„Gebt uns die Haare zurück!“ – Langhaarige Männer als Opfer von Repressionen
Die kulturelle Bedeutung von langen Haaren bei Männern hat sich in der europäischen Geschichte mehrfach geändert. Ab dem 19. Jahrhundert galten sie nicht mehr als modisch, aber in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts tauchten sie wieder auf. Lange Männerhaare galten als Ausdruck kultureller Unangepasstheit, sowohl im Westen als auch im Osten. Während die Langhaarigen im Westen oftmals schief angesehen wurden, hatten sie es im Osten hingegen weitaus schwerer. Über die Situation der Langhaarigen in der Tschechoslowakei der 60er Jahre wurde nun erstmals eine wissenschaftliche Studie verfasst.
„Ich wollte wissen, in welcher Gesellschaft unsere Vorgänger aus den 60er Jahren lebten. Denn auf sie haben wir uns in gewisser Weise auch noch in den 80er Jahren bezogen. Wie haben sich diese Leute verhalten, wie haben sie sich selbst gesehen?“
Herausgekommen ist das Buch „Vraťte nám vlasy!“ (auf Deutsch: Gebt uns die Haare zurück!). Pospíšil hat es gemeinsam mit dem Historiker Petr Blažek verfasst. Es erscheint in wenigen Tagen. Der Titel geht auf eine Parole von Demonstranten zurück. Im September 1966 protestierten sie in Prag gegen staatliche Repressionen gegen Langhaarige.Dies war eine Reaktion auf Polizeizugriffe wenige Wochen zuvor, bei denen landesweit über 4000 Langhaarige, vor allem junge Männer, verhaftet wurden. Hunderten wurde gewaltsam der Kopf geschoren, Tausende mit Geldstrafen belegt. Pospíšils Studie geht aus von den Akten der damaligen Sicherheitspolizei sowie staatlicher und kommunaler Behörden, in denen repressive Maßnahmen gegen Langhaarige dokumentiert sind.
„Da hieß es dann: ‚Schaut, das ist eine ernste Gefahr. Diese Leute scheuen sich vor der Arbeit, sie sind dreckig und verbreiten Krankheiten, sie haben keinen Respekt.’“
Pospíšil betont jedoch, dass hinter den Aktionen gegen Langhaarige nicht nur die Staatsmacht stand. Breite Schichten der Bevölkerung, vor allem der älteren Generationen, trugen die Repressionen bereitwillig mit oder stimmten zumindest stillschweigend mit ihnen überein.Unzählige Langhaarige wurden der Schule verwiesen oder entlassen. Sie wurden in Restaurants nicht bedient oder es wurde ihnen der Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln verweigert. Ähnliche Repressionen gab es auch in anderen Staaten des ehemaligen Ostblocks. In der Tschechoslowakei waren sie allerdings härter und straffer organisiert. Dauerhaften Erfolg hatten sie indes nicht, aber nicht nur weil einmal abgeschnittene Haare wieder nachwachsen. Der Grund war im Osten derselbe wie im Westen, sagt Pospíšil:
„Junge Leute ecken zu jeder Zeit in jeder Gesellschaft an und suchen ihre eigenen kulturellen Werte, die nicht im Einklang mit denen ihrer Eltern stehen.“