Hašek fordert: Spieler des Nationalteams müssen erfolgshungrig und diszipliniert sein
In den Relegationsspielen zur Fußball-Weltmeisterschaft 2010 werden an diesem Mittwoch die allerletzten Tickets für die Endrunde im kommenden Jahr in Südafrika vergeben. Die Tschechische Republik allerdings hat ihre WM-Chancen schon verspielt. Nach zwei EM-Turnieren und der WM 2006 in Deutschland wird sie erstmals seit acht Jahren bei einem großen Championat fehlen. Stattdessen beginnt sie bei einem Turnier im arabischen Al Ain mit ihrem grundlegenden Neuaufbau. Zur Situation im tschechischen Fußball hat Verbandspräsident Ivan Hašek unlängst eine klare Position bezogen.
Mit diesen Worten reagierte Ivan Hašek vor einem Monat auf die Frage eines Journalisten, der wissen wollte, wie er, der Präsident des Böhmisch-Mährischen Fußballverbandes (ČMFS), die derzeitige Lage des tschechischen Fußballs einschätze. Das war nur einen Tag nach dem letzten WM-Qualifikationsspiel der tschechischen Auswahl gegen Nordirland, das nach einer enttäuschenden Partie in Prag mit einem torlosen Remis ausging. Angesichts der für die tschechische Mannschaft so gut wie hoffnungslosen Ausgangslage hatte Hašek für das schwache Spiel seiner damaligen Schützlinge sogar Verständnis:
„Beim gestrigen Spiel war zu spüren, dass unsere Chance auf das Weiterkommen schon ziemlich gering war. Die Motivation der Spieler war entsprechend, man konnte ihnen die Enttäuschung ansehen.“
Das aber war das einzige Zugeständnis, das Hašek als damals scheidender Auswahltrainer den Nationalspielern gegenüber machte. Zu groß war einfach die Enttäuschung, in einer der schwächsten europäischen Qualifikationsgruppen gescheitert und hinter Underdogs wie der Slowakei und Slowenien nur Dritter geworden zu sein. Dafür könne man die frühere Leitung des Verbandes oder Petr Rada als seinem Vorgänger auf dem Nationaltrainerposten nur bedingt die Schuld geben, sagte Hašek und stellte klar:
„Für die Ergebnisse und die gezeigten Leistungen sind vor allem die Spieler verantwortlich, denn sie stehen auf dem Platz. Im Kader der Nationalauswahl muss es jetzt natürlich zu bestimmten Veränderungen kommen. Und wir müssen daran arbeiten, dass dieses Team in Zukunft wieder stärker wird.“
Auf dem Weg in diese Zukunft will er als oberster Chef des tschechischen Fußballs vorangehen. In der Rolle des Trainers aber wird man ihn so schnell nicht mehr sehen, was Hašek so begründete:
„Schon im Juli, als ich den Posten des Nationaltrainers übernommen habe, hatte ich für mich entschieden, diese Funktion nur bis zum Ende der WM-Qualifikation auszuüben. Mir war klar, dass es sehr schwierig ist, beide Funktionen miteinander zu verbinden. Das hat sich dann auch bestätigt. Jetzt will ich mich voll und ganz auf meine Arbeit als Verbandspräsident konzentrieren. Die Funktion des Auswahltrainers habe ich vor allem deshalb übernommen, um mich sehr bewusst mit dem Leistungsstand und dem Klima in der Nationalmannschaft vertraut zu machen und um einen engen Kontakt zu den Spielern zu bekommen. Als Verbandschef will ich dafür sorgen, dass die Nationalelf wieder ein positives Aushängeschild unseres Fußballs wird. Als Trainer habe ich sehr viele Erkenntnisse gewonnen, um jetzt zu wissen, wo man dafür den Hebel ansetzen muss.“
Damit die Hebelkraft ihre Wirkung auch nicht verfehlt, braucht es neue und gute Kräfte, um den Hebelarm in Schwung zu bringen. Mit anderen Worten: Der Nachfolger von Hašek als Nationaltrainer muss dieser Aufgabe auch gewachsen sein. In Michal Bílek, seinem ehemaligen Assistenten, glaubt der Präsident, den Richtigen für diese Aufgabe gefunden zu haben. Hašek ist mit Bílek befreundet, so dass schnell wieder auch das kritische Wort vom „typischen Freundschaftsdienst“ die Runde machte. Hašek indes machte deutlich, wir ernst es ihm mit dieser Wahl sei:
