Gestiegene Wertschöpfung macht Euroregion Neiße zu attraktivem Reiseziel

Oberlausitz-Niederschlesien

Der frostige Winter ist auf dem Rückzug und die Märzsonne kündigt bereits den Frühling an. Der Wechsel der Jahreszeit hat auch wirtschaftliche Konsequenzen. Reiseunternehmen stehen jetzt zum Beispiel am Beginn einer neuen Hauptsaison. Dazu gehört die sächsische Tourismusbranche, die sich erst kürzlich in Prag vorstellte. Bei dieser Gelegenheit hat Lothar Martin mit dem Geschäftsführer der Marketing-Gesellschaft Oberlausitz-Niederschlesien, Holm Große, gesprochen.

Holm Grose  (Foto www.upce.cz)
Die Vertreter der sächsischen Tourismusbranche waren mit einem großen Rucksack an neuen Angeboten nach Prag gekommen. Angebote, die aufgrund der stark gestiegenen Nachfrage seitens der tschechischen Gäste in Sachsen entstanden sind, erläutert Holm Große:

>„Es gibt ja zwei Aspekte. Zum einen ist es der Aspekt, dass natürlich viele Tschechen zu Tagesausflügen nach Sachsen kommen. Sie besuchen vor allem die Regionen Sächsische Schweiz und Oberlausitz, aber auch die Städte wie Dresden, Bautzen, Görlitz und Zittau – Tendenz steigend. In den letzten Jahren haben wir einen deutlichen Zuwachs von Tagestouristen, aber ebenso einen Zuwachs bei den Übernachtungstouristen von 50 Prozent. In der Oberlausitz betrug er im vergangenen Jahr sogar 53 Prozent. Das ist ein deutliches Zeichen, dass man nicht nur eine Freizeiteinrichtung aufsucht oder zum Shoppen in die Stadt kommt, sondern den Besuch verbindet mit Aktivitäten wie Wandern, Radfahren oder aber kulturellen Erlebnissen verschiedenster Art.“

Die fortlaufende Zunahme des nahe liegenden Grenztourismus ist aber nur die eine Seite der Medaille, bedeutet mir Große und fährt fort:

Oberlausitz-Niederschlesien  (Foto www.special-voyages.de)

„Diesen Trend wollen wir fortsetzen. Auf der anderen Seite wollen wir natürlich auch schauen, dass wir uns als europäische Region insgesamt bekannter machen. Das heißt, hier im Dreiländereck Tschechien – Deutschland – Polen wollen wir gemeinsam ein attraktives Reiseziel für Gäste aus ganz Europa werden. Und da gibt es einige Produkte, wo das bereits gelingt. Für uns ist zum Beispiel die Via Sacra, die Straße der sakralen Bauten, ein Projekt, das ganz stark dazu beigetragen hat, dass in den Städten und entlang der Klöster ein deutlicher Zuwachs an Übernachtungen stattgefunden hat. Dank der Via Sacra hat zudem eine Internationalisierung stattgefunden. Und ich glaube, das schafft doch Image für diese Euroregion.“

Die positive touristische Entwicklung der Region Oberlausitz-Niederschlesien-Nordböhmen im Dreiländereck ging einher mit einem ebenso erfreulichen Wirtschaftswachstum. Das sei sehr wichtig, da man eine Wertschöpfung nie losgelöst von einzelnen Wirtschaftszweigen, sondern nur in ihrer Gesamtheit erreichen könne, erklärt Große. Einiges dazu beigetragen habe auch seine Marketing-Gesellschaft, die 2002 gegründet wurde und die einzige in Sachsen sei, die sowohl Wirtschaftsförderung als auch Tourismus betreibt, versichert mir der Geschäftsführer:

Via Sacra  (Foto www.oberlausitz.com)

„Was entscheidend ist, seit 2002 ist es gelungen über eine Vielzahl von Investitionen sowohl im Maschinenbau als auch im IT-Bereich, im Bereich der modernen Energien als auch in der Tourismuswirtschaft insgesamt eine Situation zu schaffen, das auch mehr Arbeitsplätze in Gänze zur Verfügung gestellt werden können. Für unsere Region war es ganz einfach das Hauptziel, die Arbeitslosigkeit zu senken. Das ist uns eindeutig gelungen, und zwar von vormals 20 Prozent auf jetzt zehn Prozent. Wir haben eine Wertschöpfungskette erreicht, die zum Beispiel im Tourismus eine Zunahme der Belegschaft auf 9500 Beschäftigte ermöglicht hat. Und dort setzen wir jetzt weiter ein. Wir haben zum Beispiel die Professionalisierung der Internetseiten www.oberlausitz.com soweit vorangetrieben, das wir seit dem vergangenen Jahr durchgängig sechssprachig an Bord sind. Dieser Service gilt für alle Bereiche, egal ob sie nun Informationen zur Wirtschaft, zur Kultur, zum Tourismus oder generell zur Region suchen.“

