Fußball-WM-Qualifikation: Tschechien ohne Kreativität und Harmonie
Die tschechische Fußball-Nationalmannschaft hat in den vergangenen vier Tagen zwei wichtige Spiele zur Qualifikation für die WM 2010 in Südafrika bestritten. Mit unterschiedlichem Erfolg: Im polnischen Chorzów verlor sie am Samstag gegen die Auswahl des Gastgebers mit 1:2, am Mittwoch konnte sie in ihrem ersten Heimspiel gegen Slowenien einen schwer erkämpften 1:0-Sieg feiern. Daniel Kortschak sprach mit dem Radio Prag-Sportexperten Lothar Martin (LM).
LM: „Die tschechische Mannschaft hat zumindest ihr Minimalziel erreicht – die drei Punkte durch den Heimsieg über Slowenien. Trainer Petr Rada äußerte zwar auf einer Pressekonferenz nach beiden Spielen, dass man vier Punkte angestrebt habe – also zumindest ein Remis in Polen –, aber dafür spielte das Team in Chorzów einfach zu schlecht. Letzten Endes kann die tschechische Elf froh sein, wenigstens die drei Punkte zu Hause geholt zu haben, denn Slowenien war in der ersten Halbzeit die klar bessere Mannschaft. Die Gäste hatten da auch zwei Riesenchancen, die Tschechiens Torhüter Daniel Zítka aber bravourös zunichte machte. Er hat den verletzten Petr Čech im Tor glänzend vertreten.“
Woran liegt es, dass die tschechische Mannschaft derzeit einen solchen glanzlosen Fußball spielt und sich Siege wie den gegen Slowenien so hart erkämpfen muss?
LM: „Das liegt zum einen ganz sicher daran, dass seit der Europameisterschaft 2004 in Portugal, als der tschechische Auswahlfußball mit dem Einzug ins Halbfinale ein weiteres Mal auf einem sportlichen Gipfel stand, hervorragende Fußballer der Nationalmannschaft inzwischen ade gesagt haben. Da muss man nur Namen nennen wie Pavel Nedvěd, Karel Poborský und seit der letzten EM auch Jan Koller – das waren nicht nur Klassespieler, sondern vor allem auch Persönlichkeiten auf dem Feld und in der Kabine. Solche Persönlichkeiten fehlen dem tschechischen Team jetzt ungemein. Zumal Tomáš Rosický, der derzeit einzige Star neben Torwart Petr Čech, seit längerem verletzt ist. Bei beiden Begegnungen fehlten zudem wegen Verletzung auch Jan Polák und Marek Matějovský, die Rosický noch am ehesten hätten ersetzen können. Diese Ausfälle konnte die Mannschaft nicht kompensieren, es fehlte ihr an Kreativität im Mittelfeld und insgesamt an Harmonie und Geschlossenheit. Sie hatte auch keinen richtigen Antreiber. Und hätte sich in Teplice nicht wenigstens Marek Jankulovski ein Herz gefasst und mit einer Einzelaktion mustergültig auf den Torschützen Libor Sionko geflankt, dann hätte es nicht einmal im Heimspiel zum Sieg gereicht.“Es fehlt also vor allem an Kreativität und Qualität im Offensivspiel. Wie siehst du demnach die Chancen der tschechischen Mannschaft im weiteren Verlauf der WM-Qualifikation?LM: „Die sind durchaus noch intakt. In diesem Jahr bestreitet die tschechische Mannschaft noch ein Auswärtsspiel in San Marino, das man ohne Wenn und Aber gewinnen muss, denn der Zwergstaat ist der größte Außenseiter in der Gruppe. Dann hätte Tschechien zu den anderen Gegnern in der Tabelle wieder aufgeschlossen. Aber zurzeit ist die tschechische Auswahl kaum in der Lage, Mannschaften wie Polen oder die Slowakei, die von ihrem Potenzial eigentlich hinter ihr stehen sollten, in die Knie zu zwingen. Der jetzige Kader ist dazu offensichtlich nicht in der Lage. Folglich muss ich mich der Meinung von Trainer Rada anschließen: Man muss hoffen, dass Rosický, Polák und Matějovský bald ins Team zurückkehren, man muss dann die Kräfte erneut bündeln und im Frühjahr wie im Herbst die notwendigen Punkte einfahren. In dieser ausgeglichenen Gruppe, in der keine Mannschaft herausragt, ist alles möglich.“