Gustáv Husák 1989: die letzte Neujahrs-Ansprache im „Staat des arbeitenden Volkes“

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Am Montag haben wir Ihnen die aktuelle Neujahrs-Ansprache von Václav Klaus präsentiert, vergangene Woche haben Sie Ausschnitte aus der Rede von Václav Havel zum 1. Januar 1990 gehört. In der heutigen Ausgabe unser Sendereihe „Anno dazumal“ drehen wir das Rad der Zeit noch etwas weiter zurück: Hören Sie nun einige Passagen aus der Neujahrs-Ansprache des letzten kommunistischen Präsidenten der ČSSR, Gustáv Husák.

Gustáv Husák,  1. 1. 1989  (Foto: ČTK)
Eines ist gleich geblieben, trotz aller politischer und gesellschaftlicher Umbrüche: Wie heute begann auch im Jahr 1989 die Neujahrsansprache des Staatspräsidenten mit den Fanfaren aus Bedřich Smetanas Oper „Libuše“, einem der Symbole der tschechischen Nation. Doch bereits die Anrede in der Rede von Staatspräsident Gustáv Husák lässt keinen Zweifel, in welcher Zeit wir uns befinden:

„Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, liebe Genossinnen und Genossen. An der Schwelle zum neuen Jahr 1989 grüße ich Sie ganz herzlich im Namen unserer höchsten politischen und staatlichen Organe und auch in meinem eigenen Namen. Ich wünsche Ihnen allen und Ihren Angehörigen, dass Sie dieses Jahr in Gesundheit und Wohlergehen erleben. Auf dass es Ihnen in der Arbeit und im Privatleben gut gehe,“ so Gustáv Husák, der als einziger Slowake Präsident der ČSSR wurde. Dass das gerade angebrochene Jahr 1989 das letzte in seiner politischen Karriere und auch das letzte des „Staates des arbeitenden Volkes“ sein würde, hat Husák zu diesem Zeitpunkt nicht geahnt. Dennoch spricht er von deutlichen Veränderungen, die auf seine Mitbürger im neuen Jahr zukommen werden:

„Das abgelaufene Jahr hat das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei im Dezember auf seiner zwölften Tagung analysiert. Gleichzeitig wurden die Aufgaben und Ziele für das neue Jahr und die weiteren Jahre definiert. Auf dieser Sitzung haben der KP-Generalsekretär, Genosse Miloš Jakeš, und der Vorsitzende der Regierung der ČSSR, Genosse Ladislav Adamec, den im vergangenen Jahr eingeschlagenen politischen Weg ausführlich und kritisch bewertet. Den Weg zum Umbau der Wirtschaft, zur Demokratisierung der Gesellschaft und zur Vervollkommnung des politischen Systems.“

Der wirtschaftliche und gesellschaftliche Umbruch sei eine unausweichliche und irreversible Entwicklung, so Gustáv Husák, der Anfang des Jahres 1989 wohl nicht im Geringsten ahnte, welche Bedeutung diesen Worten einige Monate später noch zukommen würde. Danach wandte sich Husák der Weltpolitik zu. Auch in dieser stünde man vor einschneidenden Veränderungen, betonte der tschechoslowakische Präsident in seiner Neujahrs-Ansprache im Jahr 1989.

Die ČSSR unterstütze die Friedenspolitik der UdSSR und der sozialistischen Bruderstaaten ohne Wenn und Aber, so Husák. Mit besonderer Aufmerksamkeit und Genugtuung verfolge man die von Michail Gorbatschow eingeleiteten Bemühungen zur schrittweisen Abrüstung.

„Wir setzen uns für den raschen Beginn der internationalen Gespräche über eine Reduktion der Truppen und konventionellen Waffen auf unserem Kontinent ein, für ein Verbot der chemischen und eine schrittweise Vernichtung atomarer Waffen. Wir wollen eine verstärkte gesamteuropäische Zusammenarbeit und unterstützen die Einberufung einer Konferenz zur wirtschaftlichen, ökologischen und humanitären Problemen.“

Die bevorstehenden Aufgaben seien zwar alles andere als einfach zu bewältigen, die tschechoslowakische Gesellschaft verfüge aber über die nötige Kraft und Disziplin, um sie erfolgreich zu meistern, gab sich Gustáv Husák am Ende seiner Neujahrs-Ansprache zuversichtlich. Wie sich spätestens im November 1989 zeigte, sollte er Recht behalten. Nur die Richtung der Veränderungen entsprach wohl nicht ganz den Vorstellungen des letzten kommunistischen Präsidenten der Tschechoslowakei.