“Hic sunt (domini) canes”: Zu Besuch bei den Dominikanern in St. Aegidius
In der Prager Altstadt gibt es immer noch Orte, die von den Touristen nicht entdeckt sind, die aber eine lange und reiche Geschichte haben. Zu diesen Orten gehört das Dominikanerkloster St. Aegidius. Prager sowie Prag-Besucher haben nun aber die Gelegenheit, einen Blick hinter die Klostermauern zu werfen. Dort lässt sich nicht nur viel über die heutigen Dominikaner erfahren, sondern auch über den Ort, an dem der Orden seit 400 Jahren in Prag tätig ist.
„Hic sunt (domini) canes“– so heißt eine Ausstellung, die vor kurzem im Dominikanerkloster St. Aegidius eröffnet wurde. Der Name der Ausstellung HIC SUNT domini CANES ist als Wortspiel entstanden: die historische Bezeichnung eines unbekannten Gebietes („hic sunt leones“– also: hier sind die Löwen) wird mit einem Hinweis auf das Kloster der Dominikanerbrüder verbunden. Die Bezeichnung „Dominikaner“ kommt aus dem Lateinischen: „canes domini“ also „Hunde des Herrn“. Für viele Prager ist das Kloster St. Aegidius immer schon ein unbekannter und geheimnisvoller Ort gewesen, direkt im Zentrum der Altstadt verborgen. Nicht viele von ihnen wissen, dass dieser Ort mehr als 800 Jahre Geschichte hat, erzählt einer der heutigen Bewohner des Dominikanerklosters, Bruder Lukáš:
„Das erste, was sich hier befand und von dem man weiß, war das Kollegiatkapitel St. Aegidius. Das war das dritte Kapitel in den Prager Städten. Es wurde nach dem Vorbild des Kollegiatkapitels auf der Prager Burg gegründet. Das Kapitel war eine Gemeinschaft von Diözesanpriestern, die gemeinsam lebten, beteten, Messen lasen oder an Schulen unterrichteten. Die erste schriftliche Erwähnung des Aegidius-Kapitels stammt aus dem Jahr 1238. Aber wahrscheinlich gab es hier schon früher eine geistliche Gemeinschaft. Das Kapitel bestand hier bis 1420, bis die Kanoniker von den Hussiten vertrieben wurden.“ Seine Blütezeit erlebte das Aegidius-Kapitel unter den Luxemburgern. So nahm Karl IV. an der Weihe einer neuen gotischen Aegidius-Kirche teil. Danach aber wurde die Prager Altstadt zum Zentrum der Reformbewegung, erzählt Bruder Lukáš.„Unweit von hier – in der Betlehemskapelle – predigte Magister Jan Hus. Auch in der Aegidius-Kirche wirkten bekannte Persönlichkeiten wie beispielsweise der Reformprediger Jan Milíč z Kroměříže oder der Chronist Přibík Pulkava. Wir wissen, dass hier eine kurze Zeit auch der später heilig gesprochene Johann Nepomuk als Kanoniker tätig war. In dieser Zeitepoche spielte das hiesige Kapitel eine wichtige Rolle im Leben der Prager Altstadt.“
Die Aegidius-Kirche wurde in den 1430er Jahren zu einer utraquistischen Kirche - das heißt einer Kirche von Gläubigen, die sich zum gemäßigten Flügel der Hussitenbewegung bekannten. Die hiesigen Anhänger der Hussitenreformen seien wirklich sehr gemäßigt gewesen, meint der Dominikaner.„Einer der hiesigen utraquistischen Priester, Johann von Příbram, hatte den englischen Kirchenreformator John Wycliff sogar als einen Ketzer bezeichnet. Die Utraquisten wirkten hier bis 1620. Das Jahr bedeutete auch das Ende der Reformbewegungen in den Böhmischen Ländern. Während der utraquistischen Zeit besuchte beispielsweise der namhafte Astronom Johannes Kepler die Aegidius-Kirche. Und später ließ Kepler hier seine Frau und seine Kinder bestatten.“
Nach 1625 übernahm der Dominikanerorden die Aegidiuskirche. Die Dominikaner hatten ursprünglich in St. Peter bei Na Poříčí unweit der Moldau ihren Sitz, dort errichteten sie das Clemens-Kloster. Dieses zog später an den Ort um, wo sich heutzutage das Klementinum befindet. Bevor sie sich in St. Aegidius niederließen, waren die Dominikaner an einigen weiteren Orten in der Prager Altstadt tätig. Bei St. Aegidius fingen sie im 17. Jahrhundert an, anstelle der älteren Kapitelgebäude und Bürgerhäuser ein großes Klosterareal zu bauen. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts erlebte das Kloster seinen größten Aufschwung. Aus dieser Zeit stammt ein einzigartiger Zyklus von Wandmalereien auf dem Kirchengewölbe, der die Legende des heiligen Dominik, des heiligen Aegidius sowie über die Tätigkeit der Dominikanerbrüder darstellt. Die Malereien stammen von Václav Vavřinec Reiner, einem der bedeutendsten Maler des böhmischen Barock. Reiner lebte in der Nähe des Klosters und besuchte oft die Dominikaner. Er und seine Familie wurden auch bei den Dominikanern bestattet. In der Ausstellung kann man Details über das Schicksal der Klostergebäude im 19. und 20. Jahrhundert erfahren sowie über die Persönlichkeiten, die hier tätig waren. Der Heilige, dem die Kirche einst geweiht wurde und dessen Name auch das Kloster trägt, hat keinen direkten Zusammenhang mit dem Dominikanerorden. Denn eine Aegidiuskirche gab es in der Prager Altstadt schon, bevor sich hier der Orden niederließ. Bruder Lukáš zufolge war der Aegidius-Kult im Mittelalter in Böhmen verbreitet, die Prager Kirche sei bei weitem nicht die einzige, die dem Aegidius geweiht worden sei.„Warum und wie sich der Aegidius-Kult in Böhmen durchsetzte, das wissen wir nicht genau. Es wird vermutet, dass Karl IV. wahrscheinlich die Aegidius-Verehrung aus Frankreich übernommen und sie in Böhmen unterstützt hat. Es gibt zwei Formen dieses Namens: die aus dem Griechischen stammende lateinische Form ´Aegidius´ und das französische ´Gilles´, von der auch die tschechische Form ´Jiljí´ abgeleitet wurde. Aegidius soll ursprünglich soviel wie ´Schildhalter´ bedeutet haben.“
Die Führung durch das Dominikanerkloster werden wir in der nächsten Ausgabe des Spaziergangs durch Prag fortsetzen. Die Ausstellung mit dem Titel „Hic sunt (domini) canes“ ist täglich von 9 bis 17 Uhr geöffnet.Bevor sich die Dominikaner beim St. Aegidius niederließen, hatten sie eine Zeit ein Kloster dort gehabt, wo sich das Klementinum befindet. Falls Sie wissen, welche Institution heutzutage im Klementinum ihren Sitz hat, können Sie es uns schreiben. Denn so lautet die heutige Quizfrage, für deren richtige Beantwortung Sie ein Buch über Prag gewinnen können. Ihre Zuschriften richten Sie bitte an Radio Prag, Vinohradská 12, PLZ 120 99 Prag 2, Tschechien.
In der Sendung vom Ende November fragten wir Sie nach der Metro-Linie, die nach Stodůlky führt. Es ist die B-Linie. Ein Buch geht diesmal an Hendrikus Baan aus Rijssen in den Niederlanden.