„Für mich wird ein Traum wahr“ – Ondřej Černý übernimmt Leitung des Tschechischen Zentrums in Wien
Für das Tschechische Zentrum in Wien bringt das neue Jahr gleich mehrere größere Änderungen mit sich. Nicht nur, dass die Institution ihre angestammten Räumlichkeiten verlässt und umzieht, auch der Chefposten wird neu besetzt: Ondřej Černý übernimmt die Leitung des Zentrums. Der neue Direktor ist eigentlich Theatermacher und war in der Vergangenheit unter anderem Intendant des Prager Nationaltheaters. Nach einem Posten als Leiter des Tschechischen Zentrums in München war er zuletzt Generaldirektor des gesamten Netzes kulturdiplomatischer Vertretungen Tschechiens im Ausland. Was sind nun Ondřej Černýs Prioritäten für seine Zeit in Wien? Welche Programmhighlights hat das Zentrum demnächst zu bieten? Und wie wird die Institution ihren Umzug bewerkstelligen? Das waren einige der Fragen von Radio Prag International an Ondřej Černý.
Herr Černý, seit 16. Dezember sind Sie der neue Leiter des Tschechischen Zentrums in Wien. Zuvor waren Sie seit 2017 der Generaldirektor aller Tschechischen Zentren. Was bedeutet dieser neue Schritt, nach Wien zu gehen, persönlich für Sie?
„Ehrlich gesagt, wird damit ein Traum wahr. Ich habe mir das immer so vorgestellt, das war mein Plan. Als ich Direktor des Tschechischen Zentrums in München war und meine Zeit dort zu Ende ging, habe ich mir gesagt, dass es toll wäre, in Wien weiterzuarbeiten. So direkt geht das aber nicht. Also habe ich mir gedacht, dass der Weg über das Headquarter der Tschechischen Zentren in Prag wohl die beste Lösung sein würde. Und so ist es dann auch gekommen. In Prag hatte ich eigentlich nur vier Jahre geplant, am Ende sind es sechs geworden. Mir scheint aber, dass die Tschechischen Zentren das gebraucht haben, dass ein Direktor dort für eine längere Zeit sitzt. Denn diese kontinuierliche Arbeit ist wichtig. Die meisten Generaldirektoren waren zuvor immer nur drei, vier Jahre im Amt.“
Was werden die Schwerpunkte ihrer Arbeit in Wien sein? Welche Akzente wollen Sie setzen?
„Wir stehen vor einer großen Aufgabe, denn wir müssen die Arbeit unseres Zentrums dort neu denken. Wir verlassen unsere legendären Räumlichkeiten in der Herrengasse. Ehrlich gesagt bin ich deswegen aber nicht sentimental. Natürlich ist das schade und in einigen Aspekten auch wirklich problematisch und negativ. Aber uns eröffnet sich nun ein neuer Raum, der großartig ist, und das ist der Raum der Partner. Die Notwendigkeit mit Partnern von vor Ort zusammenzuarbeiten, ist etwas, das ich auch während meiner Zeit als Generaldirektor immer betont habe. In Wien werden wir nun dazu gezwungen sein, denn unsere neuen Räumlichkeiten werden zwar sehr schön sein, aber nicht groß genug für Veranstaltungen und Ausstellungen.“
Das finden sicherlich viele sehr schade, denn die Räumlichkeiten in der Herrengasse waren ja perfekt in der Innenstadt gelegen. Nun verlegen Sie Ihren Standort in die Kreuzherrengasse, was immer noch relativ zentrumsnah ist. Gibt es denn schon konkrete Partner, mit denen Sie im Rahmen von Veranstaltungen kooperieren wollen?
„Die Kooperationspartner sammelt man eigentlich jeden Tag. Es ist wichtig, dahingehend wirklich offen zu sein. Wir haben uns bereits mit der sehr freundschaftlichen Leitung des Konzerthauses getroffen und über eine mögliche Zusammenarbeit in der Zukunft gesprochen. Wir werden natürlich auch mit allen Partnern kooperieren, die bereits jetzt im Portfolio des Tschechischen Zentrums in Wien sind, wie etwa mit der Sargfabrik. Dort wird im März ein Konzert der herausragenden tschechischen Jazzmusikerin Nikol Bóková stattfinden.
Außerdem werden wir weiterhin mit unserer Kuratorin Anežka Jabůrková zusammenarbeiten, aber eben in den Räumen österreichischer Galerien. So wird es etwa im Motherboard Art Space eine Gemeinschaftsausstellung österreichischer und tschechischer Künstlerinnen geben. Im Herbst veranstalten wir eventuell ein Konzert der Kinderoper Prag im Konzertsaal MuTh. Wir haben also mehrere Projekte in petto und entwickeln noch weitere – und auf diese Arbeit freue ich mich wirklich sehr.“
Vielleicht ergeben sich etwa für bildende Künstler auch neue Chancen dadurch, dass sie in Zukunft eben nicht mehr im Tschechischen Zentrum ausstellen, sondern in einer der Galerien in Wien…
„Ja, genau. Die echte Kulturdiplomatie muss man in dem Land entwickeln, in dem man ist – und nicht in den eigenen Räumen. Das ist sehr wichtig.“
Gibt es noch weitere Programmschwerpunkte, die Sie hervorheben möchten?
