Geschichte der Prager Friedhöfe
Friedhöfe und Prag sind in weitestem Sinne ein kulturhistorisches Thema. Konzentrierte Geschichte und Kultur sowie die Lebensverhältnisse der Prager spiegeln sich auf den Friedhöfen wider, die man zugleich als die größten Grünanlagen in Prag, aber z.T. auch als Open-Air-Galerien und Museen betrachten könnte. Mehr über die Geschichte der Prager Friedhöfe erfahren Sie im folgenden Spaziergang durch Prag von Martina Schneibergova.
Ähnlich wie andere europäische Städte waren die mittelalterlichen Prager Städte mit einer Stadtmauer umgeben. Bis zum 18. Jahrhundert waren die innerhalb der Stadtmauer errichteten Friedhöfe immer einer Kirche angeschlossen. Dies galt selbstverständlich nicht für jüdische Friedhöfe. Gemeindefriedhöfe entstanden immer in der Nähe der Kirchen, so dass fast jede Kirche über einen Friedhof verfügte. Vor den hussitischen Kriegen gab es in den Prager Städten an die 135 Kirchen, davon 44 Pfarr- und 25 Klosterkirchen sowie 66 andere Kirchen und Kapellen.
1770 gab es in Prag bereits 171 Kirchen bzw. Klöster. Auf dem Gebiet der Altstadt waren bis zur Durchführung der von Josef II. angeordneten Reformen 18 Kirchen von Friedhöfen umgeben. Auch wenn in keiner der historischen Prager Städte - ein Friedhof erhalten blieb (die einzige Ausnahme stellt der alte jüdische Friedhof dar), kann man sich den Friedhof anstelle der heute bei Kirchen errichteten Gärten vorstellen. Bei einigen Prager Kirchen sind entweder die ursprüngliche Friedhofsmauer oder einige Grabsteine erhalten geblieben - wie z. B. beim Hl. Heinrich oder Hl. Stephan.
Hervorragende Persönlichkeiten wurden oft in den Kirchen bestattet. Dies betraf nicht nur Könige, Adelige und kirchliche Würdenträger, sondern manchmal auch hohe Beamte, Offiziere, Universitätsprofessoren oder Bürgermeister. Die bedeutendste Grabstätte dieser Art stellen die Kirchen auf der Prager Burg dar. Die Gruft der böhmischen Könige befindet sich im Veitsdom, in der St. Georgkirche findet man z. B. das Grab der böhmischen Landespatronin - der Hl. Ludmila. In der Theynkirche unweit des Altstädter Rings wurde der namhafte dänische Astrologe Tycho de Brahe bestattet. Als Grabstätten dienten oft auch die Krypten der Kirchen - wie in der St. Galluskirche in der Altstadt oder auch in der Maria-Victoria-Kirche auf der Kleinseite. Bestattungen in den Kirchenkrypten wurden 1782 von Josef II. verboten.
Die schlechten hygienischen Bedingungen der mittelalterlichen Friedhöfe, die sich inmitten der Städte befanden, trugen zur Verbreitung von Epidemien bei. Aus diesem Grund begann man Friedhöfe außerhalb der historischen Prager Städte zu errichten. Die Pestepidemien von 1680 und von 1713-1715 waren für die Errichtung der Pestfriedhöfe in der Gemeinde Olsany ausschlaggebend - des Altstädter Friedhofs bei der noch heute erhaltenen St. Rochus-Kirche und des Neustädter Friedhofs bei der einstigen Kreuzkirche, beide im heutigen Stadtteil Zizkov.
Unweit des zuletzt genannten Friedhofs wurde auch ein jüdischer Friedhof errichtet - dieser jüdische Friedhof ist bis in die fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts erhalten geblieben, während des kommunistischen Regimes wurde er jedoch zerstört und an seiner Stelle entstand ein Park. Im vergangenen Jahr wurde um den renovierten Friedhof eine neue Mauer gezogen und mehrere Grabsteine wurden restauriert. In der Zeit der erwähnten Pestepidemien wurde nicht nur der heutzutage größte Prager Olsany-Friedhof, sondern auch der Kleinseitner Friedhof errichtet. (Auch wenn er den Namen Kleinseitner trägt, liegt er auf dem Gebiet des Stadtteils Smichov - heute im fünften Prager Stadtbezirk.) Seit 1884 gibt es dort keine Bestattungen mehr. Die geheimnisvolle Atmosphäre des inzwischen verwachsenen und verwüsteten Friedhofs trug zur Entstehung verschiedener Schauergeschichten bei.
