Hinter den Kulissen und im Schatten der Großen: Ein Blick auf die kleinen Parteien Tschechiens

Foto: Comisión Europea

Die politische Berichterstattung beschäftigt sich meist mit den großen Parteien - vor allem dann, wenn große Ereignisse wie das EU-Referendum bevorstehen. Wir aber wollen heute einen Blick auf einige kleinere Parteien werfen, die nicht im Parlament vertreten sind. Und selbstverständlich wird auch hier das Thema "Europäische Union" eine Rolle spielen. Bleiben Sie also dran, in wenigen Augenblicken begrüßt Sie Gerald Schubert mit einer neuen Ausgabe des Magazins Schauplatz:

Foto: Europäische Kommission
Über 100 verschiedene Parteien und politische Bewegungen sind derzeit in Tschechien registriert. Bei mehr als einem Dutzend davon vermerkt die Website des Innenministeriums: Tätigkeit ruhend gestellt. Doch auch die überwiegende Mehrzahl jener Gruppierungen, die offiziell aktiv sind, ist dem Großteil der Bevölkerung so gut wie unbekannt. Es sind eben die großen, die die politische Diskussion und auch die Berichterstattung dominieren.

Was die vielen kleinen Parteien betrifft, so ist in Tschechien - wie in anderen Ländern Europas auch - so ziemlich das gesamte politische Meinungs- und Interessensspektrum vertreten: Von links- bis rechtsextrem, von der Vertretung regionaler bis zur Vertretung von Berufsinteressen. Und freilich wollen sich auch ethnische Minderheiten wie etwa Roma auf dem politischen Parkett Gehör verschaffen. Wir möchten heute wenigstens ein paar Beispiele aus der Welt jener bringen, die sich zumeist hinter der großen Medienkulisse für ihre Anliegen engagieren. Dazu werfen wir einen Blick auf drei kleine Parteien, die allesamt nicht im Parlament vertreten sind, und dennoch schon da und dort auf sich aufmerksam gemacht haben: Die "Humanistische Allianz", die "Europäischen Demokraten" und - last but not least - die tschechischen "Grünen".


Die Dominanz der politischen Parteien, die - einmal gewählt - in den diversen Gremien ihre ganz persönlichen Süppchen kochen und den Kontakt zu ihren Wählern schnell verlieren würden: Dies ist eines der Hauptärgernisse für die

"Wir möchten den Leuten empfehlen, sich nicht nur an Abstimmungen zu beteiligen, sondern selbst aktiv zu werden, sich mit anderen Menschen zusammenzuschließen, um eine wirklich menschliche Gesellschaft zu schaffen, basierend auf menschlichen Werten."

Dies klingt vorerst sicher recht unkonkret. Oder, wie es der einst in der Partei engagierte und mittlerweile verstorbene Philosoph Milan Machovec ausdrückte: Heutzutage würde wohl kaum jemand von sich sagen, er sei kein Humanist. Also kommt es freilich auch hier auf die konkreten Inhalte an - selbst wenn sich die "Humanistische Allianz" mit ihrer Ablehnung der gängigen Strukturen schon nahezu als Anti-Partei präsentiert. Einige ihrer inhaltlichen Schwerpunkte nehmen sich dann aber doch wieder recht vertraut aus: Mehr Elemente direkter Demokratie, Unterstützung von Klein- und Mittelbetrieben, Senkung der Politikergehälter, mehr Einsatz für Bildung, Gesundheit und Menschenrechte. Und was sagt Jan Bednar von der "Humanistischen Allianz" zur Europäischen Union?

"Ich glaube, es ist eine unausweichliche Entwicklung, dass sich die einzelnen Völker aneinander annähern, sich zusammenschließen. Die Frage ist nur, in welcher Form das passiert. Und die ist gegenwärtig schlecht, denn sie basiert ausschließlich auf ökonomischen Interessen."

Übrigens: Die "Humanistische Allianz" hat bei den Parlamentswahlen vor einem Jahr kandidiert. Das Ergebnis: 8461 Stimmen, das bedeutet 0,17 Prozent und damit Platz 20 von insgesamt 28 antretenden Parteien.


Aktion der Partei 'Europäische Demokraten' am Wenzelsplatz in Prag,  foto: CTK
Kommen wir nun zu einer weiteren Partei, einer jüngeren, die bei den Parlamentswahlen im Juni 2002 noch nicht angetreten ist und doch mit diesen im Zusammenhang steht: Es handelt sich um die Partei "Europäische Demokraten", angeführt vom ehemaligen Prager Oberbürgermeister Jan Kasl. Kasl war zu jener Zeit, als er Chef der Prager Stadtverwaltung war, Mitglied der Demokratischen Bürgerpartei ODS. Zwei Wochen vor der eben erwähnten Wahl zum Abgeordnetenhaus trat er jedoch überraschend als Bürgermeister zurück und aus der ODS aus. Die Begründung: Die ODS-Ratsherren würden mehr an sich selbst als an die Wähler denken.

