Gegenwärtige Musik auf dem "Prager Frühling"
Von Marketa Maurova.
In ein arges Dilemma geraten die Anhänger der modernen und gegenwärtigen Musik, wenn sie sich das Programmangebot der Musikfestspiele "Prager Frühling" für diese Tage anschauen. Gleich mehrere Veranstaltungen bieten sich für Sie zum Besuch an.
Am Donnerstag ist ein Konzert im Rudolfinum dem tschechischen Exilkomponisten Karel Husa gewidmet. Das Prager Kammerorchester ohne Dirigenten spielt sein "Porträt für Streichorchester", das Arthur Honegger gewidmet wurde. Der Komponist sagte dazu während einer Pressekonferenz in Prag:
"Das Porträt entstand im Jahre 1953, als ich Honegger noch persönlich begegnet bin. Ich wollte etwas für ihn schreiben, weil er mein Lehrer war, und ich habe ihn als Menschen verehrt. Man findet darin die Töne A, H, E, zweimal G, E, und R, dabei habe ich "re" aus dem Lateinischen genutzt."
Das Festival setzt auch die Tradition der Aufführung der Streichquartette des 20. Jahrhunderts fort. Nach Hába, Hindemith, Schönberg, Bartók und Janácek erlebt nun der Gegenwartsautor Jan Klusák die komplette Aufführung seiner Streichquartette. Er selbst bezeichnete dieses Genre als einen Seismograph der menschlichen Seele, das besonders in Mitteleuropa sehr gut gedeihe. Auf dem Festival erklingt zudem die Uraufführung seines letzten Opus, das für Streichquartett und Sopran geschrieben wurde. Die Vertonung der Verse von Guillaume Apollinaire hat Klusák für die Sängerin Vanda Tabery geschrieben.Im Spanischen Saal der Prager Burg stellt sich der in New York lebende Komponist tschechischer Herkunft, Petr Kotik, vor. "Briefe an Olga" heißt sein Werk für Erzähler und Orchester, das 1988 auf Bestellung eines deutschen Festivals entstand. In Tschechien wurden sie 1990 zum ersten Mal aufgeführt. Diesmal wird man die neue Version hören können, in der fünf Erzähler auf zwei reduziert wurden. Ursprünglich plante der Autor die Vertonung einer Kollage aus Zeitungsartikeln. Während der Arbeit kamen ihm jedoch Zweifel an diesen Texten und in jenem Augenblick bekam er die "Briefe an Olga" in die Hand, ein Buch der Briefe, die der damalige Dissident und heutige Präsident Vaclav Havel aus dem Gefängnis an seine Gattin Olga schrieb.
"Ich habe nicht das ganze Buch vertont. Ich habe dem Text nur Ausschnitte entnommen. Mich hat vor allem die Mannigfaltigkeit dieses Textes inspiriert - von den philosophischen Betrachtungen bis zu den alltäglichen Kleinigkeiten."
Präsident Havel versprach, das Konzert persönlich zu besuchen. Er äußerte seine Freude darüber, dass er, der sich in Bezug auf die Musik taub fühle, zu einem der Autoren geworden ist, die auf den Musikfestspielen Prager Frühling aufgeführt werden.