Tschechisches Theater auf Deutsch, Frisch und Bachmann auf Tschechisch – und alles in Wien

Ingeborg Bachmann (Foto: Archiv des Robert Musil Literatur Museums)

In unserer Sendereihe Aviso ist diesmal wieder das Tschechische Zentrum in Wien an der Reihe. Und da gibt es bis zum Dezember volles Programm mit unter anderem einem kompletten Festival tschechischer Theaterproduktionen, einer tschechisch-deutschen Lesung im Rahmen der Lesefestwoche sowie dem Besuch eines der derzeit besten Dokumentarfilmer aus Prag. Mehr dazu in einem Interview mit der Leiterin des Zentrums in Wien, Dr. Taťjana Langášková.

Ingeborg Bachmann  (Foto: Archiv des Robert Musil Literatur Museums)
Frau Dr. Langášková, es sind drei größere Veranstaltungen, auf die ich gerne eingehen will. Natürlich hat das Tschechische Zentrum in Wien in den nächsten sechs Wochen noch deutlich mehr zu bieten, aber diese Veranstaltungen gelten ja als die Highlights. Bei dem zeitlich ersten Highlight am 10. November ist der tschechische Bezug nicht sofort ersichtlich, denn es geht um den schweizerischen Dramatiker Max Frisch und die österreichische Dichterin Ingeborg Bachmann. Doch es ist eine bilinguale Lesung, tschechisch-deutsch. Wie hat sich der tschechische Bezug da hineingeschlichen?

„Seit drei Jahren sind wir nicht nur bei der Lesefestwoche präsent, sondern auch bei einem so genannten Tagebuchtag. Das ist eine Reihe von Veranstaltungen, die irgendwie mit Biographien zusammenhängen. Ich war am Überlegen, was wir diesmal machen könnten. Im Gespräch mit zwei Übersetzern – Michaela Jacobsenová und Radovan Charvát, die ich auch persönlich kenne – hat sich herausgestellt, dass beide gerade an einer Übersetzung eines Tagebuchs arbeiten: das Kriegstagebuch von Ingeborg Bachmann bei Jacobsenová und Entwürfe zu einem dritten Tagebuch von Max Frisch bei Charvát. Die beiden Bücher werden dann im kommenden Jahr in Tschechien herausgegeben. Wir haben dann überlegt, was wir daraus machen können, und so ist eine bilinguale Lesung entstanden, die im Rahmen der Lesefestwoche und auch dem Tagebuchtag stattfinden wird – bei uns im Tschechischen Zentrum am 10 November, um 18 Uhr. Weil ich selbst einmal als Übersetzerin gearbeitet habe, ist mir dies schon sehr wichtig. Es wird auch im Anschluss an die Lesung über das Thema Übersetzen gesprochen, neben der Beziehung zwischen Bachmann und Frisch, die auch privater Natur war, und der Beziehung der beiden Übersetzer zu ihrem Werk.“

Ende November gibt es dann sogar ein ganzes Theater- und Literaturfestival, das sich mit Tschechien beschäftigt. Das Festival nennt sich „Die Besten aus dem Osten“ und findet im Wiener Volkstheater statt. Müssen Sie da nicht etwas mit den Zähnen knirschen, wenn Tschechien mal wieder als Osten bezeichnet wird?

„Na ja, ich habe mich inzwischen schon irgendwie daran gewöhnt. Früher habe ich mich sehr aufgeregt, meist gehören wir sogar zum Südosten. Damit habe ich aber wirklich Probleme, weil ich finde, wir sind wirklich nicht der Balkan. Aber es reimt sich: Die Besten aus dem Osten. Das ist der Titel, den die Veranstaltung schon seit sechs Jahren trägt, und nun sind auch endlich wir dran. Das heißt, ich freue mich sehr, und der Titel ist mir dann nicht so wichtig. Das Ganze wird vom Volkstheater veranstaltet, auch die Dramaturgie stammt von ihnen. Wir haben nur ein bisschen geholfen, ein paar Tipps gegeben. Sie nutzen dazu eine Probebühne, es findet nicht direkt im Volkstheater statt. Immerhin werden zwei Abende gefüllt sein. Und zwar mit dem Prager Kammertheater, also dem Pražské komorní divadlo, und seinem Gründer und Regisseur Dušan David Pařízek. Inszeniert werden zwei österreichische Autoren: Thomas Bernhard mit dem Weltverbesserer und Peter Handke mit der Publikumsbeschimpfung. Außer dem Prager Kammertheater ist bei dem Festival noch eine originelle Bearbeitung des Schwejk in der Regie des jungen Regisseurs Philip Jenkins zu sehen sowie ein Stück, das wir im Tschechischen Zentrum bereits aufgeführt haben: das Hörspiel Pryč!/Weg! von Miroslav Bambušek, in der Übersetzung von Gerald Schubert, der auch die Präsentation im Tschechischen Zentrum übernehmen wird…“

Gerald Schubert ist der Chefredakteur hier bei uns, bei Radio Prag. Und er hat das Hörspiel ja schon einmal in Wien präsentiert.

„Das war zum Jahrestag des Münchner Abkommens vor drei Jahren. Ich bin sehr froh, dass er wieder nach Wien kommt und es in einem anderen Rahmen präsentieren wird. Zudem soll auch Miroslav Bambušek hier sein und es ist ein Gespräch mit ihm geplant.“

Im Dezember dann ist in Wien ein Streifen des derzeitigen Stars der tschechischen Dokumentarfilmszene, Martin Ryšavý, zu sehen. Könnten Sie Ryšavý vielleicht unseren Hörern kurz vorstellen?

Film „Bären-Inseln“
„Martin Ryšavý ist eine sehr interessante Persönlichkeit, denn er hat eigentlich Biologie studiert. Nach 1989 erfüllte er sich dann einen Traum und absolvierte noch die Filmakademie. Er ist dann Regisseur und Drehbuchautor geworden – inzwischen einer der erfolgreichsten in Tschechien. Aber er ist gleichzeitig als Schriftsteller tätig und hat schon zweimal den Magnesia-Litera-Preis gewonnen, was die größte Auszeichnung für einen Schriftsteller in Tschechien ist. Er war im Mai bereits schon hier als Gast und hat seinen Film „Bären-Inseln“ über Sibirien gezeigt. Und diesmal ist er bei dem ersten und einzigen Filmfestival über Menschenrechte in Wien. Da wird der dritte Jahrgang laufen, und wir waren bisher immer dabei. Die Veranstalter haben sich einen Film von Ryšavý ausgesucht, dessen Titel sich sehr schwer übersetzen lässt, weil er sich auf die vietnamesische Sprache bezieht. Auf Deutsch lautet der Titel am ehesten vielleicht: ´Wer will mir ein halbes Zeichen beibringen.´ Es ist ein einzigartiges Dokument über jene Vietnamesen, die im Rahmen der sozialistischen Zusammenarbeit in den 60er und 70er Jahren zu Schul- und Studienaufenthalten in die Tschechoslowakei gekommen waren. Einige waren damals sogar kleine Kinder. Und heute, schon lange wieder zurück in Vietnam, pflegen sie mit großem Enthusiasmus die tschechische Sprache und Kultur. Der Film zeigt auch etwas vom heutigen Vietnam.“

Und wann ist er zu sehen?

„Am 7. Dezember im Schikaneder-Kino, Und anschließend wird auch ein Gespräch mit Regisseur Martin Ryšavý stattfinden.“

Autor: Till Janzer
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