Groß, größer, am größten - Zwei Umfragen der Superlative

0:00
/
0:00

Am vergangenen Wochenende fanden im tschechischen Fernsehen zwei Umfragen beachtlichen Ausmaßes statt. Sowohl für die Entscheidung, wer als größter Tscheche gilt, als auch für die Entscheidung, wer als tschechischer Superstar das Rennen macht, waren die Stimmen der Fernsehzuschauer gefragt. Theresa Baier und Sara Bartholome berichten.

Während nicht nur in Deutschland, sondern auch in Tschechien immer weniger Menschen zu den politischen Wahlen gehen, breitet sich im Bereich der Medien geradezu ein Abstimmungswahn aus. Beispielhaft hierfür ist die weltweit bekannte und äußerst populäre Show "Super Star", die auch im tschechischen Fernsehen läuft. Aber auch andere Unterhaltungssendungen fordern das Publikum zur Abstimmung auf, so zum Beispiel die Umfrage nach dem "Größten Tschechen", dem "Nejvetsi Cech".

Während die Sendung "Tschechien sucht den Superstar" von dem kommerziellen Sender NOVA ausgestrahlt wurde, konnte man den "Größten Tschechen" hingegen auf dem öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramm CT 1 verfolgen. Um sich nicht gegenseitig das Publikum wegzunehmen, zeigten die Sender die jeweilige Entscheidungssendung an verschiedenen Abenden. Schon in den letzten Monaten konnten die Zuschauer per Internet, Telefon, SMS oder Post ihren Favoriten für den "Größten Tschechen" wählen. Eine satte dreiviertel Million Menschen stimmten insgesamt mit ab. Auf der Suche nach den Favoriten einzelner Leute haben wir uns für Sie auf der Straße umgehört:

"Masaryk sollte Erster sein!" "Dass sie diese drei ausgesucht haben, damit bin ich sehr zufrieden." "Ich persönlich hätte dort natürlich gern Frantisek Palacky gesehen, weil er meiner Meinung nach der größte Tscheche des 19. Jahrhunderts war, aber ich respektiere die Meinung der Öffentlichkeit."

Palacky - wer war das schnell wieder? Frantisek Palacky war im 19. Jahrhundert, zur Zeit der so genannten Nationalen Wiedergeburt, ein bedeutender Literaturwissenschaftler, der sich für die Entwicklung der tschechischen Sprache und Kultur eingesetzt hat.

Natürlich gab es verschiedene Meinungen über den Größten Tschechen, doch letztendlich entschied die Mehrheit. Und nun die Auflösung: den dritten Platz belegte Vaclav Havel, als Zweiter machte Tomas Garrigue Masaryk das Rennen, und der Sieger der Fernsehumfrage war Karl IV. Aber wer genau waren eigentlich diese Drei? Das verrät uns Theresa Baier.

Als böhmischer König bzw. deutsch-römischer Kaiser war Karl IV. der bedeutendste Herrscher des späten Mittelalters. Er machte das böhmische Königreich zum Zentrum des damaligen Europas und verhalf ihm zum politischen und kulturellen Aufschwung, wie ihn das Land zuvor noch nicht erlebt hatte. So verdankt ihm Prag unter anderem die Karlsuniversität und die Karlsbrücke.

Tomas Garrigue Masaryk symbolisiert als 1. Präsident der tschechoslowakischen Republik deren Demokratie und Unabhängigkeit. Sein ungewöhnlicher Name geht übrigens auf dessen Ehefrau Charlotte Garrigue zurück.

Der Politiker, Dramatiker und Schriftsteller Vaclav Havel verkörpert den Sieg der Demokratie über den Kommunismus. Einst Dissident und politischer Häftling, war er später zunächst Oppositionsführer bevor er `89 zum Präsidenten der damaligen CSSR gewählt wurde.

Parallel zur Fernsehsendung ist am Wochenende auch ein Buch mit dem gleichnamigen Titel "Nejvetsi Cech", "Der Größte Tscheche" erschienen. Theresa Baier sprach im Vorfeld mit einem der 28 Autoren, dem Historiker Petr Cornej, über Sinn und Zweck der gesamten Aktion:

"Meiner Meinung nach, handelt es sich bei der ganzen Aktion um eine äußerst nützliche Umfrage, die Aussagen über den Stand des kulturellen und historischen Bewusstseins der Gesellschaft trifft", so der Autor Petr Cornej.