„Der erste, der für diese Entscheidung die Verantwortung trägt, das bin ich. Ich bin es auch, der dafür seinen Kopf auf das Schafott legt. In der Vergangenheit war es häufig der Fall, dass nach der Ernennung eines neuen Auswahltrainers keiner im Vorstand des Verbandes die Verantwortung für diese Wahl übernehmen wollte. Sich aus der Verantwortung zu stehlen, ist aber nicht meine Art.“
Und der Präsident ließ auch keine Zweifel darüber offen, mit welcher Einstellung diejenigen Spieler anreisen müssen, die in Zukunft das Trikot der tschechischen Nationalmannschaft tragen sollen:
„Ich denke, die erste Voraussetzung für den Erfolg ist nicht nur der Respekt vor dem Trainer, sondern der Respekt dem gesamten tschechischen Fußball gegenüber. Das sollten die Fußballer, die bei einem Spitzenclub spielen, jedoch eigentlich wissen. Deshalb sage ich noch einmal: Wer gegenüber dem Trainer keinen Respekt zeigt, der hat in Zukunft auch nichts mehr in der Nationalmannschaft verloren.“
Mit diesen Worten legte Hašek zugleich den Finger in eine der Wunden, die dem tschechischen Auswahlfußball in der zurückliegenden Zeit sehr geschadet haben: die fehlende Disziplin auf und außerhalb des Spielfeldes. Dass es mit der Disziplin in jüngster Vergangenheit nicht immer zum Besten bestellt war, haben einige Affären ans Licht gebracht. Nach wichtigen Qualifikationsspielen, die verloren wurden, haben mehrere Nationalkicker keine gute Reaktion gezeigt. So musste die Öffentlichkeit wiederholt erfahren, dass diese Spieler eine Niederlage nicht allzu schwer nehmen und sich stattdessen gern in feuchtfröhlicher Runde darüber hinwegtrösten. Eine Form der Frustbewältigung, die bei den Fans überhaupt nicht ankam.
Als Trainer hatte Hašek sofort erkannt, dass er deshalb schon in den letzten Spielen der ohnehin verkorksten WM-Qualifikation die Weichen für den grundlegenden Neuanfang stellen müsse:
„Schon im Verlauf der letzten Spiele haben mehrere neue Spieler eine Bewährungschance erhalten. Sie haben gezeigt, dass sie auf ihren Positionen durchaus eine Alternative sein können. Die Mannschaft muss jedoch weiter verändert werden, ja es muss einen radikalen Schnitt geben. Nach diesem Schnitt dürfen sich in der Auswahl nur noch solche Spieler wieder finden, die erfolgshungrig sowie taktisch und individuell diszipliniert sind. Nur darauf können wir in Zukunft bauen.“
Einen ersten Fingerzeig darüber, ob die neuen Besen auch gut kehren können, soll ein Vierländerturnier in den Vereinigten Arabischen Emiraten geben. Das Auftaktspiel gegen die Gastgeber am Sonntag in Al Ain aber war noch keine Offenbarung. Nach einem müden Kick haben es die Schützlinge von Trainer Bílek nach torlosem Ausgang mit 2:3 nach Elfmeterschießen verloren. Daher spielen sie nun am Mittwoch an gleicher Stätte gegen Aserbaidschan nur um den dritten Platz. Es wäre jedoch auch blauäugig zu glauben, dass sich die Sünden der Vergangenheit dank des neuen Trainers nun sozusagen mit einem Handstreich lösen ließen. So kontinuierlich und nahezu ungebremst, wie die tschechische Nationalmannschaft von ihrem Gipfel – dem dritten Platz bei der Europameisterschaft 2004 – bis ins Tal gerauscht ist, so mühsam und auch langwierig wird wohl nun auch der erneute Aufstieg dauern. Wie weit er nach oben geht, das müssen Hašek, Bílek und ihre Auserwählten nun selbst bestimmen.