Hana Scharffová – frühere Deutschlandkorrespondentin des Tschechischen Fernsehens

Hana Scharffová

Die Deutschen haben viel mehr Humor als die Tschechen glauben, meint Hana Scharffová. Sie ist eine Deutschlandkennerin. Nicht nur, dass Hana Scharffová einige Zeit in Deutschland studiert hat, sie hat auch mehrere Jahre lang in Berlin gelebt und das Land als Korrespondentin für das Tschechische Fernsehen bereist. Vor wenigen Monaten ist sie nach Prag zurückgekehrt. Christian Rühmkorf hat die Reporterin in den Hallen des Tschechischen Fernsehens vor das Mikrofon gebeten.

Frau Scharffová, Sie sind Reporterin in der Auslandsberichterstattung beim Tschechischen Fernsehen (ČT). Vor einigen Monaten sind sie aus Deutschland zurückgekehrt. Dort haben Sie über vier Jahre als Korrespondentin für das Tschechische Fernsehen gearbeitet, Sie haben in Berlin gelebt und haben in die tschechischen Wohnzimmer hineinberichtet, was sich so in Deutschland tut, was da vor sich geht. War es für Sie eine Umstellung zurückzukommen nach Tschechien, nach Hause?

Hana Scharffová
„Natürlich. Und zwar eine größere Umstellung als ich es erwartet hatte. Ich habe mich eigentlich schon sehr auf Tschechien gefreut. Deutschland und Berlin habe ich zwar geliebt, aber meine Familie und der breite Freundeskreis sind doch eher hier. Also wollte ich doch ein bisschen früher zurückkommen als es die Redaktion wollte. Und jetzt sehe ich, dass das doch eine Umstellung ist, obwohl das nur 350 Kilometer weit weg ist.“

Was ist das Schwierigste?

„Besonders die Arbeit. Meine Arbeit in Deutschland war extrem interessant und auch extrem anstrengend. Man ist immer in Bewegung, man ist immer unterwegs, man trifft sehr viele sehr interessante Menschen, aber man hat fast keine Zeit für das Privatleben. Und jetzt ist das umgekehrt, jetzt habe ich viel mehr Zeit, aber die Arbeit ist nicht mehr so spannend wie es in Deutschland war. Ich möchte nicht sagen, dass meine Arbeit nicht spannend ist, aber dort war es trotzdem ein bisschen lebendiger und vielfältiger.“

Sie sind in Karviná geboren, in Prag aufgewachsen. War der Journalismus von Anfang an Ihr Ziel?

„Absolut nicht. Als ich Wirtschaft, internationale Beziehungen und Diplomatie studiert habe, wusste ich noch nicht ganz genau, wo mein Weg weitergeht. Aber dann habe ich als Studentin die deutschen Korrespondenten von der ARD in Prag getroffen, habe dort als Studentin auch mitarbeiten dürfen. Und das war etwas sehr Interessantes für mich. Da habe ich gesehen: Das ist vielleicht die Arbeit, die ich mal gerne machen würde.“

Als Korrespondentin für das Tschechische Fernsehen in Berlin – ist das eigentlich ein Traumjob unter den Kollegen bei Česká televize, beim Tschechischen Fernsehen? Oder ist das eher so etwas wie ein Wartesaal für etwas Besseres?

„Nein, nein, das ist der Traumjob, und eigentlich gilt: Wenn man den Job früh bekommt, dann kommt die Frage, was man danach noch tun kann. Das ist tatsächlich ein Traumjob, weil man sehr viel selbst bestimmen kann. Man kann die Themen auch in einem großen Rahmen auswählen und man ist im Terrain sozusagen. Man trifft die Menschen, man spricht mit ihnen. Ansonsten werden viele Nachrichten heutzutage aus Agenturmeldungen gemacht. Und von daher ist das tatsächlich ein Traumjob. Aber man muss auch damit rechnen, dass es ein Job ist, der nie endet. Das beginnt vielleicht mit einer Morgensendung um sechs Uhr und endet abends um elf, dann bereitet man noch die Themen für den nächsten Tag vor. Und ich muss sagen: Als ich in Berlin als Studentin war, habe ich viel mehr von den deutschen Klubs und der Kultur kennen gelernt als zu meiner Zeit als Korrespondentin, weil man ständig am Arbeiten ist.“

Ich frage das mit dem Traumjob deshalb, weil Deutschland eigentlich für Tschechen – so wie ich es hier immer wahrnehme – nicht das Traumland ist. Es ist weder die Traumsprache noch das Traumland, und die Menschen sind vielleicht auch nicht, was man als besonders beliebt hier in Tschechien bezeichnen könnte. Das war meine Überlegung.