„Ich habe mir generell vier Prioritäten gesetzt. Eine davon habe ich ‚Global – Polis‘ genannt. Die Welt, in der wir leben, soll von zwei Seiten betrachtet werden. Zum einen aus der globalen Perspektive – da geht es um Themen, die für alle auf diesem Planeten wichtig sind, also Dinge wie Nachhaltigkeit und Klima zum Beispiel. Auf der anderen Seite soll unter dem Aspekt ‚Polis‘ die Gesellschaft an dem konkreten Ort in den Fokus gerückt werden. Im Rahmen dieses Themenbereichs könnte ich mir etwa Diskussionsveranstaltungen vorstellen.“
Was sind die anderen drei Prioritäten?
„Der zweite Punkt sind multilaterale Projekte mit anderen Kulturinstituten im Rahmen des Eunic-Clusters. Bereits jetzt ist die Zusammenarbeit hier in Wien dahingehend sehr stark. Das dritte Thema liegt mir eigentlich nicht sehr nahe, weshalb es wohl eine Herausforderung wird. So will ich mehr im Bereich Wissenschaft und Innovationen anbieten. Im Tschechischen Zentrum in Wien hat man sich eigentlich nie mit dieser Thematik befasst. Das liegt daran, dass meine Vorgänger Martin Krafl und Mojmír Jeřábek einen starken Hang zum geisteswissenschaftlichen Bereich hatten. Mich würde aber interessieren, auch darüber hinaus tschechische Innovationen und Wissenschaftserfolge in Österreich vorzustellen und damit weitere Möglichkeiten zum Networking zu schaffen. Dadurch könnte die Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern in dem Bereich vertieft werden. Der vierte Aspekt ist Theater und Tanz. In diesem Feld habe ich eine starke Expertise, und in Wien will ich wieder dazu zurückkommen. Projekte im Bereich Performing arts sind oft sehr teuer, das muss von Anfang an mitgedacht werden. Aber ich denke, dass wir in dieser Hinsicht mehrere Vorhaben präsentieren können.“
In der Vergangenheit waren Sie der Leiter des Tschechischen Zentrums in München. Welche Erfahrungen nehmen Sie von mit? Was sollte auf keinen Fall in Wien wieder passieren? Oder was sollte gerade passieren, weil es in München so gut geklappt hat?
„Eigentlich bin in einer ziemlich interessanten Lage. Denn ich war Leiter des Zentrums in München, dann sechs Jahre lang Generaldirektor, und nun kehre ich zurück auf die Position des Leiters eines Zentrums. Mittlerweile weiß ich also wirklich Bescheid. Ich weiß, wie man mit der Zentrale zusammenarbeiten muss und was ich in München falsch gemacht habe. Vielleicht war es kein Fehler, aber mir ist klar geworden, dass man wirklich sehr intensiv Networking betreiben muss. Das ist die Basis für die Zusammenarbeit. Man muss mit den Menschen reden, reden und nochmals reden. Projekte können nicht vom Schreibtisch aus entwickelt werden. Natürlich können dort Ideen entstehen. Aber dann muss man mit den Leuten von vor Ort sprechen. Das will ich nun mehr und aktiver machen als damals in München.“
Die neue Generaldirektorin der Tschechischen Zentren und damit Ihre Nachfolgerin ist Jitka Pánek Jurková. Wie sehen Sie die Zukunft der Tschechischen Zentren mit ihr an der Spitze? Wird es ein neues Kapitel der Einrichtung geben? Oder kann der jeweilige Generaldirektor in der Praxis womöglich gar nicht so viel bestimmen?
„Doch, eigentlich kann der Einfluss schon relativ stark sein. Für mich ist es eine große Freude, dass sich der Minister für Jitka Pánek Jurková entschieden hat. Ich habe sie mir von Anfang an als meine Nachfolgerin gewünscht. Denn sie ist jung, sehr aktiv, und sie hat eine andere Wahrnehmung der Dinge als ich – was ich für wichtig halte. Ich denke, sie wird die Tschechischen Zentren weiter vorwärts bringen, wobei sie nicht so expansiv sein wird wie ich. Als ich Generaldirektor war, hat sie mitunter polemisiert, dass wir immer weitere Zentren in der Welt eröffnen, obwohl wir eigentlich gar kein Geld haben. Sie hält das Netz von 28 Standorten für ausreichend und wird sich nun an die konzeptionelle, kulturdiplomatische Arbeit machen. Für wichtig halte ich auch, dass sie die Kooperation mit unserem Außenministerium intensivieren will. Dafür braucht es sehr viel Geduld, und die bringt sie mit. Kurzum halte ich Jitka Pánek Jurková für die bestmögliche Wahl für die Tschechischen Zentren.“