28. März 1969: Siegesfeier im Eishockey wird zu öffentlichen Protesten gegen sowjetische Besatzer
Vor 55 Jahren fand in Schweden die Eishockey-WM statt, die in der Tschechoslowakei mit besonderem Interesse verfolgt wurde. Die Titelkämpfe im März 1969 wurden nämlich nur sieben Monate nach dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei ausgerichtet. Vor allem wurden die damaligen Siege gegen das sowjetische Team für die tschechoslowakischen Fans etwas ganz Besonderes.
Schon am 21. März 1969 verbreitete sich nach dem ersten Sieg über die UdSSR im ganzen Land eine Welle der Euphorie. Nach dem zweiten Spiel, das die Tschechoslowaken eine Woche später mit 4:3 gewannen, war praktisch die ganze ČSSR auf den Beinen. Es wurde groß gefeiert. Und die Feiern verwandelten sich an mehreren Orten in offene Proteste gegen die sowjetischen Okkupanten.
Ursprünglich sollte die Weltmeisterschaft 1969 in Prag stattfinden. Nach dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen im August 1968 verzichtete die Tschechoslowakei aber auf die WM-Ausrichtung. Um die Medaillen wurde schließlich in Schweden gekämpft. Im März 1969 herrschte in der tschechoslowakischen Bevölkerung eine Atmosphäre zunehmender Resignation. Nicht einmal das Selbstopfer von Jan Palach zu Beginn des Jahres änderte daran etwas. Nur der Nationalsport Eishockey drehte für kurze Zeit die Stimmung. Auch die Spieler trugen dazu bei: Mehrere von ihnen überklebten den kommunistischen Stern im Staatswappen auf ihrem Trikot.
Die Freude über den zweiten Sieg verbreitete sich in den Straßen. An Orten, in denen die Truppen der Besatzer stationiert waren, kam es häufiger zu Konflikten. Höchstwahrscheinlich handelte es sich jedoch um gezielt provozierte Aktionen, die von der tschechoslowakischen Staatssicherheit StB geleitet wurden. Der Geheimdienst stand auch hinter dem größten Konflikt, der sich während der Eishockeyfeiern abspielte. So ließ die StB im Voraus schon Pflastersteine auf den Gehsteig vor der Zweigstelle der russischen Fluggesellschaft Aeroflot auf dem Prager Wenzelsplatz bringen. Und StB-Agenten begannen während der Feiern dann, die Steine in die Schaufenster der Fluggesellschaft zu werfen. Zu der Zeit waren rund 150.000 Menschen auf dem auf dem Platz. Einige von ihnen ließen sich von den Provokateuren mitreißen. Für den Kreml wurde dies zu einem willkommenen Vorwand, um den Druck auf den damaligen ersten Sekretär der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei, Alexander Dubček, zu erhöhen und ihn zum Rücktritt zu bewegen.
Im April 1969 ersuchte Dubček selbst darum, von seinem Posten entbunden zu werden. Er wurde durch Gustáv Husák ersetzt. Damit begann eine neostalinistische Phase, die sogenannte „Normalisierung“.