Havel erregt die Gemüter: „Škoda? Wie ein Konzentrationslager“
Václav Havel ist ein weltbekannter Schriftsteller und er war in kommunistischer Zeit wohl der einflussreichste Dissident hierzulande. Und er ist auch der ehemalige tschechische Präsident. Mit dieser Vergangenheit ist Havel so etwas wie das gute Gewissen Tschechiens. Sein Wort hat Gewicht. Am Dienstag wird Havel in der Schlagzeile der Tageszeitung Lidové noviny mit den Worten zitiert: „Škoda? Wie ein Konzentrationslager“. Till Janzer hat darüber mit Patrick Gschwend das folgende Gespräch geführt.
„Man sollte den Hintergrund zunächst erläutern. Und das war die Forderung eines Politikers, Škoda solle mehr Autos produzieren. Gefragt, nach dem Warum, sagt er, damit die Leute Beschäftigung hätten. Das hatte Havel nun im Fernsehen verfolgt und er fand die Begründung absurd. Er sagte, das sei genauso logisch, wie zu sagen: Konzentrationslager muss es geben, damit Aufseher und Häftlinge Arbeit haben. Das klingt natürlich heftig. Aber Havel erklärte das dann genauer: mehr Autos würden nämlich auch mehr Straßen, mehr Tunnel, mehr Beton, kurz gesagt: mehr Belastung für die Umwelt bedeuten.“
Vergleiche mit den Verbrechen der Nazis ja immer eine heikle Angelegenheit. Havels Äußerung blieb also sicher nicht unwidersprochen…„Natürlich nicht. Kritik kam vor allem von den Sozialdemokraten. Die regieren nämlich im mittelböhmischen Kreis, also dort, wo Škoda seinen Hauptsitz hat, in Mladá Boleslav. Der mittelböhmische Kreishauptmann David Rath forderte von Havel eine Entschuldigung. Der Vergleich mit einem KZ sei eine Beleidigung für die Škoda-Angestellten und deren Familien. Škoda habe für die Wirtschaftsentwicklung in Tschechien eine herausragende Bedeutung. Darauf solle man stolz sein, so Rath. Und der sozialdemokratische Parteichef Jiří Paroubek meint, Havel habe mit dem KZ-Vergleich seine moralische Autorität verspielt. Er forderte natürlich ebenfalls eine Entschuldigung. Die lehnt Havel aber ab.“
Bekommt Havel denn auch Unterstützung?„Ja, durchaus. Havels Kernaussage war ja: Eine Steigerung der Industrieproduktion sollte nicht zum Selbstzweck werden. Und damit kann sich zum Beispiel der Ökonom Tomáš Sedláček identifizieren. Der ist Mitglied im Nationalen Wirtschaftsrat der Regierung. Sedláček glaubt, das Dogma, dass die Wirtschaft um jeden Preis wachsen muss, habe in Tschechien auch zu einer höheren Verschuldung geführt. Eine Erhöhung des Bruttoinlandsproduktes aber auf Schulden aufzubauen, sei schlecht. Und wer behaupte, Ziel des Expräsidenten sei der Vergleich der Škoda-Werke mit einem KZ gewesen, hätte das Motiv seiner Rede einfach nicht verstanden. So jedenfalls nahm der Wirtschaftsexperte Tomáš Sedláček Havel in Schutz.“