Grabungsfunde werfen neues Licht auf das romanische Prag

Grabungsfunde am Prager Namesti republiky
0:00
/
0:00

Für eineinhalb Jahrhunderte gingen hier nur Soldaten ein und aus, dann stand der Komplex zehn Jahre lang leer. Jetzt soll in den ehemaligen Kasernen am Namesti republiky im Zentrum von Prag ein gigantisches Einkaufszentrum entstehen. Zuvor aber kamen die Archäologen. Am Donnerstag zogen sie eine Bilanz der Grabungen. Thomas Kirschner war dabei.

Ausgrabungen am Prager Namesti republiky
Es waren die größten Grabungen in der Geschichte der tschechischen Archäologie: In den vergangenen zwei Jahren untersuchten Archäologen das Gelände der ehemaligen Georg-von-Podiebrad-Kaserne am Prager Namesti republiky. Nur wenige Schritte vom Pulverturm gelegen, ist der Exerzierhof der Kaserne eine der größten unbebauten Freiflächen in der Innenstadt, zu vergleichen etwa mit dem Altstädter Ring. Die Hoffnung auf unzerstörte Fundzusammenhänge aus älterer Zeit hat sich für die Archäologen mehr als erfüllt, erläutert Zdenek Dragoun, der Leiter der archäologischen Abteilung im Nationalen Denkmalamt.

"Die wichtigste Entdeckung war der Fund von Grundmauern romanischer Bauten. Zuvor haben wir geglaubt, dass die Siedlungsfläche des romanischen Prag bedeutend kleiner war. Hier haben wir die ersten Belege für romanische Bauten auf dem Gebiet der Neustadt - bislang kannten wir solche Gebäude nur aus der Altstadt."

Bedeutendster Einzelfund sind die Fundamente eines steinernen romanischen Palastes aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Sein Schicksal mutet modern an: Als Landvilla außerhalb der Grenzen der Stadt gebaut, fiel er vermutlich schon im 13. Jahrhundert der Urbanisierung zum Opfer und musste den neuen Stadtbefestigungen weichen. Seine Mauern geben auch sensationellen Aufschluss über das ganz alltägliche Leben der ehemaligen Bewohner, erläuert Petr Jurina von der Grabungsgesellschaft Archaia:

Petr Jurina
"Eine große Überraschung haben wir am Ende der zurückliegenden Grabungssaison erlebt, als wir statt eines weiteren Raumes einen kleinen Eckbau gefunden haben, einen so genannten Risalit. Nach unserer ersten Interpretation könnte es sich dabei um eine Abtrittgrube handeln. Das wäre erst der zweite Beleg für eine solche Toilettenanlage im romanischen Prag."

Die besondere Bedeutung der großräumigen Grabungen liegt aber in der Möglichkeit zu einer flächendeckenden Zusammenschau. Die gleichmäßige Ausrichtung der Gebäude zeigt dabei, dass schon in romanischer Zeit in diesem Gebiet eine systematische Bebauung existierte - für die Archäologen eine außerordentliche Überraschung. Die romanischen Funde sollen daher in den Neubau des Einkaufszentrums integriert werden, erklärt Zdenek Dragoun vom Nationalen Denkmalamt.

"Nach Verhandlungen mit den Investoren ist es uns gelungen, zu erreichen, dass die Überreste der romanischen Gebäude konserviert und hier präsentiert werden. Dazu wird es auch Ausstellungen der Fundstücke geben. Die Besucher des Einkaufszentrums werden also auch etwas über die Prager Vergangenheit erfahren können."

Fotos: Autor