Hörspiel von Radio Prag wird am 2. Oktober in Wien präsentiert
Von Begegnungen berichten wir in der gleichnamigen Rubrik normalerweise, wenn sie schon stattgefunden haben. Diesmal aber hören Sie an dieser Stelle die Ankündigung zu einer Begegnung im Tschechischen Zentrum in Wien. Dies geschieht auch in eigener Sache, denn auf der Veranstaltung am 2. Oktober spielt auch Radio Prag eine wichtige Rolle. Hören Sie einen Veranstaltungstip von Patrick Gschwend.
„Die Veranstaltung haben wir von Radio Prag mitorganisiert. Wir sind dort Mitveranstalter. Co-Veranstalter sind außerdem das Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren und natürlich das Tschechische Zentrum in Wien selbst. Das Hörspiel „Weg!“ hat der junge tschechische Autor Miroslav Bambušek als Auftragsarbeit für Radio Prag geschrieben. Und wir haben es dann im vorigen Jahr produziert und gesendet. In Wien wollen wir es auf der Veranstaltung im Tschechischen Zentrum erneut präsentieren. Der Anlass der ist der 70. Jahrestag des Münchener Abkommens am 30. September. Das Münchener Abkommen hat im Jahre 1938 das Abtreten der so genannten Sudetengebiete an Hitler-Deutschland bedeutet. Es stellt damit den Beginn der deutsch-tschechoslowakischen Katastrophe rund um den Zweiten Weltkrieg dar. Das Hörspiel wiederum spielt am Ende des Zweiten Weltkrieges, im Jahr 1945, zur Zeit der so genannten „wilden Vertreibung“. Es markiert also das Ende dieser Katastrophe. In diesem Spannungsfeld wollen wir aus dem Anlass des Jahrestages des Münchener Abkommens das Hörspiel, das zu Kriegsende spielt, im Tschechischen Zentrum in Wien präsentieren.“
In Miroslav Bambušeks Hörspiel sind Motive einer unmöglichen Liebe – wie in Shakespeares Romeo und Julia – unverkennbar. Wir schreiben das Jahr 1945. In Europa ist der Zweite Weltkrieg zu Ende. In der ehemaligen Tschechoslowakei, wo vor kurzem noch die nationalsozialistische Gewalt herrschte, kommt es nun an vielen Orten zu Gewaltausbrüchen gegen die deutsche Zivilbevölkerung. In diesem Kontext hat Miroslav Bambušek die Liebesgeschichte zwischen der jungen Deutschen Anna und dem etwa gleichaltrigen Tschechen Josef angesiedelt.
Doch mit der Präsentation des Hörspiels wird es am 2. Oktober in Wien nicht getan sein. Anlässlich des 70. Jahrestages des Münchener Abkommens soll ein Bogen gespannt werden: von der Abtretung der Sudetengebiete an Hitler-Deutschland, über das Ende des Zweiten Weltkriegs und die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus der Tschechoslowakei bis zu den gegenwärtigen Beziehungen Tschechiens zu seinen deutschsprachigen Nachbarn. Im Rahmen dieses Themenabends wird unserem Chefredakteur Gerald Schubert eine weitere Aufgabe zuteil. Taťjana Langášková, die Leiterin des Tschechischen Zentrums in Wien, erläutert welche das ist und was ihr Haus an dem Abend noch geplant hat.
„Im Anschluss gibt es eine Podiumsdiskussion zu dem heiklen Thema Vertreibung der Sudetendeutschen, bei der Gerald Schubert die Moderation übernehmen wird, und zu der er zwei Gäste eingeladen hat. Das sind Petra Stuiber aus Wien, die für die meiner Meinung nach beste österreichische Tageszeitung Standard arbeitet, und Herr František Černý vom Prager Literaturhaus der deutschen Sprache.“
František Černý war außerdem auch der tschechische Botschafter in Berlin von 1998 bis 2001. Als zusätzlicher dritter Gast hat mittlerweile auch noch Ondřej Matějka von der Bürgerinitiative Antikomplex seine Teilnahme an der Podiumsdiskussion zugesagt. Die Initiative Antikomplex wurde von tschechischen Schülern und Studenten gegründet und widmet sich seit Jahren besonders schwierigen Themen der deutsch-tschechischen Geschichte. Dazu gehört natürlich auch die Vertreibung der Sudetendeutschen aus der Tschechoslowakei nach 1945.
