieben sind. Und das soll rückwirkend ab September vergangenen Jahres gelten. Damit wäre zum Beispiel den Glasarbeitern aus den Betrieben von Bohemia Crystalex Trading (BCT) geholfen. Denn der Konzern hat im September die Insolvenz angemeldet. Allerdings muss die Gesetzesnovelle noch im Parlament verhandelt werden. Bevor sie nicht verabschiedet wurde, wird man sich also vermutlich noch auf weitere Demonstrationen von Glasarbeitern vor dem Regierungsamt einstellen müssen. Ganz im Stich gelassen werden die Glasarbeiter nicht. Im nordböhmischen Nový Bor, wo BCT eine große Glashütte unterhielt, entschied die Kommune, umgerechnet fast 40.000 Euro für zinslose Darlehen an die Arbeitslosen bereitzustellen.“Lothar, Vielen Dank für die Zusammenfassung!
Und damit sind wir nun wirklich am Ende des Hörerforums angelangt. Über Ihre Fragen, Anregungen, Meinungen und Empfangsberichte freuen wir uns auch weiterhin. Schicken Sie bitte alles an: Radio Prag – Deutschsprachige Redaktion, Vinohradská 12, 120 99 Praha 2, Tschechische Republik. Oder per Email an die Adresse [email protected]. Machen Sie es gut und bis zum nächsten Mal!