Seit diesem Paukenschlag ist es jedoch entschieden stiller um Kasl geworden. Und dies obwohl er, eben mit seiner Partei "Europäische Demokraten", weiterhin politisch aktiv ist. Diese konnte sich etwa bei den Kommunalwahlen im November vorigen Jahres gleich in mehreren Prager Stadtbezirken mit Ergebnissen knapp unter der 20-Prozent-Marke an zweiter Stelle hinter der ODS platzieren. Radio Prag hat Kasl nun gefragt, auf welcher Ebene er denn seine Partei eigentlich ansiedelt: Handelt es sich um eine europäische, um eine tschechische oder doch "nur" um eine Prager Partei? Und was sind ihre nächsten Ziele?

Jan Kasl
Was die tschechische Politik betrifft, so würde das nächste Ziel laut Kasl die Senatswahl Ende nächsten Jahres sein, wo wieder ein Drittel der Mandate im parlamentarischen Oberhaus neu besetzt wird.

"Aber noch zuvor wird eine andere, etwas atypische Wahl stattfinden, und zwar die Wahl zum Europaparlament im nächsten Juni. Das wird eine Wahl sein, mit der niemand hier Erfahrungen hat, wo jede Partei zum ersten Mal antreten wird. Und dort, glaube ich, werden wir auf republikweiter Ebene mit einer gemeinsamen Kandidatenliste von unserer Authentizität und den Fähigkeiten unserer Kandidaten überzeugen können."

Apropos Europa: Wenn die Partei von Jan Kasl das Wort "europäisch" bereits im Namen führt, so hat dies auch seinen Niederschlag auf ihren politischen Schwerpunkt in den letzten Wochen und Monaten. Immer wieder hat Kasl dazu aufgerufen, zum Referendum zu gehen und mit Ja zu stimmen. Eines seiner Hauptargumente erinnert an jenes für seine Trennung von der ODS vor einem Jahr:

"Wenn der kleine tschechische Fischteich erst einmal Teil des Europäischen Meeres ist, dann wird erkennbar werden, dass die, die sich hier als die großen Haie ausgeben in Wirklichkeit kleine Fischchen sind. Und dass es sich bei denen, die hier als Experten gelten, oft nur um ganz gewöhnliche, unterdurchschnittliche Beamte oder Bürger handelt."


In Österreich wächst ihre Wählerpräferenz langsam aber stetig an, in Deutschland sind sie gar seit Jahren in der Regierung und stellen mit Joschka Fischer den Außenminister: Die Rede ist natürlich von den Grünen. Und eine Grüne Partei gibt es auch in Tschechien. Ihre Anfänge waren allerdings recht problematisch, wie Vizeparteichef Ondrej Liska im Gespräch mit Radio Prag erzählt:

"Die Grüne Partei Tschechiens wurde gleich nach der Wende gegründet. Leider wurde sie jedoch teilweise von Leuten gegründet, die eng mit dem kommunistischen Regime verbunden waren, teilweise aber auch von Leuten, die aus den ökologischen Initiativen kamen. Diese Mischung, in der die kommunistischen Strukturen überwogen haben, hat in der Öffentlichkeit ein Bild geschaffen, wonach diese Partei nicht vertrauenswürdig ist."

Bis jetzt ist sie bei Parlamentswahlen auch stets an der 5-Prozent-Hürde gescheitert. Doch nachdem man sich voriges Jahr mit verschiedenen Bürger- und Umweltinitiativen zusammengeschlossen und eine neue Führung gewählt hatte, ging es bei den Wahlen im Juni 2002 dann doch zumindest aufwärts:

"Da hat die tschechische Grüne Partei fast 2,5 Prozent bekommen. Das war über vier mal mehr, als sie bei den vorletzten Wahlen gewonnen hat. Also die schnell organisierte Zusammenarbeit mit den Bürgerinitiativen hat sich einfach gelohnt."

Gelohnt wenigstens insofern, als dass die Grünen zwar nicht ins Parlament einzogen, aber immerhin jene 2-Prozent-Hürde überschritten, die eine Wahlkampfkostenrückerstattung garantiert und damit für die Parteikasse essentiell ist.

Und was haben die Grünen ihren Wählern für das EU-Referendum empfohlen?

"Es gibt eine konkrete Empfehlung: Die tschechischen Grünen sagen ein deutliches Ja. Dabei sagen wir aber auch: Die Europäische Union ist nicht eine homogene, sondern eine differenzierte Gesellschaft, mit vielen Ideen und Ansichten. Und da kommt es nicht nur darauf an, Ja zu sagen, sondern auch zu fragen: Wozu sagen wir Ja? Wir sagen Ja zu vielen guten Maßnahmen, die die Europäische Union getroffen hat, aber wir sehen auch die schwächeren Seiten der Europäischen Union, die wir als EU-Mitglieder helfen wollen, zu ändern."