Gespräch mit dem Politologen Zdenek Zboril

New York am 11. 9. 2001

Von Silja Schultheis.

Im Vorwort zu der nächsten Ausgabe der Zeitschrift "Internationale Politik", die vor den Anschlägen entstanden ist und sich derzeit im Druck befindet, schrieb Zboril den prophetischen Satz: "Die Vereinigten Staaten sind nicht nur der Hegemon in der Weltpolitik, der alle Probleme irgendwie lösen kann, sondern einige ihrer sicherheitspolitisch ungelösten Probleme können sich auch gegen sie wenden und auf ihre Innenpolitik auswirken." Die Zeitschrift hat die gestern entstandene Situation also sozusagen vorher gesehen.

Radio Prag fragte den Politologen Zdenek Zboril, Chefredakteur der Zeitschrift "Internationale Politik", welche Auswirkungen die Ereignisse in den Vereinigten Staaten möglicherweise auf die tschechische Außenpolitik haben:

"Ich denke, dass die erste unmittelbare, und sofort sichtbare Auswirkung ist, dass sich die tschechischen Politiker ungeachtet ihrer Streitigkeiten und Rivalitäten bewusst gemacht haben, dass wir Verbündete der Vereinigten Staaten, dass wir durch die Nordatlantische Allianz mit dem Schicksal der amerikanischen Bürger verbunden sind, dass es auf der Welt Dinge gibt, die wesentlich schwerwiegender sind als irgendein Streit darüber, wer welche Innenpolitik macht. Bereits in den gestrigen Fernsehdiskussionen wurde dies deutlich, als Politiker deutlich zum Ausdruck gebracht haben, dass es Dinge gibt, bei denen eine klare Übereinstimmung zwischen allen politischen Kräften herrscht. Das ist nicht wenig für unsere zerstrittene Gesellschaft, sondern im Gegenteil ein ziemlich schöner Erfolg."

Ich fragte Herrn Zboril, ob er es für möglich halte, dass auch die Tschechische Republik Opfer von Terroranschlägen werden könne?

"Selbstverständlich. Denn diese terroristischen Anschläge haben keine Logik. Ihr erstes Ziel ist offensichtlich die Einschüchterung. Prag ist auf der Weltmappe. Es handelt sich dabei um eine Stadt, die jährlich von ca. 70 Mio Touristen besucht wird und allgemein bekannt ist. Warum sollte es nicht Ziel eines ähnlichen Anschlags werden können? Wenn die Prager Burg die Zielscheibe wären, wäre der Gruppe, die den Anschlag verübt, weltweite Popularität garantiert."

Die Auffassung einiger Journalisten, dass sich ab Dienstag das Leben auf der Welt verändert hat, kommentierte Zboril folgendermaßen:

"Ich glaube, dass die Weltöffentlichkeit erst aufgrund der Ereignisse am Dienstag die Tatsache zur Kenntnis genommen hat, dass sich das Leben auf dieser Welt bereits in den gesamten 90er Jahren deutlich geändert hat. Jetzt musste erst ein solcher Moment kommen, der dazu führte, dass die Menschen sich dies vergegenwärtigen. Nachrichten und Analysen lesen wir ständig. Aber erst, wenn wirklich etwas passiert, machen wir uns bewusst, dass das wirklich eine reale Sache ist, die alle von uns bedroht."