„Es gibt immer noch viele Stereotypen und vielleicht auch Vorurteile in der Bevölkerung, was Deutschland angeht. Die hatte ich nicht als ich nach Deutschland ging, wie das nicht das erste Mal war. Aber ich hatte eine andere Befürchtung: Deutschland ist eigentlich sehr ähnlich. Und ich habe ein bisschen befürchtet, dass die Reportagen nicht interessant sind, wenn das Land und die Menschen so ähnlich sind. Aber es hat sich gezeigt – und das freut mich auch sehr – dass man trotzdem viele Verschiedenheiten, viele Kuriositäten und auch viele andere Lebensweisen oder Lebenseinstellungen finden kann. Und Deutschland ist ein extrem vielfältiges Land, was die Landschaft angeht, aber auch was die Mentalität der Menschen angeht. Deutsche sind sehr inhomogen – im Norden sind die Menschen ganz anders als in Bayern. Im Westen und im Osten gibt es immer noch große Unterschiede. Und darüber habe ich versucht zu berichten und hoffentlich ist das gelungen. Nach meiner Rückkehr nach Tschechien haben jedenfalls viele, viele Menschen Mails geschrieben: ´Ihre Reportagen waren interessant´. Und das hat mich so gefreut, dass ich Deutschland vielleicht wieder ein bisschen anders vorstellen durfte. Das ist schon etwas sehr Positives, was ich hierher nach Tschechien mitgebracht habe.“

Sie haben jetzt auch über Gemeinsamkeiten gesprochen – wo sehen Sie denn eigentlich den größten Unterschied zwischen Tschechen und Deutschen?

„In Deutschland habe ich gesehen, dass wenn die Menschen irgendeine Lebenseinstellung haben oder eine Lebensphilosophie oder an eine Lebensphilosophie oder auch Ideologie glauben, dann ist das ein fester Glaube. Das heißt zum Beispiel: Solche Marxisten wie in Deutschland habe ich in Tschechien nie gesehen (lacht). Und das gilt auch für andere Strömungen natürlich. Also Rechts und Ultrarechts, das gibt es sowohl in Deutschland als auch in Tschechien. Aber wenn sich jemand in Deutschland für die Natur einsetzt, dann macht er das mit seinem ganzen Leben. Und ich glaube, die Tschechen sind etwas mehr Skeptiker. Die setzen sich auch für verschiedene Einstellungen ein, aber mit einem so großen Einsatz wie die Deutschen.“

Wie sieht das aus im Journalismus? Arbeiten deutsche Journalisten etwas anders als tschechische? Muss das Produkt etwas anders sein? Sie haben ja eng zusammengearbeitet auf Pressekonferenzen usw. in diesem deutschen journalistischen Umfeld.

„In Tschechien hat nach der Wende eine Generation von unabhängigen, erfahrenen Journalisten gefehlt. Aber zum Glück wird das besser, es entwickelt sich auch unsere Branche, und es gibt in Tschechien genauso gute Profis wie in Deutschland. Aber es gibt doch einen kleinen Unterschied: In Deutschland kann man oft gut erkennen, welche Richtung die einzelnen Zeitungen haben, ob sie eher recht oder links oder anders orientiert sind. Und das ist noch ein Unterschied, den es zwischen Deutschland und Tschechien gibt. Hier sagt keine Zeitung über sich ´Wir sind eine linke Zeitung´. Das ist bei uns nicht so im Kurs.“

Haben sie ein Herzblutthema gehabt, das Sie in Deutschland bearbeitet haben, eine Reportage, bei der Sie dachten: Wow – das ist jetzt wirklich etwas Neues für mich und etwas Neues für die tschechischen Zuschauer?

„Ich habe immer versucht, nicht nur über die Themen, die sich immer wiederholen, zu berichten. Das war eine schwierige Aufgabe. Ich kann mich gut erinnern: Auch in der ARD in Prag gab es eigentlich eine Nachfrage nach bestimmten Themen, die sich immer wiederholen. Und so etwas hatten auch meine Vorgänger als Korrespondenten in Deutschland. Es gab immer wieder das Thema Sudetendeutsche, immer wieder das Thema Zweiter Weltkrieg usw. Und ich habe gezielt versucht: Wenn man über diese berichtet, dann auch aus einem anderen Blickwinkel. Und natürlich wollte ich auch neue Themen entdecken. Das war zum Beispiel der Humor. Die Tschechen wussten überhaupt nicht – oder zumindest viele wussten nicht – dass man in Deutschland viel Humor finden kann. Ich habe eine Reportage über Wilhelm Busch und Max und Moritz gemacht. Und das ist ein schönes Thema! Aber die Geschichte war natürlich auch präsent. Das Thema Berliner Mauer und überhaupt Berlin. Das ist etwas Faszinierendes. Berlin ist eine Stadt, in der man immer wieder über die Geschichte stolpert. Und das ist etwas, was mich immer wieder fasziniert hat, auch in den Gesprächen mit den Zeitzeugen. Aber auch eben diese regionale Vielfalt. Wenn man über den Kölner Karneval berichtet, dann ist ganz klar, dass das etwas ist, was man woanders in Deutschland so nicht findet.“

Packen Sie schon langsam wieder die Koffer, um als Korrespondentin irgendwo anders hinzugehen?

„Jetzt freu ich mich erst einmal, dass ich zu Hause bin. Bei uns gibt es ein Sprichwort: ´Überall ist es gut, aber zu Hause am besten´.

Hana Scharffová, haben Sie herzlichen Dank für das Gespräch!