In seinen Ausführungen verleugnet Große nicht, dass gerade die sprachliche Ausbildung der Beschäftigten in der Gastronomie- und Tourismusbranche Sachsens ein großes Problem war und es vielerorts noch ist. Da habe man weiter Nachholbedarf, gesteht der Geschäftsführer, der ansonsten nicht ohne Stolz auch diese Zahlen präsentiert:

Sachsen  (Foto www.sachsen.de)

„Wir haben seit 2002 ein Plus von elf Prozent bei den Übernachtungen. Das ist für Sachsen überdurchschnittlich. Damit verbunden ist, dass wir zirka 1000 neue Arbeitsplätze geschaffen haben, die unmittelbar im Tourismus oder bei den begleitenden Dienstleistungen wie Bäcker, Handwerker etc. angesiedelt sind. Das Ganze muss natürlich immer mit einer wirtschaftlichen Entwicklung einhergehen, denn in Mitteleuropa wird kein Tourist in eine Region kommen, die de facto ein Museum darstellt. Da denke ich schon, dass wir für uns als Oberlausitz recht stolz sagen können: wir sind von einem No Name, der wir lange Zeit waren, weggekommen und haben mittlerweile eine klare Positionierung gefunden. Daran werden wir weiterarbeiten, und zwar auf verschiedenen Märkten, von denen Tschechien ein ganz wesentlicher ist – sowohl als Partner als auch als Zielmarkt.“

Ich entlasse den Geschäftsführer der Marketing-Gesellschaft Oberlausitz-Niederschlesien aber nicht aus dem Gespräch, ohne ihn zu fragen, ob er mir den touristischen Aufschwung im ostsächsisch-nordböhmischen Grenzgebiet nicht irgendwie belegen könne. Und Große lässt sich nicht zweimal bitten:

Sachsen  (Foto www.sachsen.de)
„Es gibt ein ganz einfaches Beispiel: Durch die gegenseitige Information haben wir im Zittauer Gebirge in den Einrichtungen der Freizeitknüller der Oberlausitz eine Durchschnittszahl von Besuchern aus der Tschechischen Republik, die sich zwischen 15 und 50 Prozent darstellt. Rechnen wir das mal in Umsatz um, dann zeigt sich deutlich, dass anhand solcher Informationen und durch die gute Zusammenarbeit auch die Wertschöpfung wächst. Das Gleiche ist natürlich auch auf der Gegenseite zu spüren, indem auch Touristen aus der Oberlausitz häufig in Nordböhmen zu Gast sind und dort viele Dinge wahrnehmen.“

Abschließend versuche ich, auch noch bei einem heiklen Thema nachzuhaken: der gemeinsame europäische Arbeitsmarkt. Deutschland und Österreich sind bekanntlich die beiden einzigen der älteren EU-Länder, die Tschechien und weiteren der Neu-Mitgliedsstaaten des Jahres 2004 den Zutritt zu ihrem Arbeitsmarkt noch nicht gewährt haben. Sie haben dabei von der bis zu siebenjährigen Übergangsfrist maximal Gebrauch gemacht. Eine Tatsache, die auch Holm Große nicht ganz schmeckt:

„Das ist ein ganz schwieriges Feld. Nichtsdestotrotz gibt es viele interessante Ansätze: wir haben einen Austausch von Fachkräften, wir haben ein Fachkräfte-Marketing-Projekt bei uns ´Zukunft Oberlausitz – Karriere machen am Anfang Deutschlands´, bei dem wir immer wieder versuchen, eine gemeinsame Ausbildung zu erreichen. Wir versuchen auch gemeinsame Praktika anzubieten. Ich sage aber ganz ehrlich: dort ist die Wirtschaft auch ein Schritt weit abhängig von politischen Entscheidungen. Man kann zwar Modelle schaffen, aber man braucht eine Realität auf Dauer – und die haben wir noch nicht für einen gemeinsamen Arbeitsmarkt.“

Aber auch hier spricht die Zeit immer mehr für die Euroregion Neiße. Am 1. Mai nächsten Jahres ist diese Übergangsfrist dann endlich abgelaufen.