„Ich glaube, ich bin super“ – der Künstler Krištof Kintera im Porträt
Krištof Kintera ist einer der jungen tschechischen Künstler, die von sich behaupten können, es geschafft zu haben. Seine Installationen finden vor allem im Ausland Anklang. Wie lebt Kintera, der von sich behauptet, das Prager Pflaster nie verlassen zu werden? Christian Rühmkorf hat sich mit dem Künstler in seiner Stammkneipe im Stadtteil Vršovice getroffen. Forum Gesellschaft mit einem Krištof-Kintera-Porträt.
Ein rotschwarz kariertes Hemd und ein Filzhut auf dem Kopf. So betritt der eher kleine Krištof Kintera die Kneipe „Shakespeare and son´s“ im Prager Stadtteil Vršovice. Hier kennt er jeden und jeder kennt ihn, den Künstler und seine Installationen. Im Shakes – wie es alle nennen – soll auch das Interview stattfinden. So hat Krištof Kintera es gewünscht. Zuerst aber bestellt er an der Theke Bier und Jameson-Whisky.
„Ich bin in Vršovice geboren und ein Lokal-Patriot. Ich war also froh, dass ich nach den zwei Jahren Stipendium in Amsterdam diesen Ort hier gefunden habe. Hier kann ich hingehen und mich mit ganz normalen Leuten unterhalten. Das Shakes ist mein Wohnzimmer geworden. Ein anderes habe ich nicht.“
Und das meint Krištof Kintera wörtlich. Auf engen 42 Quadratmetern, gleich nebenan, lebt der 37-jährige Künstler mit seiner Freundin Denisa, einer Theater-Produzentin, und den beiden kleinen Töchtern. Drei Straßen weiter wohnen seine Eltern. Die Familie war antikommunistisch - spätestens seit sein umtriebiger Großvater für 15 Jahre hinter Gitter musste, weil er nach dem Krieg eine kleine exklusive Möbelfabrik betrieb.
„Das sind so meine Erinnerungen an die Kindheit: Wir sitzen im Wohnzimmer und hören Radio Free Europe aus München und die Stimme Amerikas aus Wien.“
Vier Minuten und vierundzwanzig Sekunden – das war Krištofs persönlicher Rekord auf 1.500 Metern. Unter den Nachwuchssportlern damals die drittbeste Zeit in der Tschechoslowakei. Kintera war auf dem besten Wege Profisportler zu werden.
„Von heut auf morgen habe ich mit dem Sport aufgehört. Mich hat plötzlich ein ganz anderes Universum interessiert. Eine ganz andere Welt, wo man nicht um den Sieg laufen muss, wo es nicht um die üblichen Werte wie Erfolg, Geld und Arbeit geht. Ich habe etwas Feinsinnigeres gesucht. Und die Kunst war in diesem Sinne eine Herausforderung für mich, ein unglaublich spannender Raum, in dem es vor allem eines gab: Freiheit.“
Als 17-Jähriger streift er mit dem Fotoapparat durch Prag. Als ihm das nicht mehr kreativ genug ist, greift er zu Stift und Zeichenblock. 1992 wird er an der Prager Akademie der Künste angenommen.
„Abends habe ich zusätzlich Zeichenunterricht genommen, denn ich hatte einiges aufzuholen. Ich war sehr ehrgeizig und zielstrebig. Das kam sicher noch vom Sport, von der Leichtathletik.“
Heute lehrt Krištof Kintera selbst an der Akademie und gehört zu den bedeutendsten jungen Künstlern der Tschechischen Republik. Seine Ausstellungen gingen auch nach Berlin, Paris und New York. Viel dreht sich um Energie und Bewegung:
Ein riesiger raumfüllender Kronleuchter aus Straßenlaternen, eine drei Meter hohe Skulptur aus 300 Zimmerlampen aller Art. Krištof Kintera zielt mit der Lupe auf die Dinge des Alltags. In New York hat Seine Installation mit dem Titel „Revolution“ für Aufsehen gesorgt: Eine lebensgroße Puppe, täuschend echt verkleidet als 15-jähriges Kid mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze. Den Rücken zum Betrachter schlägt der Junge in unregelmäßigen Abständen den Kopf heftig gegen eine Mauer:
„Eine Besucherin bekam einen Anfall, als sie sah, wie der Junge den Kopf gegen die Wand schlägt. Sie musste mit dem Krankenwagen abtransportiert werden. Wir hatten Panik, dass sie uns verklagt.“
Krištof Kintera verkauft seine Kunstwerke hauptsächlich im Ausland. Trotzdem ist er fest in der tschechischen Kunstszene verankert:
„Ich mag die Ironie, die Übertreibung. Das ist das, was mir auch am besten gefällt an der tschechischen Mentalität. Die Kunstszene hier in Prag ist – wie soll ich es sagen – aufrichtig. Der Kunstmarkt ist nicht besonders entwickelt. Viel weniger als in anderen Ländern. Die Leute hier machen die Kunst aus Überzeugung. Sie bekommen wenig Unterstützung und glauben einfach an ihre Sachen.“
Und genauso ist es auch bei Krištof Kintera. Noch braucht er die Nebenjobs. Grafikdesign, Reklame, der Entwurf für eine Bar oder Kulissenmalerei für eine Filmproduktion.
„Ich bin ein künstlerischer 10-Kämpfer und verdiene mir auf diese Weise mein Geld zusammen. Kunst zu machen war und ist für mich immer eine Frage von Freiheit. Ich denke nicht darüber nach, ob sich die Kunst verkaufen lässt oder nicht.“
Der Tscheche Kintera wirkt mit seinem etwas rundlichen, freundlichen Gesicht optimistisch. Und dennoch: Weltschmerz kennt auch er:
„Was machst Du Ochse hier, machst hier einen auf coolen Künstler und solltest doch eigentlich die Welt retten. Aber mal sehen. Im Augenblick ziehe ich zwei Kinder groß und mache Kunst. Schauen wir, was da noch kommt.“
Familienvater und Künstler – geht das zusammen?
„Bestens, perfekt. Familie ist ein ausgezeichnetes Mittel, um Dein Ego klein zu halten. Das ist gesund. Aber ansonsten halte ich meine Kunst und meine Familie auseinander.“
Nur in einem Punkt nicht. Seine größte Kritikerin ist seine Lebensgefährtin Denisa, mit der er schon zehn Jahre zusammenlebt.
„Gnadenlos. Nicht ein Fünkchen falscher Bewunderung. Sie ist einfach aufrichtig und dafür habe ich sie gern.“
Sein Selbstvertrauen jedenfalls hat Krištof Kintera – trotz Familie - noch nicht eingebüßt:
„Ich glaube, ich bin super. (lacht lange). Nein, im ernst. Ich strenge mich einfach sehr an, damit alles unter einen Hut geht und klappt.“
Aber jetzt, jetzt ist noch Zeit für... „N´ Bier und ´n Jameson, bitte.“