Auch wenn Sie keine Möglichkeit haben die Veranstaltung im Tschechischen Zentrum in Wien am 2. Oktober zu besuchen, können Sie die Podiumsdiskussion anhören. Warum und wann kann Gerald Schubert erklären:
„Ich habe mir gedacht, dass ich die Diskussion so moderieren möchte, dass sie sich sowohl an die Besucher im Saal in Wien richtet, aber gleichzeitig auch an die Hörer von Radio Prag. Wir werden dann am 28. Oktober aus Anlass des tschechischen Nationalfeiertages eine Sondersendung ausstrahlen. Im Rahmen dieser Sondersendung werden dann auch unsere Hörer die Möglichkeit haben, die Podiumsdiskussion im Radio zu verfolgen.“
Am 28. Oktober wird in Tschechien an die Ausrufung der Unabhängigkeit der Tschechoslowakei im Jahre 1918 gedacht. Aber ebenso auch im Tschechischen Zentrum in Wien. Schon bei der Erinnerung an das Münchener Abkommen wird ein Spannungsbogen durch die tschechische Geschichte vom Jahr 1938 bis zur Zeit der „wilden Vertreibung“ 1945 geschlagen. Auch bei der Erinnerung an die Ausrufung der Unabhängigkeit der Tschechoslowakei am 28. Oktober 1918 plant man in Wien, das historische Ereignis in einem breiteren Kontext zu präsentieren. Dazu noch einmal die Leiterin des Tschechischen Zentrums in Wien, Taťjana Langášková:
„In Erinnerung an die Ausrufung der Unabhängigkeit der Tschechoslowakei im Jahre 1918 werden wir in Wien einen Film zeigen. Außerdem wird es einen Abend geben, an dem wir das digitalisierte Werk von Robert Musil vorstellen. Das wird natürlich nicht spezifisch zum Jahrestag der Unabhängigkeit passen. Wir halten es aber für gut, so etwas im Zusammenhang mit der Unabhängigkeit der Tschechoslowakei von Österreich zu präsentieren.“
Die so genannten „Achter-Jahre“ sind in der tschechischen und tschechoslowakischen Geschichte mit besonderen Schicksalen verbunden. Dem trug – anlässlich der zahlreichen Jahrestage, die sich 2008 häuften – auch das Tschechische Zentrum in Wien Rechnung. So wurde im Februar an die kommunistische Machtübernahme in der Tschechoslowakei im Jahr 1948 erinnert. Der August stand wiederum ganz im Zeichen der Niederschlagung des Prager Frühlings vor 40 Jahren. Wie ist aber das Interesse der österreichischen Gesellschaft an tschechischer und tschechoslowakischer Geschichte und Kultur? Und wie ist das Interesse der Österreicher speziell an den Veranstaltungen, die das Tschechische Zentrum in Wien anbietet? Taťjana Langášková gibt dazu folgende Einschätzung:
„In Wien Veranstaltungen mit tschechischen Themen anzubieten, ist – denke ich – schwieriger als anderswo. Wir sind wirklich sehr enge Nachbarn mit komplizierten Beziehungen. Über das Interesse in Österreich an unseren Veranstaltungen bin ich aber sehr angenehm überrascht. Je nachdem was wir anbieten, und aus welchem historischen Anlass, kommt zwar meistens eher älteres Publikum. Ich hoffe aber, dass wir durch Themenabende wie den am 2. Oktober auch ein jüngeres Publikum ansprechen können, das viel offener und unbelasteter gegenüber unserer gemeinsamen Geschichte ist.“
Am 2. Oktober ab 19 Uhr kann sich jüngeres wie älteres Publikum im Tschechischen Zentrum in der Herrengasse 17 in Wien aber zunächst einmal das von Radio Prag produzierte Hörspiel „Weg!“ anhören und die anschließende Podiumsdiskussion verfolgen. Vielleicht werden die Besucher ja auch aus anderem Anlass wiederkommen.