Gewerkschafter forcieren Lohnkampf – Arbeitgeber halten dagegen

Josef Středula (Foto: ČTK)

Die tschechische Wirtschaft boomt. Ihre guten Ergebnisse sollten sich noch stärker auch in den Löhnen der Arbeitnehmer widerspiegeln, fordern die Gewerkschaften. Von einer administrativ verordneten Lohnpolitik aber halten die Arbeitgeber nichts.

Josef Středula  (Foto: ČTK)
75 Prozent aller Firmen in Tschechien haben ihren Arbeitnehmern in diesem Jahr die Löhne erhöht. Dabei verbesserten die Beschäftigten ihr Entgelt sehr häufig um fünf und mehr Prozent. Das aber reicht den Gewerkschaften nicht. Auf ihrem Manifestationskongress am Donnerstag in Prag forderte der Chef des Gewerkschaftsdachverbandes (ČMKOS), Josef Středula, daher:

„In vielen Fällen ist es möglich, dass die Lohnsteigerungen noch höher ausfallen könnten. Die meisten Firmen befinden sich im Aufschwung, und wir sind der Meinung, dass dies auch die Arbeitnehmer und deren Familien im Portemonnaie spüren sollten.“

Die zentrale Gewerkschaftsführung hat folglich auf dem Kongress am Donnerstag die Empfehlung ausgesprochen, im anstehenden Tarifkampf eine weitere Lohnerhöhung von acht bis zehn Prozent auszuhandeln. Die Arbeitgeber lehnen eine flächendeckende und rigide Gehaltsaufstockung jedoch ab. Vladimír Dlouhý ist Präsident der Tschechischen Handelskammer:

Foto: Pixabay,  CC0 Public Domain
„Die Gewerkschafter sprechen mitunter in populistischer Weise von einem Hungerlohn. Das ist nicht wahr. Wir wünschen uns auch, dass die Unternehmer die Löhne erhöhen. Doch dies muss auf der Basis der grundlegenden ökonomischen Kennziffern erfolgen, in erster Linie anhand der Arbeitsproduktivität.“

Mit anderen Worten: Die Arbeitgeber wollen, dass die Unternehmen anhand ihrer wirtschaftlichen Situation selbst entscheiden, wann und um wieviel Prozent sie die Löhne ihrer Beschäftigten immer wieder steigern. Ein Diktat nach dem Vorbild der sozialistischen Planwirtschaft lehnen sie ab. Diese Haltung wird grundsätzlich von den konservativen Parteien unterstützt. Die Kommunisten und die Sozialdemokraten wiederum stehen hinter den Forderungen der Gewerkschafter. Auch deshalb, weil die privaten Firmen bei den Lohnzuwächsen mittlerweile schon deutlich hinter denen der Angestellten im öffentlichen Dienst zurückbleiben. So haben sich die Arbeitnehmer in den Betrieben seit dem Jahr 2011 durchschnittlich um 3200 Kronen brutto (ca. 123 Euro) im Monat verbessert. Für den gleichen Zeitraum wurde das Gehalt der Beschäftigten im öffentlichen Dienst jedoch um 5800 Kronen (ca. 223 Euro) monatlich aufgestockt, also um 100 Euro mehr. Das ist letztlich auch auf die Politik des Kabinetts von Premier Bohuslav Sobotka (Sozialdemokraten) zurückzuführen. Der Regierungschef:

Luca Visentini  (Foto: Mellolof,  Public Domain)
„Ich bemühe mich die gesamten vier Jahre meiner Amtszeit darum, dass durch die Regierungspolitik auch Druck auf die Löhne in den Privatunternehmen erzeugt wird. Deswegen haben wir den Mindestlohn mittlerweile um 43 Prozent aufgestockt, und deshalb erhöhen wir jedes Jahr die Gehälter der Angestellten im öffentlichen Dienst.“

Der Druck auf die Arbeitgeber in Industrie und Handel nimmt also weiter zu. Und er kommt mittlerweile nicht nur von innen, sondern auch von außen. Am Kongress in Prag nahmen als Gäste auch führende Gewerkschaftsvertreter aus Deutschland, Österreich und der Slowakei teil. Und sie machten deutlich, dass es unannehmbar und skandalös sei, wenn ausländische Firmen ihren Arbeitnehmern in den jüngeren EU-Mitgliedsländern wesentlich niedrigere Löhne zahlen als denen aus ihrem Herkunftsland. Es sei völlig abwegig, dass internationale Firmen ihren Arbeitnehmern in Tschechien nur 25 Prozent des Lohns von Mitarbeitern zum Beispiel in Deutschland zahlen. Und dass obwohl die Produktivität hierzulande bei 80 Prozent liege. Dies erklärte der Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes (ETUC), Luca Visentini. Und der Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB), Erich Foglar, betonte, es sei an der Zeit, dass die Konvergenz endlich zu einem Ziel der Union werde.

Vladimír Dlouhý  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Diesen Forderungen aber kann Handelskammer-Präsident Vladimír Dlouhý rein gar nichts abgewinnen:

„Unsere Löhne steigen. Doch wenn wir solche Löhne wie in Westeuropa haben wollen, müssen wir auch etwas dafür tun, und es nicht nur herausgrölen.“

Es wird sicher noch eine Zeitlang dauern, bis sich die Löhne in Ost- und Westeuropa näher kommen. Das Signal aus Prag ist jedoch nicht mehr zu überhören: Sollen Lohndumping und soziale Differenzen in der Union verschwinden, muss dieser Weg beschritten werden.