Glaskunst in Tschechien

Im heutigen Kulturspiegel beschäftigen wir uns mit einem Material, das meist durchsichtig ist, farblos oder durch Metalloxide gefärbt ist, bei Raumtemperaturen spröd und kurz vor dem Schmelzen zwischen 800 und 1000 Grad Celsius plastisch formbar ist. Diese Formbarkeit macht sich schon seit Jahrhunderten eine klassische tschechische Handwerkskunst zu nutzen. Am Mikrophon begrüsst Sie Marcela Pozarek.

Böhmisches Glas wartet an allen Ecken in der Prager Innenstadt auf kauffreudige Touristen. Das traditionelle böhmische Glas ist ein beliebter Exportartikel, Aristokraten aus aller Welt lassen sich ihre Vasen in Tschechien blasen und altes böhmisches Glas erzielt auf Aktionen Höchstpreise. Aber Glas ist nicht gleich Glas. Einerseits gibt es den Gebrauchsgegenstand, andererseits handelt es sich auch um eine Kunstrichtung, die in Tschechien an vielen Kunstgewerbeschulen in Glasateliers gepflegt wird. Eine solche Ausbildung hat auch die Galeristin Eliska Stölting absolviert.

Eliska Stölting hat im Jahre 1989 in Hamburg die Glasgalerie Hittfeld gegründet, um in regelmässigen Ausstellungen tschechische Glaskünstler zu präsentieren.

Glas wurde in Tschechien schon im Mittelalter hergestellt, Glaskunst ist eine Erfindung des 20.Jahrhunderts und war während des kommunistischen Regimes verpönt.

Neuerdings hat Eliska Stölting auch Ausstellungsräume in Tschechien und zwar präsentiert sie im nordböhmischen Novy Bor die Arbeiten von Jan Fisar.

Aber machen wir einen kurzen Abstecher in die Geschichte der böhmischen Glaskunst. Zu den bedeutendsten böhmischen Glasereien des vorigen Jahrhunderts gehörte die Glashütte Klastersky Mlyn, Klostermühle bei Susice, wo bereits 1840 Jan Lötz eine Fabrik für Schichtglas und geschliffenes Glas errichten liess. Den Weltruf und die Beliebtheit der Erzeugnisse der Glasfabrik in Klastersky Mlyn beweisen zahlreiche Preise an internationalen Ausstellungen und die Tatsache, dass schon um die Jahrhundertwende drei Viertel der Produktion für das Ausland bestimmt waren - die Firma hatte ihre Filialen in London, Madrid, Wien, Hamburg und Paris. Die Wirtschaftskrise und der Zweite Weltkrieg verursachten den unaufhaltsamen Verfall der Glasherstellung im Böhmerwald. Heutzutage ist böhmisches Glas nach wie vor ein Exportartikel, der aber nicht mehr so ganz das Prestige von anno dazumal geniesst.

Weltausstellungen waren und sind eine gute Möglichkeit die jeweilige Handwerkskunst der verschiedenen Länder zu präsentieren. So setzte man den auch bei einigen Weltausstellungen im tschechischen Pavillon auf Glas, wie Eliska Stölting berichtet.

An der diesjährigen EXPO in Hannover präsentiert sich Tschechien zwar auf traditionelle Weise mit Kreuz-Kappelle und gotischen Madonnen, auf Glas hat man aber verzichtet. Das sei sehr schade, meinte Eliska Stölting bei einem Gespräch mit Radio Prag direkt im tschechischen Pavillon an der EXPO 2000.

Autor: Marcela Pozarek
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