Der "Klub für das alte Prag" machte sich um die Bewahrung des aus historischer sowie kunsthistorischer Sicht einzigartigen Friedhofs verdient. Mehrere namhafte Persönlichkeiten des tschechischen Kulturlebens - darunter z.B. der Maler Max Svabinsky und der Schriftsteller Alois Jirasek - setzten sich 1916 mit einer Petition für die Bewahrung des Kleinseitner Friedhofs ein. In den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden trotz Protesten die nördliche Friedhofsmauer und die 1703 erbaute St. Rochus-Kapelle abgerissen. Wegen der vielen künstlerisch wertvollen Grabmälern gilt der Friedhof heute als wichtige Sehenswürdigkeit. Da dort insbesondere viele hervorragende Persönlichkeiten aus der Zeit der sog. "nationalen Wiedergeburt" bestattet wurden, wird er manchmal auch als "Friedhof der tschechischen Wiedergeburt" bezeichnet.
Für eine tiefgreifende Reform des Bestattungswesens sorgte Josef II. - viele Prager Friedhöfe bekamen seine Reformen zu spüren. Zuerst wurden 1782 Bestattungen in Kirchenkrypten verboten. Im selben Jahr sowie in den folgenden Jahren wurden in Prag allmählich 17 Männer- und 6 Frauenklöster und Kapellen sowie 5 Kirchenspitäler aufgehoben. 1784 wurde eine Reform der Bestattungszeremonie erlassen. Nach den negativen Reaktionen auf diesen Erlass wurde die Reform 1785 wieder rückgängig gemacht. Warum hatte die Reform so negative Reaktionen hervorgerufen? Sie verlangte, den Verstorbenen nicht in einem Sarg, sondern nackt in einem Sack zu bestatten. Diese unwürdige Bestattungsweise war für die Öffentlichkeit unannehmbar.
Für die Entstehung neuer Prager Friedhöfe war das Hofdekret vom 23. August 1784 ausschlaggebend, mit dem alle städtischen Friedhöfe sowie Grüfte in Kirchen und Klöstern beseitigt wurden. Ein Friedhof durfte künftig ausschließlich auf "trockenem Boden" errichtet werden. Nach dem Verbot der Bestattungen bei den Pfarrkirchen wurden1786 neue Friedhöfe hinter der Stadtmauer errichtet.
Von nun an wurden die bis dahin nur als Pestfriedhöfe genutzten Friedhöfe hinter der Stadtmauer neu genutzt. Neben den bereits erwähnten Friedhöfen von Olsany und dem Kleinseitner Friedhof war es auch der evangelische Friedhof in Karlin sowie zwei Militärfriedhöfe - der eine in Karlin und der andere in der Nähe des Strahover Tors.
Auch weiterhin fanden Bestattungen auf dem Friedhof von Vysehrad und kurze Zeit auch noch auf dem jüdischen Friedhof von Josefov statt. Gemäß dem Dekret von 1782 wurden bei Kirchen errichtete Friedhöfe aufgehoben. Andere Friedhöfe verschwanden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Gemeinsam mit der Entwicklung der Prager Vorstädte und nachdem die Stadtmauer abgerissen worden war, entstanden vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts neue Friedhöfe - z. B. 1876 der Malvazinky-Friedhof im Stadtteil Smichov oder 1885 der Gemeindefriedhof der Königlichen Weinberge - der heutige Friedhof von Vinohrady.
Nach der Erweiterung einiger Friedhöfe - vor allem derjenigen von Olsany - wurden andere Friedhöfe nicht mehr genutzte oder überfüllte Friedhöfe geschlossen. Diese Friedhöfe sind jedoch - wenigstens teilweise - bis heute erhalten geblieben und stellen bedeutende Kulturdenkmäler dar - wie der bereits erwähnte Kleinseitner Friedhof.
Dank dem Gesetz über Groß-Prag aus dem Jahr 1920 wurden einige Gemeinden mit Friedhöfen der Hauptstadt angeschlossen. Weitere Dörfer wurden auch 1968 und 1974 eingemeindet. Heutzutage sind in Prag 68 Friedhöfe in Betrieb.
Miteingerechnet ist jedoch nicht der private Friedhof der Tiere, wo nicht nur Hunde, sondern manchmal auch Urnen mit Asche von deren Besitzern bestattet werden. Auf dem im Stadtteil Bohnice vor kurzem errichteten Friedhof findet man auch kuriose Grabmäler. Die Gräber erinnern aber an kleine Gärten, sind mit weißen Zäunen versehen und mit vielen Blumen geschmückt.