Medienspektakel: der Verkauf von TV Nova. Stimmen zum EU-Beitritt der Türkei. PISA in Tschechien
In unserer heutigen Ausgabe der Sendereihe "Im Spiegel der Medien" hat Oliver Engelhardt für Sie wieder Kommentare und Meinungen aus den tschechischen Medien zusammengestellt. Thematisch geht es dieses Mal unter anderem um den Verkauf des größten privaten Fernsehsenders TV Nova und um den EU-Beitritt der Türkei.
"Ronald Lauder, der erneute Eigentümer, rächt sich an seinem verhassten Rivalen Vladimír Zelezný. Und wie es nun mal so ist, wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Und der heißt Petr Kellner. Als sein Konzern Nova vor zwei Jahren übernahm, war es ein Fernsehsender, bei dem nicht über das Programm gesprochen wurde, sondern darüber, wem er eigentlich gehört. Den juristischen Stall hat PPF (fast) ausgekehrt, hat den störenden Zelezny vom Spielfeld gestellt und Lauder jetzt sogar dazu verholfen, ihn gänzlich niederzustrecken. Und bei alldem hat er Geld verdient.
Für die PPF ist es eine der größten Transaktionen überhaupt. Die Verbindung mit Lauders CME öffnet ihr die Türen zu den Märkten in Osteuropa. Das ist mehr als Kellner mit seinem riskanten Einstieg bei TV Nova hoffen konnte."
Damit wäre klar, wer die Gewinner bei dem Geschäft sind. Und wer die Verlierer sind, darüber lassen die Kommentare keinen Zweifel. Stellvertretend für viele, bringen wir hier Michal Fila, vom Radiozurnal, dem ersten Programm des Tschechischen Rundfunks:
"besonders unappetitlich an diesem Handel ist, dass an der Transaktion sowohl CME als auch PPF verdienen und die Steuerzahler verlieren. PPF bekommt 15 Milliarden Kronen und das in zwei Teilen 12 Milliarden zahlt CME in Form von Geld und den Rest mit eigenen Aktien. Da CME vom Tschechischen Staat damals mehr als 10 Milliarden Kronen erstritten hat, kann sich jeder ausrechnen, dass den Großteil dieses Geldes wir durch unsere Steuern bezahlt haben."
Auf der internationalen Bühne wendete sich die Aufmerksamkeit der tschechischen Medien der Türkei zu, genauer gesagt, dem EU-Beitritt der Türkei. Und dabei spielt die Musik natürlich vor allem in Brüssel, wo der Rat der Europäischen Union am Freitag den Beginn von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei beschloss. Aber auch die Abstimmung im Europäischen Parlament in Straßburg, das am Mittwoch mit einem mehrheitlichen JA in dieser Frage eine deutliche Empfehlung an den Rat sendete, fand ihren Widerhall in den tschechischen Zeitungen.
"Ein Gespenst geht um in Europa", so der Aufhänger zu einem Kommentar in der Wirtschaftszeitung Hospodarské noviny vom 16. 12. 2004. Der Autor Adam Cerny setzt sich darin kritisch mit den Argumenten der Gegner eines EU-Beitritts der Türkei auseinander.
"Bereits jetzt gibt es in der Europäischen Union große Länder, der Nachteil eines weiteren großen Landes beruht also darin, dass der Einfluss der heute großen Länder eingeschränkt wird und dass am Verhandlungstisch ein Land auftaucht, dass wesentlich größer ist als das größte der diesjährigen zehn neuen EU-Länder.
Ist es wirklich ein Problem, dass die Türkei muslimisch ist, wo doch schon Atatürks Reformen aus den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts Wert legten auf den säkularen Charakter des Staats? Das Problem besteht eher darin, dass über die Trennung von Staat und Religion jahrelang die Armee wachte und nicht zögerte nötigenfalls mit Gewalt einzugreifen. Die Schwäche der Türkei ist hier eher die Schwäche seiner demokratischen Institutionen."