Das Buch beinhaltet die Porträts der einer Umfrage zufolge hundert bedeutendsten Persönlichkeiten Tschechiens und ist für eine breite Leserschaft konzipiert. Es richtet sich gleichermaßen an Schüler wie an all diejenigen, die sich für die tschechische Geschichte und Gegenwart interessieren.

Und davon wird es wohl nicht wenige geben. Zahlreich waren aber auch die Stimmen, die vehement für die fiktive Person Jara Cimrman plädierten. Doch er war ihm nicht gegönnt - der Titel des Größten Tschechen. Und das obwohl diese populäre Kultfigur das Rennen gemacht hätte - zumindest den Stimmen der Fernsehzuschauer zufolge, von denen etwa 40.000 Jara Cimrman wählten. Doch wie kam es dazu, dass so viele Tschechen für ihn abgestimmt haben? Hierzu befragten wir einen jungen Mann:

"Es würde sich die Antwort anbieten, dass die Tschechen Humor haben - dem stimme ich zu. Aber meiner Meinung nach handelt es sich im Grunde um die Aktivität einiger Menschen, welche die Möglichkeit hatten, mit Hilfe der Medien eine breite Gruppe von Leuten zu beeinflussen. Egal, ob es nun um Jara Cimrman oder zum Beispiel um den Comic-Hund Maxipes Fik geht."

Ende der 60er Jahre entstand die Phantasiefigur Jara Cimrman vorerst in den Köpfen der beiden Autoren Zdenek Sverak und Ladislav Smoljak, und sollte in den nächsten Jahrzehnten auch in den Köpfen vieler anderer Tschechen heranwachsen - mal als Erfinder, mal als Künstler, aber Musiker soll er auch gewesen sein. Die "Schiedsrichter" der Sendung "Der Größte Tscheche" jedoch haben das Universalgenie verkannt und ihn aufgrund seiner nur fiktiven Echtheit aus dem Wettbewerb ausgeschlossen - was nicht gerade auf Zuspruch in der tschechischen Bevölkerung stieß, denn diese lässt sich keine Möglichkeit entgehen, ihren Humor unter Beweis zu stellen. Nach Meinung des beim Publikum beliebten Moderators Marek Eben, zeigt das Ergebnis, dass die Tschechen im Gegensatz zu anderen Völkern ihre Heimat mit weniger Stolz betrachten.

Gesprächsstoff für zahlreiche Debatten und Spekulationen sowohl in den Medien, als auch im privaten Umfeld, lieferte in den vergangenen Monaten nicht nur der "Größte Tscheche", sondern auch die Wahl zum tschechischen Superstar.

Vlasta Horvath
Weltweit erfolgreich ist diese Sendung, die auf dem im Jahre 2001 entstandenen britischen Konzept des "Pop Idol" basiert. Bei diesem Talentwettbewerb werden die Teilnehmer unter anderem nach den Kriterien Gesang, Outfit und Auftreten bewertet. Das Format hat zahlreiche Auszeichnungen gewonnen und wurde 2004 erweitert auf die Suche nach dem Welt-Popstar. Diese Sendung ist bereits in mehr als 20 Ländern produziert worden, die ihren landesweiten Superstar auserkoren haben.

Auch in Tschechien zeigt die Sendung beträchtlichen Erfolg. In diesem Jahr wurde hierzulande schon zum zweiten Mal das Pop-Idol gewählt, etwa eine dreiviertel Million Zuschauer gaben ihre Stimmen ab. Die Wahl sollte zwischen zwei jungen Männern entschieden werden. Nun, der 27-jährige Roma Vlastimil Horvath, ist zum tschechischen Superstar gewählt worden. Das Besondere an diesem Ergebnis ist, dass er zu der Minderheit der Roma gehört. Neuesten Umfragen zufolge haben schätzungsweise 63 Prozent der Tschechen eher eine negative Meinung zu den Roma und nur fünf Prozent der Befragten sind den Roma gegenüber positiv eingestellt. Womöglich stellt die Wahl eines Roma zum tschechischen Superstar einen Einschnitt dar, der die spannungsgeladene schwierige Beziehung zwischen Tschechen und Roma etwas lockert. Doch hören Sie nun zum Ausklang selbst, womit der Gewinner der Sendung die Jury und die Zuschauer überzeugte.