Heute ist euer erster Schultag
"Heute ist euer erster Schultag, und innerhalb eines Jahres werdet ihr lesen, schreiben und rechnen lernen. Ihr habt die ganze Zukunft vor euch. Ich wünsche euch, dass es eine glänzende Zukunft wird." Mit diesen Worten wandte sich Schulminister Eduard Zeman am Montag, dem ersten Schultag nach zwei Monaten Sommerferien in der traditionellen Rundfunk-Ansprache an die neuen Schulanfänger und läutete damit das Schuljahr 2001/2002 ein. Welche Neuerungen dieses Schuljahr mit sich bringt, wie in Prag beispielsweise tschechisch-deutsche Begegnungsklassen funktionieren und in Ostrava/Ostrau tschechische Studenten Nachhilfeunterricht in Roma-Familien geben, das erfahren Sie, verehrte Hörerinnen und Hörer, in diesem Themenkaleidoskop. Aus dem Prager Studio begrüßt Sie dazu Silja Schultheis.
Nachdem Schulminister Eduard Zeman den Schülern, Eltern und Lehrern Ratschläge und Wünsche für das bevorstehende Schuljahr mit auf den Weg gegeben hatte, kam er auf die Prioritäten der tschechischen Schulpolitik für das kommende Jahr zu sprechen. An erster Stelle steht hier die erneute Abstimmung über den Entwurf für ein neues Schulgesetz, der im Frühjahr vom Abgeordnetenhaus mit knapper Mehrheit abgelehnt worden war. Das neue Schulgesetz soll vor allem die Finanzierung des tschechischen Schulwesens und damit die dringlichste Frage in diesem Bereich, neu regeln. Von ihr wird u.a. abhängen, ob sich die geplante Computerisierung der Schulen - die zweite Priorität der staatlichen Schulpolitik in diesem Jahr - sowie die vom Minister angekündigte Gehaltserhöhung für die Lehrer und die Reform des Fremdsprachenunterrichts realisieren lässt.
Mit Beginn des neuen Schuljahres haben sich auch die Bedingungen für den Hausunterricht verändert. Bislang stand es allen Eltern offen, ihre Kinder alternativ zum Schulunterricht zuhause zu unterrichten - vorausgesetzt, sie hielten sich an die dafür vom Staat festgelegten Regeln. Das neue "Experiment" hingegen, das Karel Tomek, Leiter der Abteilung Grundschulen im Schulministerium, für dieses Schuljahr ausgerufen hat, bringt hier erhebliche Einschränkungen mit sich: Fortan müssen die Eltern begründen, warum sie ihr Kind nicht in die Schule schicken, sondern zu Hause unterrichten wollen. Akzeptiert wird vom Schulministerium der Hausunterricht künftig nur noch bei Kindern mit besonderen Anforderungen - d.h. entweder bei einer Lernbehinderung oder bei überdurchschnittlich hoher Begabung.
Bislang galt sie als "Expertenschule" für Kinder, deren Eltern sich beruflich eine zeitlang in Prag aufhalten und währenddessen eine deutsche Schulausbildung für ihre Zöglinge bevorzugen. Seit einiger Zeit jedoch macht ein anderer Begriff die Runde, wenn von der Deutschen Schule Prag die Rede ist - der der Begegnungsschule. Am Montag nun traten erstmals 26 tschechische Schüler, die die Aufnahmeprüfung bestanden hatten und aus den über 50 Bewerbern für die erste tschechisch-deutsche Begegnungsklasse ausgewählt worden waren, gemeinsam mit ihren deutschen Mitschülern zum Unterricht in der Deutschen Schule an.
Unsere freie Mitarbeiterin Karin Schöne hat in der Pause die Stimmung auf dem Schulhof eingefangen:
Während die Schulen hierzulande allerorts über mangelnde Finanzen klagen und aufgrund der knappen Lehrergehälter vor allem junge Pädagogen zunehmend in die Wirtschaft abwandern, zeigt sich der Direktor der Deutschen Schule, Wolfgang von Hinten, mit der finanziellen Situation seines Gymnasiums zufrieden. Im Unterschied zu den staatlichen Schulen ist der Besuch der Deutschen Schule allerdings nicht kostenlos:
Ein weiteres Pilotprojekt, das in diesem Schuljahr fortgesetzt wird, ist die Initiative S.T.O.P. im mährischen Ostrava/Ostrau. Hier geben bereits seit dem letzten Schuljahr tschechische Hochschulstudenten ehrenamtlich Nachhilfeunterricht in Roma-Familien, die daran Interesse haben. Lydia Polackova, Roma-Beraterin in der Stadtverwaltung von Ostrau, erzählte mir, wie diese Initiative entstanden ist:
"Die Idee entstand im Mai 1999, als ich an der Pädagogischen Fakultät der Universität Ostrava mit Studenten diskutierte. Das Thema lautete: Wie soll es weitergehen mit den Roma in Ostrava?' Da alle Studenten den Standpunkt vertraten, dass die Roma mehr Bildung bräuchten, ermunterte ich sie am Ende der Diskussion, in diesem Bereich zu helfen und zu probieren, einmal direkt in eine Roma-Familie zu gehen und den Kindern dort Nachhilfeunterricht zu geben - vorausgesetzt, die Eltern des Kindes sind damit einverstanden. Am nächsten Tag meldeten sich vier Studenten bei mir, und das war der Anfang des Projektes."
Aus den vier Studenten wurde bald die Bürgerinitiative S.T.O.P., die heute ca. 20 Mitglieder - alles Studenten - zählt und den ehrenamtlichen Nachhilfeunterricht in unterschiedlichen Roma-Familien aus Ostrava organisiert und durchführt. In erster Linie lernen die Studenten mit den Roma-Kindern tschechisch, das diese vielfach nur schlecht beherrschen.
Auch wenn es verfrüht wäre, die Früchte dieser Arbeit beurteilen zu wollen, lässt es sich sicherlich als Erfolg verbuchen, dass es den Ostrauer Studenten bereits gelungen ist, drei Roma-Kinder auf den Test vorzubereiten, dessen Bestehen ihnen den Wechsel von der Sonderschule auf die Grundschule ermöglichen würde. Denn eines der größten Probleme hinsichtlich der Bildungssituation der tschechischen Roma besteht nach wie vor darin, dass die Kinder zum großen Teil Sonderschulen besuchen und ihnen damit viele Berufsperspektiven von vornherein versperrt bleiben.