Dieser Kommentar aus der Wirtschaftszeitung Hospodarské noviny erschien am Donnerstag, also am Tag nach der Abstimmung im Europäischen Parlament. Auch unter den tschechischen EU-Parlamentariern waren die Meinungen zum Thema EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei gespalten. Der ehemalige tschechische Außenminister Josef Zieleniec etwa ließ verlauten, dass alle, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei befürworten von Kleingeist und der Angst, sich zu entscheiden, beherrscht seien. Darauf reagierte die Donnerstagsausgabe der Tageszeitung Lidové noviny:
"Sollte der ehemalige Chef der tschechischen Diplomatie Recht haben, dann hat diese Eigenschaften gestern die große Mehrheit seiner Kollegen an den Tag gelegt. Das Europäische Parlament hat der EU nämlich die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit den Türken empfohlen, mit dem Zusatz jedoch, dass, sollte man sich nicht auf eine Mitgliedschaft einigen, die EU die Verankerung der Türkei in den europäischen Strukturen anders herstellen solle.
Allen Gegnern einer türkischen Mitgliedschaft zum Trotz gilt allgemein, dass ein bedingtes Ja kein Ausdruck von Kleingeist, sonder von Realitätssinn ist. Die Europäische Union würde mit einem klaren Nein, das die konservative Rechte fordert, ihren türkischen Sympathisanten zu verstehen geben: die innenpolitischen Reformen, die wir gefordert haben, und die ihr wegen uns durchgeführt habt, waren nur so ein Spaß. Und sofern die Union mit ihren Plänen zur Festigung ihrer Rolle in der Weltpolitik Ernst macht, kann sie sich das Image eines Spaßvogels nicht leisten."
Die Schulforschung der OECD, die so genannte PISA-Studie hat Anfang Dezember zum zweiten Mal ihre Ergebnisse veröffentlicht. Eine breite gesellschaftliche Diskussion hat sie nicht hervorgerufen, wohl aber eine fachliche. Eines der wichtigsten Ergebnisse ist, dass die tschechischen Schüler in Mathematik und Naturwissenschaft überdurchschnittlich gut abschneiden, aber mit Lesen und Textverständnis Schwierigkeiten haben. Hören Sie Ausschnitte aus einem Kommentar der Wochenzeitung Respekt:
"Eine der wichtigsten Feststellungen aller internationalen Vergleiche der letzten Jahre ist die hohe Selektivität des tschechischen Schulsystems und dass diese in hohem Maße sozial bedingt ist. Im tschechischen Bildungssystem geht es immer darum, die Handvoll hochbegabter herauszufiltern und ihnen anschließend eine anspruchsvolle akademische Ausbildung angedeihen zu lassen. Auf die Aufnahmeprüfungen für die Hochschulen, die detaillierte Faktenkenntnisse verlangen, bereiten nur die Gymnasien ihre Schüler vor. Diese werden aber nur von 13 % eines Jahrgangs, dem geringsten Anteil aller OECD-Länder, besucht. [...]
Ein Kind, das in einem solchen System erfolgreich sein will, muss diszipliniert sein und sich den Lernstoff genau nach den Vorstellungen des Lehrers aneignen. Die Kinder, die sich irgendwie von der Herde der anderen unterscheiden, haben es in der traditionellen tschechischen Schule schwer - im Frontalunterricht ist kein Platz für individuelle Ansätze. Die Lehrmethoden erklären, warum tschechische Kinder nicht gerne in die Schule gehen. [...]
Der Weg zur Elitenbildung führt nicht über das Memorieren von Lehrsätzen, Terminen, Jahreszahlen oder Gesetzen. Er verlangt die Kultivierung des Denkens, die Fähigkeit, sich eine unabhängige Meinung zu bilden, er verlangt zu argumentieren, verlangt Ausdauer, die Suche nach eigenen kreativen Lösungen, sachlich zu kommunizieren."